Sonntag, 3. März 2013

Kavalan - Single Malt aus Taiwan

Beim diesjährigen "Finest Spirits"-Festival in München war, wie auch schon auf der Frankfurter "Interwhisky" und wie bei der Whiskymesse "The Village" in Nürnberg am ersten Märzwochenende, die jetzt in Deutschland erhältliche Range des Single Malt Whiskys "Kavalan" vertreten und konnte in Masterclasses bzw. am Messestand verkostet werden. Daran ist zunächst nichts besonders zu bemerken, kommen doch fast täglich neue und - glaubt man den Beschreibungen der Marketingmenschen in ihren Presseinfos - immer noch bessere Whiskys auf den Markt. Aber "Kavalan" kommt aus Taiwan.

"Den will ich gar nicht probieren. Das ist doch wieder so ein Retortenwhisky." Diese Aussage eines Münchner "Finest Spirits"-Besuchers steht in gewissem Gegensatz zu den Auszeichnungen und Bewertungen, die "Kavalan" bzw. etliche Abfüllungen der Taiwanesen in den letzten Jahren einheimsen konnten. Besonders stolz ist man auf den Titel "Asia Pacific Spirits Producer", den man bei der IWSC (International Wine & Spirits Competition) in den letzten beiden Auflagen gewonnen hat und der die Herstellerfirma "King Car Food Industrial Company Ltd." in eine Reihe mit "William Grant & Sons Distillers Ltd." oder "The Glenmorangie Company" stellt. Noch dazu konnte man mit dem "King Car Conductor Single Malt Whisky" in der Kategorie "The Whiskies Of The World" die Höchstnote Gold - Outstanding gewinnen. Sie machen sich nichts aus Awards und Titeln und solchem Tamtam? Zurecht. Unsere japanischen Freunde von der "Suntory Liquors Ltd.", bisher die Abräumer in der Kategorie "Asia" sehen das ein bisschen anders, war zu vernehmen.

Wir wollen aber nicht Edelmetall, sondern Whisky sprechen lassen. Da selbiger sich stimmlich zunächst ein bisschen zierte, wurde er durch Masterblender Ian Chang vertreten. Selbiger konnte berichten, dass Mister T.T. Lee, allmächtiger Boss des "King Car"-Nahrungs- und Putzmittelkonzerns (in unseren Breiten durch "Mr. Brown" Dosenkaffee bekannt), nach dem Beitritt des Landes zur WTO in 2002 und dem Fall des staatlichen Alkoholmonopols mit der Planung einer Destillerie nach schottischem Vorbild begann. Nach nur neun Monaten Bauzeit wurde der Komplex 2005 vollendet und am 11. März 2006 floss der erste New Spirit aus feinsten, schottischen "Forsyths"-Brennblasen.

An dieser Stelle kurz ein paar Daten. Die durchschnittliche Außentemperatur liegt in Taiwan (bekanntlich eine Insel östlich der VR China, ungefähr auf der Höhe von Hongkong, nördlich der Philippinen, völkerrechtl. Status ungeklärt) bei 25-27°C übers Jahr gesehen. Ein subtropischer Sommer geht dabei aber gern mal von März bis Oktober und bringt dabei Tageshöchstwerte von 37-40°C mit. Das ist überhaupt nicht schottisch und bringt daher einen für Whiskyliebhaber beunruhigenden Angels' Share von rund 15-18% mit sich. Das Fasslager ist ein fünf Stockwerke hohes, modernes Warehouse, in dem - insbesondere in den oberen Stockwerken - extrem hohe Temperaturen herrschen. Diese klimatischen Umstände führen zu einer Art Turboreifung des Destillats. Nicht zuletzt die Beratung durch Whiskyguru Dr. Jim Swan (Consultant und bekannt als Master Blender bei "Penderyn") führte zu einem von Anfang an konsequent professionellen Fassmanagement. Verwendet werden Ex-Bourbon-, Ex-Sherry-, Ex-Wein- und auch Ex-Whiskycasks (!) - letztere aus Schottland und Japan, die, sobald befüllt, jedes Jahr qualitätstechnisch kontrolliert werden - jedes der zur Zeit 30.000-35.000 Fässer wohlgemerkt, da sich bei dem enormen Reifungstempo auch Fehler extrem schnell ausbilden können. Nicht alles bringt also nur Vorteile. Die verwendete Gerste (3-4 verschiedene Varietäten) wird hauptsächlich aus Schottland, England, Schweden und Australien bezogen. 
Während für den taiwanesischen Markt auch Whiskys mit nur zweijähriger Lagerdauer produziert werden, kommt der Standardwhisky "Kavalan Single Malt" (40% Vol., verschiedene Fasstypen, ca. 60 EUR) in der Abfüllung für Europa als dreieinhalb- bis vierjähriger Single Malt in die Flasche. Der recht ordentliche Malt hat mich mit seinen Mandel- und Citrustönen bei doch recht honiglastigem Malz nicht vom Hocker gerissen. Das Portfolio reicht über den "Concertmaster" mit Portweinfassfinish und dem oben genannten "King Car Conductor" zu den Einzelfassabfüllungen (Cask Strength, ungefärbt, keine Kältefiltrierung) namens "Solist". Ah ja. Hier werden wir fündig. Der "Vinho" (aus einem nicht weiter beschriebenen Ex-Weinfass, 57,7% Vol., Cask: W071210053, ca. 100 EUR) war weniger mein Typ als der "Solist" aus einem Ex-Bourboncask (56,3% Vol., Cask: B080616033, ca. 120 EUR), der einfach ein reinrassiger Ex-Bourbonmalt mit Schlüsselaromen von Vanille, Kokosnuss und Honig ist. Gelungen! Noch besser finde ich den "Solisten" aus einem Olorososherryfass (58,6% Vol., Cask: S060703032, ca. 130 EUR). Ich durfte davon mittlerweile aus drei verschiedenen Fässern - alle vom gleichen Produktionstag - kosten. Und alle drei waren - nunja - kleine Sherrybomben mit viel Frucht und - bei aller Power - mit angenehmer Süße. Die haben mir persönlich auch besser gemundet als der - für mich - doch reichlich eckige "Solist Fino Sherry" (58,1% Vol., Cask: S060814050, ca. 255 EUR), für den zudem noch ein etwas abgehobener Preis aufgerufen wird. Nunja. Zum blauetikettierten "Vinho" darf ich noch eine Besonderheit vermelden: Hier kommen spanische, portugiesische und italienische Rot- und Weißweinfässer zum Einsatz (natürlich immer nur eines pro Bottling), deren Innenseiten mit der Hand "abgehobelt" und anschließend einem neuen Toasting & Charring unterzogen werden.
Die Fasscodes sind leicht zu entschlüsseln: B, S oder W steht natürlich für den Typ Bourbon, Sherry oder Wein. Dann folgt das Destillationsdatum - z.B. 060703 für den 3. Juli 2006. Dann folgt noch die dreistellige Fassnummer - z.B. 032. Das Bottlingdate ist nicht auf dem Etikett, sondern auf der Flasche aufgedruckt. Die derzeit aktuellen Flaschen im deutschen Einzelhandel wurden rund um den 24.12.2012 abgefüllt. So lässt sich das genaue Alter kinderleicht ermitteln. Bei genauem Hinsehen bemerken wir also, dass bei Sherryfässern die Ausbeute rund 550 Flaschen nach einer Lagerdauer von über sechs Jahren beträgt, während bei Bourboncasks nach rund 4,5 Jahren nur ca. 200 Flaschen abgefüllt werden. Viel Spaß beim Rückrechnen auf die ursprüngliche Füllmenge und Fassgröße.

In München stand mir neben Herrn Chang auch Whiskyfachmann Bernhard Schäfer Rede und Antwort, der das asiatische Team in Deutschland bei Master Classes und Seminaren unterstützt.

whatadrink: Bernhard, "Kavalan" Whisky ist ganz neu in Deutschland. Wo würdest Du diesen Whisky in Deiner persönlichen Whiskywelt ansiedeln?

Bernhard Schäfer: Meine persönliche Whiskywelt ist die Welt des rauchigen Whiskys. Das ist bisher - einen sehr leckeren "Kavalan", der in einem Islaywhiskyfass gelagert wurde, durfte ich allerdings in Taiwan bereits probieren - nicht die Ausrichtung von "Kavalan". Wir dürfen bei aller Lieb zu dem ganzen rauchigen Zeug nicht vergessen, dass sich weltweit gesehen der nichtrauchige Whisky größerer Beliebtheit erfreut. Aber um auf Deine Frage zurückzukommen: Das ist einfach sehr guter Whisky! Wenn wir beide morgen mit der Whiskyproduktion beginnen würden, gäbe es viele Punkte zu beachten. Und all das, was man dabei steuern kann, haben die Menschen bei "Kavalan" richtig gemacht. Die haben den besten Mann als Berater, die beste Herstellerfirma für ihr Equipment, und die besten Fässer, die man für Geld bekommen kann. Und dazu hat man in Taiwan ein lustiges Klima. Zudem experimentiert man dort auch. Zum Beispiel hat man die Fässer aus allen großen amerikanischen Destillerien getestet und festgestellt, dass man außer mit Fässern von "Jack Daniel's" gleichbleibend gute Resultate erzielt. "Kavalan" funktioniert einfach nicht mit "Jack Daniel's"-Fässern.

wad: Wir kennen mittlerweile japanische und indische Whiskies und betrachten beide als eigenständig. Gleiches muss man dann - bei allem schottischen Know-How, das in "Kavalan" steckt - auch für taiwanesischen Whisky gelten lassen?

BS: Ja, Du musst dabei auch sehen, dass außer Japan kein Land in Asien eine Whiskytradition hat. Und dieser Whisky kann mit jedem schottischen Whisky mithalten. Die Ergebnisse in internationalen Blindverkostungen sprechen eine eindeutige Sprache.

wad: Mir hat der "Solist Sherry", also aus dem Olorosofass, bislang am besten gefallen. Ein fruchtiger Sherrywhisky, der bei aller Zugänglichkeit nicht langweilig ist. Wer ein bisschen Ahnung hat, weiß aber auch eine gelungene Ex-Bourbonfass-Abfüllung zu schätzen.

BS: Ich finde, grade an einem Bourbon-Single Cask siehst Du die Qualität der Destillation. Sherryfasswhisky bietet immer die Möglichkeit mit intensivem Sherryholz das ein oder andere abzudecken. Das ist beim Bourbonfassausbau nicht ganz so einfach. Da kommt schon viel deutlicher die Qualität des New Makes durch. Dazu kommt, dass man Segen und Fluch zugleich hat, da durch die Temperaturen und die hohe Luftfeuchtigkeit vor Ort, die Reifung sehr schnell vor sich geht und so auch schnell Fehler passieren können, die nicht mehr zu "reparieren" sind. "Kavalan" hat da ziemlich Stress mit der Überwachung des Lagerbestandes.

wad: Der indische Hersteller "Amrut" hat ja ein ähnliches Klima/Lagerproblem und hat mit interessanten Experimenten wie "Intermediate", "Two Continents" und "Herald" zum Teil auch Whisky in Europa reifen lassen. Kann man von "Kavalan" Ähnliches erwarten?

BS: Ich glaube nicht. "Kavalan" fokussiert sich zum einen darauf einen guten Whisky zu machen. Damit hat man genug zu tun und verkaufen will man den auch erstmal. Die Range ist schon ziemlich groß und drei neue Abfüllungen, die ich noch gar nicht im Detail kenne, sind schon in der Pipeline - u.a. auch die Islaycaskgeschichte.

wad: Das ist doch überhaupt eine verrückte Entwicklung, dass Whisky, Rum, Gin oder Wein durch eine mehr oder weniger lange Fasslagerung Islaycharakter verliehen wird.

BS: Moment. Islaycharakter stimmt ja nicht. Es gibt doch genügend Whiskyabfüllungen von Islay, die überhaupt nicht mit getorftem Malz zu tun haben. Aber zurück zu Deiner Frage. Bis zu einem gewissen Punkt ist "Kavalan" also auch innovativ. Man muss aber nicht alles machen. Ich sehe weder ökonomische noch olfaktorische Vorteile. Die Auswahl ist ja jetzt schon ziemlich breit.

wad: Noch eine Frage, die vielleicht Leute interessiert, die sich jetzt die eine oder andere Flasche vom "Solist" kaufen. Hast Du Informationen dazu wieviele verschiedene Einzelfässer im Jahr (für uns in Deutschland) abgefüllt werden?

BS: Kann ich nicht sagen, wird aber sicher mit dem Abverkauf zusammenhängen. Der "Solist" wird derzeit nach Frankreich, Großbritannien und Deutschland exportiert. Du musst schon sehen, dass das echter Hardcore-Singlecask inklusive no-coloring und no-chillfiltering ist. Frankreich hat da sicher andere Fassnummern als bei uns.

wad: Stimmt.

BS: Es wird eben auf die Nachfrage ankommen. Bei uns ist der Stoff ja erst seit zwei Wochen erhältlich.

wad: Wer ist denn eigentlich der Vertriebspartner in Deutschland?

BS: Das macht die Firma selber. Man wollte sich wohl zunächst einen Großhändler suchen, aber da man eh selber importiert, vertreibt man jetzt auch direkt an die Einzelhändler.

wad: Danke für das Gespräch.
Fazit: Ausgezeichneter Stoff aus einer State-Of-The-Art-Destillerie + Lagerung bei subtropischem Klima + hochklassiges Fassmanagement = komplexer Whisky mit vielen entdeckenswerten Nuancen aus einem whiskyverrückten Land. 

Taiwan rangiert mit "nur" 23 Millionen Einwohnern unter den Top Ten der Whiskynationen, was den Verbrauch anbelangt und das Kavalansche Visitor Center besuchen jährlich rund 1 Mio. Menschen - mehr als in allen schottischen Destillerien zusammen. Als einziges Manko des Ganzen bleibt der relativ hohe Preis im Vergleich zu schottischen Destillaten. In Taipei liegt der Stoff übrigens auch auf ordentlichem Preisniveau. Eine Flasche "Solist Sherry" kostet dort umgerechnet etwa 100 Euro. Dazu darf man auch im Hinterkopf behalten, dass "Kavalan" keine urige Micro Farm Distillery ist, sondern bisher jährlich 9.000.000 Flaschen auswirft. Der Neubau einer zweiten Produktionslinie plus neuer Lagerhäuser wird wohl bereits angedacht. Aber war z.B. japanischer Whisky jemals günstig? Eben.

Und um abschließend auf den obigen Vorwurf des Retortenwhiskys zurückzukommen. Wer sagt denn, dass man als kleiner schottischer Schwarzbrenner, der sich vorm Steuereintreiber versteckt, anfangen muss, um 200 Jahre später erfolgreich Whisky verkaufen zu können?

Da ich nicht der Erste und sicher auch nicht Letzte bin, der über "Kavalan" schreibt, darf ich dem Leser viel Spaß bei einer ergänzenden Internetrecherche wünschen. Hier ein paar aktuelle YouTube-Clips: