Mittwoch, 28. November 2012

Mal wieder was zum Lesen und Rum für die Haare...

Winterzeit - Geschenkezeit. Auch wenn Sie und Ihre Lieben nicht am alljährlichen Weihnachtsrummelbummel teilnehmen oder aus Prinzip keine Geschenke machen, sollten Sie sich die folgenden Werke mal genauer ansehen:

"1001 Whiskies You Must Taste Before You Die", Dominic Roskow, 960 Seiten, ISBN 978-1-84403-710-0: Seit Sommer 2012 liegt dieses Schwergewicht vor und ist vielleicht weniger was für den Nierentisch (der unter der Last zusammenbrechen könnte), als für das Nachttischchen oder *hüstel* die Toilette. Eindruck macht auf jeden Fall der, der alle Malts, Blends, Irish, Bourbons, Ryes, American Craft Whiskies, etc. schon probiert hat. Sechs deutsche Whiskies sind übrigens auch dabei. Das wäre ja mal ein Anfang. Der Autor verzichtet auf Punkteschema oder sonstige strenge Bewertungen, erzählt aber mal was zur Brennerei, zum Abfüller oder eben zum Whisky selbst. Tastingnotes gibts auch. Eine unterhaltsame Lektüre für eine sechswöchigen Urlaubsreise an den Oderbruch.
"gaz regan's Annual Manual For Bartenders 2012", 277 Seiten, ISBN 978-1-907434-01-3 (auch via Kindle) und "gaz regan's 101 Best New Cocktails 2012", 275 Seiten, ISBN 978-1-907434-03-7: Nach dem Annual Manual 2011 besteht this year's gaz regan gleich aus zwei Bänden. Einmal haben wir das Manual, das sich in einen autobiografischen Teil, einigen Artikeln zu einzelnen Fachthemen inkl. Bartenderportraits - Stichwort: Mindful Bartender - und noch ein paar Abschnitten unter dem Titel Bar Geekery (z.B. Jiggern) unterteilt. Gegenüber der 2011er Ausgabe wurde der Rezeptteil in das "101 Best New Cocktails"-Buch ausgelagert. Dort gibt es dann genaue Rezepturen aus Bars und Cocktailwettbewerben, die der Meister selbst vor Ort vernichtet und mit Kommentaren versehen hat. Eine - wie ich meine - inspirierende Sammlung von durchaus nachahmenswerten Beispielen zeitgenössischer Cocktailkunst.

"Cuban Cocktails", Anistatia Miller & Jared Brown, 271 Seiten, ISBN 978-1-907434-10-5: Was das Œuvre dieser beiden "Drinks Detectives" (CLASS magazine) für die Bartenderwelt bisher bedeutet hat und hoffentlich noch bedeuten wird, kann ich gar nicht abschätzen. Auf jeden Fall macht "Cuban Cocktails" da weiter, wo der Vortrag des "legendary couples" beim BCB 2012 aufgehört hat: Bei den kubanischen Cantineros und ihren Drinks. Ein extrem unterhaltsames Must nicht nur für Cuba Libre-Trinker und Cocktailhistoriker.
"Bourbon, Straight", Charles K. Cowdery, 284 Seiten, ISBN 978-0975870303: Das Buch aus dem Jahre 2004 ist auch heute noch up-to-date, auch wenn die amerikanische Whiskeyszene seit dem einige Änderungen durchlaufen hat. Nennen wir es "Standardwerk" - ohne andere "Standardwerke" hinten anzustellen. Aber Cowdery - Betreiber des "Chuck Cowdery Blog" und Herausgeber des "The Bourbon Country Reader" - ist nicht nur gelernter Journalist, sondern Whiskeyliebhaber und das seit vielen Jahren. Sauber recherchierte Fakten und eigene Erlebnisse/Erkenntnisse ergeben so ein detailliiertes Bild des American Whiskey. Das Buch ist als Kindleedition erhältlich, wie übrigens auch zwei weitere Veröffentlichungen des Autors: "The Best Bourbon You'll Never Taste. The True Story Of A. H. Hirsch Reserve Straight Bourbon Whiskey, Distilled In The Spring Of 1974" bringt Licht in die Geschichte des in letzter Zeit zu Mondpreisen gehandelten Bourbons und zeigt auf, welch ein Unsinn auf dem Rückenetikett der letzten Abfüllungen publiziert wurde. "Small Barrels Produce Lousy Whiskey" stellt diese von Cowdery abgeschossene These in den richtigen Kontext.

Zum Abschluss noch ein Geschenktip für den gepflegten und stilvollen Herren. Das Kaufhaus Manufactum bietet seit kurzer Zeit ein Vielzweckmittel an, das als Badezusatz, Gesichts- und Haarwasser, Körperlotion und Rasierwasser genutzt werden kann. Ob man den "Dominica Bay Rum" mit 55,5% Vol. auf Basis von "feinstem Jamaica-Rum" auch gefahrlos trinken kann, kann ich noch nicht bestätigen. Noch reibe ich mich vor dem Verlassen des Hauses mit feinstem Islay-Malt ein... Frohes Fest!


Berlin Rules! oder: Whisky in der Hauptstadt

"...Ich lauf die Pappelallee hoch und die Prenzlauer runter
Ja sind denn alle abhängig hier? Voll auf Litschi und Holunder
Vom Himmel fällt Holzspielzeug und ein Satz Faber-Castell
Die Menschen sehen alle gleich aus, irgendwie individuell

Schwarz-Grün wird die Republik, hier ist sie es schon
Auf dem Nachttisch die Bibel und der Manufaktum-Katalog..."


(aus "Prenzlauer Berg" von  Rainald Grebe & Das Orchester Der Versöhnung, 2011)

Als einer der letzten (?) Blogger auf Mutter Erde, der sich mit Spirituosen und dem Drumherum dazu beschäftigt, kann ich mir die Freizeitangebote mittlerweile aussuchen. Schweren Herzens hatte ich mich so letzte Woche für einen Trip nach Berlin auf Einladung von "LVMH" entschieden. Dort galt es einer elitären Masterclass um "Glenmorangies" Signet, ein schottischer Single Malt, der vor rund vier Jahren auf den Markt gekommen war, beizuwohnen.
Ich hatte mich vorbereitet und war sämtliche Rezensionen, Tastingnotes, Whiskybücher und auch meine eigenen Aufzeichnungen durchgegangen. Zudem widmete ich mich nochmal objektiv und ausgiebig der mir vorliegenden Proben. Kritische Anmerkungen und Fragen notierte ich mir im Hinterkopf und war bereit den Designertropfen wissenschaftlich zu sezieren. Vor Ort entpuppte sich das geladene Volk als bunte Mischung von Bar- und Whiskymenschen aus allen (wesentlichen) Teilen der Republik und aus allen (noch) lebenden Generationen (und ich eben). Dieser kommunikationsfreudige Haufen war - das stellte sich an der geheimen Ziellocation, direkt neben dem Music and Lifestyle Hotel "nhow" (sprich: naʊ) schnell heraus - lediglich in die Hauptstadt getrommelt worden, um über Whisky und Signet zu quatschen. Unterbrochen wurden wir dabei nur durch ein kurzes Tasting in einem komplett schwarz gehaltenen Darkroom bei dem den Deliquenten über Funkkopfhörer Stimmen und Sounds eingespielt wurden, die das Genussvergnügen unterstützen sollten. Noch entspannter wurde es, als uns Deutschlands "Glenmorangie/Ardbeg" Brand Ambassador Michael Scheibe in eine bis dato verborgene Lounge mit eigener Bar führte - noch mehr Gelegenheit zum Kennenlernen und Fachsimpeln über Glenmorangie, schottisches Gerstendestillat im allgemeinen, Cocktails, Bars usw... Nach einer Visite in der "Amano"-Bar und Foodpairing mit Currywurst und Signet (funktioniert nicht unbedingt) am Bahnhof Friedrichstraße klang der Abend (für mich) bei ein paar recht vernünftigen Bottle-Aged-Drinks im etwas überstylten "Rocco & Sanny" aus.

Wenn unsereins schonmal in der Weltstadt ist, macht ein kurzer Schwenk durch ein paar Hotspots Sinn. Zum Thema des Vorabends passend waren das für mich zunächst zwei Whiskyshops. Ich startete im "Big Market", der mit seinem historischen Angebot (und seinem auch optisch antiquarischen Oldschool-Onlineshop) weit über Berlins Grenzen bekannt sein sollte. Hier kaufen sich auch junggebliebene Renterinnen und Rentner um die Mittagszeit einen Dram, da Inhaber Laskowski unzählige offene Flaschen parat hat.

Weiter ging es zum Whiskykanzler Werner Hertwig, der in Schöneberg zwei bestens sortierte Ladengeschäfte betreibt. Tip hier: Kommissionsware von Kunden zu annehmbaren Preisen und zwei jugendliche "Glendronach"-Single-Cask-Abfüllungen unter Eigenlabel.
Um die Ecke schlägt Berlins Rumherz (Sorry, Kristina), denn da hat Dirk Becker, Initiator des "Rumfestivals" sein bestens sortiertes "Rum-Depot". Auch hier gilt: Probieren, Probieren, Probieren...
Wer angesichts dieses Angebots nach fester Nahrung verlangt, hat seit neuestem einen neuen Anlaufpunkt: Das "Chicago Williams BBQ", der liebenswerten (Ex-)Barmenschen Holger Grill - äh - Groll (am Grill!) und Nawid Samawat (Gute Laune). Hier werden Bartender und gewöhnliche Gäste von 17-24 Uhr mit Fleischbergen (Pulled Pork, Bratwurscht), Zubehör, Bier ("Crew Ale", "Eichenhofener") und Drinks (Selbstgemischtes aus der Daiquirimachine!) versorgt. Dat is ne Benchmark! - oder: Was braucht Mensch mehr? Berlin rules...