Dienstag, 28. Februar 2012

Perrier-Jouët Champagner-Workshop

Die Münchner Szenegrößen Andreas Till und Klaus St. Rainer hatten - zusammen mit dem Champagnerhaus "Perrier-Jouët" - in die "Goldene Bar" zum Champagner-Workshop geladen. Wobei "Workshop" eigentlich das falsche Wort ist, da nur Andreas Till als Referent wirklich gearbeitet hat. Die rund 50 Teilnehmer waren aufmerksame Zuhörer, die die gebotenen Informationen (und nur die Informationen!) gierig aufsogen. Der Champagner - zum Ausschank kamen vier Abfüllungen - wurde geschwenkt, analysiert, geschlürft, geschnüffelt und ja - auch getrunken.Bevor es aber an die Verkostung von "Grande Brut", "Blason Rosé", "Belle Epoque" und "Belle Epoque Rosé" ging, wurde nicht nur der Begriff Champagner und dessen Herstellung erläutert, sondern auch alle nötigen Fachtermini eingehend und detailliiert besprochen und in ein Gesamtbild eingefügt. Was sich hinter Terroir und Cuvée verbirgt, kann der interessierte Laie heutzutage spielerisch wiedergeben. Ich kenne mich jetzt auch mit Begriffen wie Échelles des Crus, Débourbage, Liqueur De Tirage oder Pupitres De Remuage etc. aus. Ha!

Trotzdem hatte ich noch ein paar Fragen an Andreas Till, der zusammen mit seinen Geschäftspartnern gleich drei einschlägige Hotspots in München betreibt. Ein längeres Interview hat kürzlich Philip Reim mit ihm geführt - das finden Sie hier.

whatadrink!: Andreas, du hast - denke ich zumindest - einen ziemlich guten Einblick in die Münchner Gastronomie. Welche Rolle spielt dort Champagner?

Andreas Till:
Na ja, ich weiß nicht ob man einen guten Einblick in die Gastronomie haben kann, wenn man mit drei eigenen Bars/Restaurants beschäftigt ist, deshalb muss ich mich bei dieser Antwort mehr auf das Trinkverhalten meiner Gäste beziehen. Auffällig ist dabei der sich schon länger abzeichnende Trend zum qualitativ anspruchsvolleren Konsum. Die Bereitschaft, mehr Geld für adäquat mehr Qualität auszugeben, ist vorhanden und zeichnet sich auch beim Champagnerkonsum ab. Immer häufiger wird dabei nach der Champagnermarke gefragt, was zumindest für eine differenziertere Sichtweise der Thematik spricht - egal ob aus Marketing- oder Qualitätsgründen; dafür spricht auch die gesteigerte Nachfrage für Champagne Cocktails, wie Prince of Wales, Champagne Julep, etc.


wad: Für dich persönlich ist Champagner die "Königin" an der Bar. In welcher Position bzw. Verwendung siehst du Champagner in euren Bars?

AT:
Dem Gast zu empfehlen, ein Glas Champagner oder Champagnercocktail zu trinken, wird heute nicht mehr unbedingt mit "Umsatzgeilheit" gleich gesetzt. In Verbindung mit einer gesteigerten Wertschätzung gegenüber dem Champagner und einem fundierterem Wissen darüber, ist der Umgang damit unbeschwerter und lässt sich somit auch beispielsweise als Essensbegleiter vermitteln. Dazu kommt noch, dass Champagner - wie eben auch Gin - bei der richtigen Wahl der Marke eigentlich immer geht!


wad: Hast du auch einen Lieblingschampagnercocktail und welche Abfüllung würdest du dafür verwenden?

AT:
Seitdem wir bei uns "Perrier Jouët" (Grand Brut - frisch, aber elegant) offen ausschenken, habe ich meine Liebe zu Kir Royal (mit gutem Créme de Cassis) entdeckt. Ansonsten ist der Prince of Wales meine erste Wahl; da am liebsten mit "Pol Roger" Brut.



Der frische und fruchtige "Grand Brut" (ab 30 EUR/0,7l) kam an unserem Tisch gut an. Am komplexen "Blason Rosé" (ab 50 EUR/0,7l) mit leichtem Brotaroma, den ich mir auch gut - wie von Andreas Till vorgeschlagen - als Essensbegleiter vorstellen kann, schieden sich die Geister, die beim "Belle Epoque" (ab 100 EUR) wieder vereinigt waren. Das ist nun wirklich ein cremiger und nussiger, von Chardonnay geprägtes Prestigecuvée der allerbesten Art. Weniger zugänglich präsentierte sich im Tasting der "Belle Epoque Rosé" (ab 300 EUR/0,7l) - vielleicht tut dem aktuellen Jahrgang noch etwas Reife gut.

Die aktuellen Abfüllungen von "Perrier-Jouët" sind in Deutschland bei vielen (Online)Weinhändlern zu haben. Die Preisdifferenzen sind oft erstaunlich - Vergleichen lohnt sich hier besonders.

Und hier der Link zu einem weiteren Bericht bei bushcooks kitchen.

Samstag, 25. Februar 2012

Amrut - Indian Single Malt Whisky

Die Firma "Prineus GmbH" (Import & Großhandel feiner Spirituosen) mit Sitz in Kiel hat sich in den letzten Jahren als Importeur der vielbeachteten Whiskyabfüllungen von "Compass Box", "Elements Of Islay", "Single Malts Of Scotland", "Port Askaig", "Amrut", "Mackmyra" und einiger weiterer Marken und auch anderer Spirituosen, wie z.B. dem historischen "Black Tot"-Rum, einen Namen gemacht.Das letzte Baby der Norddeutschen heißt "Amrut Herald" - ein indischer Single Malt, der auf der Insel Helgoland gelagert und abgefüllt wurde - quasi "indo-germanischer" Stoff also, wie zu lesen war. Geschäftsführer Gerd Schmerschneider stand mir während der "Finest Spirits" in München Rede und Antwort.

whatadrink!: Herr Schmerschneider, "Prineus" ist der Generalimporteur für "Amrut" in Deutschland und Sie erledigen auch die Distribution. Der "Herald" ist 2011 auf den Markt gekommen. Wie kam es zu dieser Abfüllung?

Gerd Schmerschneider: Es ging damit los, dass mich Ashok Chokalingam, der Repräsentant von "Amrut", der für den weltweiten Vertrieb zuständig ist, vor ein paar Jahren gefragt hat, ob man nicht so etwas ähnliches wie den "Amrut Two Continents", also einen Whisky, der zuerst in Bangalore und dann in einem Land nördlich von England gelagert wurde und auch aus europäischem und nicht nur indischem Getreide gemacht ist, mal mit Deutschland machen könnte. Wir haben uns dann gefragt: Wo können wir diesen Whisky lagern? Wir haben natürlich ein Lagerhaus in Kiel, das wäre ganz nett, ist aber nichts Spektakuläres. So kamen wir auf die Idee, Whisky auf die Insel Helgoland zu bringen, weil man, um Whisky zu lagern ein Zolllagerhaus braucht. Und, da Helgoland weiter zollfrei ist und zoll- und mehrwertsteuertechnisch nicht zur EU gehört, habe ich dort einen Händler, den ich sehr gut kenne, gefragt, ob wir in seinem Lagerhaus vier Fässer unterbringen können.

So reiften die Fässer nochmal eineinhalb Jahre auf der Insel. Zwischendurch wurden immer wieder Proben gezogen bis wir gesagt haben: So, jetzt füllen wir ab. Dann haben wir das ganze Equipment dafür, d.h. Flaschen, Korken, eine kleine Pumpe, Kaspelmaschine, Etiketten (übrigens von Hand beschriftet, da ja nicht klar war, wieviele Flaschen man mit welchem Alkoholgehalt abfüllen würde) und Alkoholmessgerät, rübergebracht und an einem Wochenende mit 10 Leuten drei Fässer abgefüllt. Das vierte Fass sollte eigentlich auch geleert werden, aber im Verlauf der Aktion stellte sich heraus, dass Verpackung und Flaschen nur für drei Fässer reichen sollten. Es war mehr Whisky drin, als zu vermuten war. Insgesamt ergaben sich so rund 750 Flaschen, von denen die Abfüllungen aus einem Fass für den deutschen Markt, aus dem zweiten Fass für den Händler auf Helgoland und die aus dem dritten Fass für "Resteuropa" zur Verfügung stehen. Meiner Meinung nach ist der Whisky aus Fass 2868 der beste der drei. Unsere beschriebene Abfüllmethode führte auch zu der Besonderheit, dass der Whisky wirklich vollkommen unfiltriert direkt aus dem Fass durch einen Schlauch in die Flasche gekommen ist. Ungefärbt ist er natürlich sowieso. Also Whisky as we get it!

wad: D.h. wenn sich ein Fitzelchen von der Fasswand abgelöst hat, dann landete das in der Flasche?

G.S.: In einigen Flaschen sind kleine Partikel zu sehen, da wir immer solange abgefüllt haben, bis zuviel Fragmente mitkamen. Das vierte Fass ist übrigens weiterhin auf Helgoland. Über eine Abfüllung haben wir noch nicht erschieden und da die ganze Aktion so gut verlaufen ist, werden wir im Frühjahr weitere Fässer nach Helgoland bringen. Da wird dann auch getorftes Destillat von "Amrut" dabei sein, hoffe ich.
wad: Gibt es eigentlich getorftes Malz in Indien?

G.S.: Nein, wenn man bei "Amrut" getorftes Malz nimmt, dann kauft man das vorher in Schottland. Dort weiß man einfach, wie man das perfekt macht. In Indien gibt es Malz bzw. Gerste, aber kein Torf. Es ist einfach zu warm dort.

wad: Und Helgoland? Gibts da Torf?

G.S.: Nein, Helgoland ist ja eine winzige Insel, die man in einer Dreiviertelstunde gemütlich zu Fuß umrundet hat. Interessant beim "Herald" ist v.a. auch der Unterschied beim Klima. In Bangalore ist es sehr heiß und der angels' share liegt bei 12-15% gegenüber Schottland mit 2-3%.

wad: Das habe ich gelesen. Aber wie stellen sich die Toleranzen in Sachen Temperaturunterschied in Indien dar? In den USA kennen wir ja das Phänomen, dass die Unterschiede bei der Reifung im gleichen Warehouse eklatant sein können, je nachdem ob das Fass oben oder unten liegt.

G.S.: Ja, das gibt es in Indien auch. Durch die Hitze in den oberen Regionen der Lagerhäuser kann es vorkommen, dass der Alkoholgehalt während der Reifezeit noch steigt. Auf Helgoland geht es dann mit einem sehr gemäßigten Klima weiter, was sehr gut für die Harmonisierung ist. Das ist ein wesentlicher Effekt, den wir beim "Herald" erzielt haben.

wad: A propos Effekt, welche Fässer wurden beim "Herald" verwendet?

G.S.: Hier haben wir Bourbonfässer gehabt und zwar Barrels und keine Hogsheads. "Amrut" verwendet in erster Linie Ex-Bourbonfässer und belässt diese immer in der Originalgröße. Dazu kommen 8-10% frischer Eichenfässer und auch Sherryfässer wie beim "Intermediate" (Ex-Bourbon + Fresh Oak, dann Sherry, dann wieder Ex-Bourbon).

wad: Den "Amrut Portonova" (
Ex-Bourbon + Fresh Oak, dann Portwein, dann wieder Ex-Bourbon) haben Sie nicht hier auf der Messe?

G.S.: Nein, der "Portonova" war ein Experiment mit letztlich 300-400 Flaschen und wir haben für Deutschland nur 60 davon erhalten, die am gleichen Tag an die Händler rausgingen. Daher haben wir davon nichts mehr hier am Stand.

wad: Danke für die Informationen.


Mir persönlich hatte Bibleauthor Jim Murray vor rund zwei Jahren die Scheu vor den Exoten aus Indien genommen, der die mit viel schottischen Know-How ans Laufen gebrachte Destillerie regelmäßig lobend erwähnt. Aber nicht nur er, sondern auch Institutionen wie die Malt Maniacs haben "Amrut"-Whiskies schon ausgezeichnet. Dem Einsteiger sei der preisgünstige aber nicht weniger exotische "Amrut Fusion" aus der regulären Single Malts Range ans leicht getorfte Herz gelegt.

"Amrut" Single Malts sind bei zahlreichen Onlinehändlern in Deutschland erhältlich - "Amrut Herald" kostet rund 85-90 EUR / 0,7l.

Dienstag, 21. Februar 2012

Tres Hombres - Rum und mehr...

Was ist von einem Produkt zu halten, das als The World Only Fairtransport Rum beworben wird? Der grüne Gedanke hebt die mangelnde Qualität wieder auf? Ganz ok, aber eher öko als wirklich gut? - Nee, völlig falsch gedacht.
"Tres Hombres" ist ein Projekt dreier Männer (wie passend), die aus den Niederlanden und Österreich kommen und mitterweile mit ihrem selbstgebautem 33-Meter-Segelschiff (Frachtzuladung 35t - kein Motor) mehrere Fahrten in die Karibik und wieder zurück absolviert haben. Der Name... Aber was schreibe ich denn da - lassen wir Andreas Lackner, einen der drei Kapitäne, doch einfach persönlich zu Wort kommen.

whatadrink!: Andreas, wie und wann habt Ihr Euch kennengelernt? Und wie ging es mit den "Tres Hombres" los?

Andreas Lackner: Wir haben uns zufällig im Jahr 2000 bei einer Atlantiküberquerung auf einem 55-Meter-Dreimaster kennengelernt. Das war die erste Amerikafahrt für das Schiff und wir waren jung und narrisch und konnten umsonst mitfahren. Danach haben sich unsere Wege wieder getrennt aber auf dieser Fahrt hat sich die gemeinsame Idee Fracht wieder unter Segel zu fahren entwickelt. Eigentlich so wie früher nur eben auch unter ökologischen Gesichtspunkten.

Jeder hat uns gesagt, dass das unmöglich ist. Aber 2006 kamen wir wieder zusammen und da haben wir gesagt "Jetzt ist die Welt reif dafür" und haben begonnen die Idee weiter zu planen. Dann haben wir in Holland auch das Schiff bzw. das Wrack gefunden - ein deutscher Schiffsrumpf aus 1943 - den wir praktisch gratis bekamen. Und schon ging es los mit der Promotion für das Projekt Schiffsbau und dem Sammeln von Geld dafür. Wir haben z.B. Anteile ausgegeben und man konnte Schiffseigner werden. Freiwillige Helfer hatten wir insgesamt 150 Leute aus 20 Ländern, die 2 Tage oder auch 2 Jahre geholfen haben unser Schiff zu bauen. Wir sorgten dabei für Unterkunft, Essen und Spaß.

wad: Eure ersten beiden Rumabfüllungen kommen aus der Dominikanischen Republik. Wie habt Ihr den Rum ausgesucht und wie läuft das dann alles ab bis die Flaschen in Europa sind?

AL: Wir haben uns gefragt: Was können wir mit dem Schiff machen? Fracht zu transportieren für Dritte ist schwierig, da wir nur 35 Tonnen Fraht im Rumpf transportieren können. Das wären rund 15.000 Flaschen Rum. Das zahlt sich nicht aus für uns, da der Frachtpreis zu niedrig wäre. Also haben wir gesagt, machen wir das doch selber. Wir kaufen selber ein und vermarkten quasi unsere eigenen Produkte unter unserem Namen, was eine Möglichkeit zum wirtschaftlichen Überleben ist.
Als unsere erste Reise anstand gab es das Erdbeben auf Haiti. Und da wir eh in die Kaibik wollten, haben wir innerhalb von 10 Tagen eine Ladung Hilfsgüter gesammelt und nach Holland in den Hafen geschafft. Nach 50 Tagen Fahrt haben wir die Materialien in Haiti abgeliefert. Unsere Überlegung war dann, wie können wir diese Reise finanzieren? Wir wussten, dass es in der Dominikanischen Republik guten Rum gibt und daher haben wir dort nach einem Produzenten gesucht, der uns unseren Rum abfüllt, labelt usw. Auf der Reise von Haiti in die Dominikanische Republik ist uns aber der Mast gebrochen. Daher lagen wir 3 Wochen in einer Bucht um den Schaden zu reparieren. Diese Zeit habe ich genutzt um nach Santo Domingo zu fahren und dort Rum zu probieren.

Ich kam in Kontakt mit z.B. "Brugal" und anderen, aber die waren für unsere Pläne natürlich viel zu große Produzenten. Bei "Mardi" wird ganz in der Nähe von Santo Domingo ein 8jähriger Gran Anejo gemacht, der wirklich sehr gut ist. Ich konnte dort ausgiebig verschiedene Samples probieren, war sofort begeistert und wir haben 3000 Flaschen bestellt. Und als wir später in Santo Domingo einliefen, kam schon der Lastwagen mit unserer Lieferung und alle Zollformalitäten waren erledigt. So begann der erste offizielle Rum Run seit 100 Jahren und wir sind in 33 Tagen quer über den Atlantik nach Holland gesegelt.

wad: Macht es Dich nicht manchmal stutzig, dass bei Euch alles so problemlos funktioniert?

AL: (lacht) Das schaut ja nur so aus. Schon bei der Rumbeschaffung bzw. der Klärung der Zollsachen bin ich tagelang von einer Stelle zur nächsten gelaufen, um hier und dort - übrigens mit Whisky - nachzuhelfen. Unsere zweite Auflage kam wieder von "Mardi", aber diesmal 5000 Flaschen in noch besserer Qualität, wie ich finde. Als wir im Hafen ankamen war unsere Abfüllung aber noch nicht fertig und wir mussten eineinhalb Monate warten, was zu ungeplanten Kosten und Strapazen führte. Auf der Rückreise waren wir dann zudem 55 Tage unterwegs, weil wir ungünstiges Wetter erwischt hatten und eine Ausweichroute fahren mussten.

wad: Was unterscheidet die beiden Abfüllungen 2010 und 2011?

AL: Es ist ein anderes Blendingverfahren. Die erste Charge war ein 8jähriger Rum aus normaler Fasslagerung während die zweite Abfüllung im Soleraverfahren gemischt wurde. Der erste dürfte übrigens bald ausverkauft sein.

wad: Nimmt die "Tres Hombres" eigentlich neben Eurer Crew und den Segelschülern auch Passagiere mit (die genug Zeit und Geld mitbringen)?

AL: Ja schon. Am besten ist es, wenn die dann auch noch mitarbeiten auf dem Schiff. Herr Baier, der einen Artikel für die "Yacht" (Ausgabe 2/2012) über uns geschrieben hat, war auch als Passagier dabei und musste natürlich nicht in den Mast klettern oder so, hat aber sonst auch ganz normal mitgearbeitet.
wad: Man muss aber schon ein paar Monate Zeit haben?

AL: Na, wir haben ja einen Fahrplan und versuchen den so genau wie möglich einzuhalten, aber eine Ozeanüberquerung kann natürlich schon ein oder zwei Wochen länger dauern. Du kannst bei uns eine Reisedauer von 3 Tagen bis 3 Monaten buchen.

wad: Wieviele komplette Karibikfahrten habt Ihr bisher gemacht?

AL: Das Schiff ist gerade zum dritten Mal in der Karibik um auch wieder Rum in der Dominikanischen Republik abzuholen. Allerdings von einem anderen Produzenten. Wir sind in Verhandlungen mit "Oliver & Oliver", da wir einen 10-jährigen Rum haben möchten. Wir haben aber auch ein Angebot von "Westerhall" auf Grenada für einen 10jährigen. Im Mai wird der Rum ankommen und dann gibt es eine neue "Tres Hombres"-Überraschung.
...die ich mir nicht entgehen lassen werde. Im Ernst: Beide bisherigen Abfüllungen haben mir ausnehmend gut geschmeckt. Der 2010er verbreitet eine appetitanregende Zitrusnase und der 2011er (meine Empfehlung) besticht neben allen rumtypischen Aromen mit seiner leichten Rauchigkeit, die mich an den Barbadosstil erinnert. Ich bin gespannt, was die "Tres Hombres" in Zukunft noch alles an flüssigen Kostbarkeiten über den Atlantik schippert. Vielleicht findet ja auch einmal ein Rumfass (und nicht nur die fertig abgefüllten Flaschen), dessen Inhalt dann in unseren Breiten - sozusagen mit Oceanfinish - abgefüllt wird, ein Plätzchen im Schiffsrumpf.

Neben der nach außen vielleicht ein bisschen romantisch angehauchten Seglerei mit der "Tres Hombres" verfolgen Andreas & Co. mit der Firma "Atlantis Zeilende Handelsvaart" noch ganz andere Pläne - Stichwort: Eco-Liner. Dahinter verbirgt sich der Bau und Betrieb eines 8000-Tonnen-Frachtschiffs mit 120 Metern Länge. Dass das 15-Millionen-Euro-Projekt keine reine Utopie ist, zeigt die Beteiligung von Gerard Dykstra, der bereits die 88-Meter-Yacht "Maltese Falcon" realisiert hat.

"Tres Hombres"-Rum wird von "Haromex" vertrieben und ist für rund 40 EUR in vielen Onlineshops erhältlich.

Noch mehr Infos und zahlreiche YouTube-Videos gibt es auf der "Tres Hombres" Homepage und hier.


Dienstag, 14. Februar 2012

Finest Spirits 2012 oder: Alle Jahre wieder

Barocke Typen in schottischen Kilts, Harleys und junge Frauen mit einer Karre voll Torf - Das waren zwar nicht die Hauptdarsteller, aber doch mehr oder minder auffällige Komponenten beim Münchner "Finest Spirits" Festival, das am letzten Wochenende über die Bühne ging.
Wie schon im letzten Jahr hat sich die Messe, nennen wir die Veranstaltung mal etwas despektierlich so, weiterentwickelt. Standen 2011 noch die neue Location und die weitere Öffnung zu anderen Spirituosen im Vordergrund, konnte Boss Frank Böer dieses Jahr gleich von weit über 200 vertretenen Marken berichten und auch das Medieninteresse hat weiter zugenommen.
fachkundiges Publikum

Ein Beweis für die gestiegene Aufmerksamkeit gerade auch der Industrie war beispielsweise die offizielle Präsentation des neu zusammengestellten "Rémy Martin" VSOP (55%
Grande Champagne + 45% Petite Champagne = Fine Champagne Cognac), der jetzt das Kürzel Mature Cask Finish mit im Namen trägt. Dahinter steckt, so hat mir Cognac BNIC Educator Jürgen Deibel (leider nicht exklusiv) verraten, eine zusätzliche Reifezeit in 20 Jahre alten Fässern nach der Marriage der Eaux-De-Vie. Mir mundete der Neuling sehr. Er erscheint wirklich runder als der alte VSOP und bietet sich neben dem Gebrauch an der Bar auch dem fortgeschrittenen Geniesser an.
Oliver von Carnap

Von dieser Sorte marschierten offensichtlich einige durch schon am Freitag gutgefüllte Halle, was die Belagerung der "Zacapa"-Bar (bemixt von Oliver von Carnap und Caroline Anaís Rex), der großen "Chivas"-Lounge, des "Tölzer Käsladens", des "Tres Hombres"-Rumstandes und natürlich der vielen Whiskystände bewies. Bei letzteren und auch bei den Masterclasses lag ein Schwerpunkt heuer bei den deutschsprachigen Malzbränden aus Österreich, der Schweiz und Deutschland, die immer mehr ihre Eigenständigkeit in der Vordergrund stellen und durch immer mehr gelungene Tröpfchen überzeugen. Zum ein oder anderen Brenner bzw. Vertrieb folgen hier in den nächsten Tagen noch ausführliche Beiträge.

Oliver von Carnap & Caro Rex

Gregg Glass


Es waren aber nicht nur Hersteller- oder Markenstände aufgebaut worden, sondern insbesondere Vertriebe mit whiskylastigem Portfolio waren stark vertreten wie z.B. die Kieler Firma "
Prineus", die u.a. die Abfüllungen des englischen Shops "The Whisky Exchange" ("Elements Of Islay" und "The Single Malts Of Scotland") hierzulande unters Volk bringt. Glänzen konnte Geschäftsführer Gerd Schmerschneider auch durch die Anwesenheit von "Compass Box"-Assistant Whiskymaker & Whisky Ambassador Gregg Glass, denn auch die Leckereien dieser Whiskyschmiede hat "Prineus" im Angebot.
Gregg leitete u.a. ein Tasting, in dem der neue und ohne Einschränkung empfehlenswerte Blend namens "Great King Street - Artist's Blend" (50% Grain / 50% 10jährige Malts) vorgestellt wurde. "Great King Street" ist übrigens eine neue Serie von "Compass Box" - ausschliesslich mit Blended Scotch. Aber ich schweife ab. Gregg erzählte zur Verkostung des "Spice Tree" (einer meiner Alltime Favorits) die Story von den getoasteten Brettchen im Fass und dem Tamtam mit der SWA. Dann gings zur rund 200 EUR teuren Limited Edition "Last Vatted Malt". Die Story, die auf der Abschaffung des "Vatted"-Begriffs basiert, könnte man als reine PR-Schoße abtun, wäre der Stoff nicht so verdammt gut. Der "Last Vatted Grain" hat mir persönlich aber fast noch mehr gemundet. Das Tasting hatte Gregg übrigens mit einem noch namenlosen "X"-Sample abgeschlossen und die Teilnehmer an den "Prineus"-Stand geladen, wo er nach vom Kunden selbst ausgeklügelten Rezeptur einen persönlichen "Compass Box"-Whisky blendete und abfüllte. Ein Geheimtip an diesem Stand war übrigens der "Vit Hund", ein New Make oder New Spirit von den renommierten Schweden von "Mackmyra".
Gregg Glass

Nicht unerwähnt bleiben darf auch das Projekt "Beer goes Barley", das zu ziemlich coolen Festivalbottlings führte. Dabei wurde eine Idee des Fachjournalisten Werner Obalski in Zusammenarbeit mit Andrea Caminneci in die Tat umgesetzt: Schottischer Whisky in bayerischen Ex-Bierfässern. Der zwingend notwendige Trip einer bayuwarischen Abordnung nach Schottland wurde videotechnisch dokumentiert - hier alle Infos dazu. Ein Hoch auf Werner und die globale Trinkkultur! - Das nächste Mal will ich auch mit...

Und was gabs sonst noch? In einem Satz: Ein einfach nicht zu bewältigendes Angebot an Drinks und Drams. Da waren z.B. ein etwas versteckter Stand mit Rumdrinks ("Gosling's"), eine Vodka-Strassenbahn mit "Flatrateticket" und natürlich auch Obstbrenner. Dabei auch solche, die keinen Whisky anbieten.
Magister Maximilian Coreth

Einer der interessantesten Newcomer dieser Szene ist Magister Maximilian Coreth, ein Vertreter des österreichischen Hochadels und Honorarkonsul von Thailand. Unter dem Label "
1772 Count Coreth Prachensky" produziert er sortenreine Edelbrände aus den Maischen tropischer Früchte wie Ananas, Passionsfrucht, Lychee oder Eierbanane. Der Witz dabei ist nicht nur das äußerst gelungene Flaschendesign oder die Tatsache, dass nicht etwa Geiste, sondern wirklich Brände produziert werden. Nein, die Früchte stammen vielmehr aus den "Royal Fruit Gardens" des Königs von Thailand und destilliert wird vor Ort. Von der wirklich höchsten Qualität dieser schon in der Nase betörenden aber leider auch sehr kostspieligen Preziosen konnte ich mich ausgiebig überzeugen. Erhältlich ist dieser Luxus online bei "Feinkost Käfer" und "mybottles".
Mike Werner

Erwähnt werden müssen auch gleich zwei Cocktailwettbewerbe. Zum einen richtete die DBU ihre bayerische Cocktailmeisterschaft aus (Sieger wieder Adriano Paulus). Zum anderen gab es einen Wettbewerb für Hotelbartender, die mit Bourbon Whiskey als Basis neue Rezepte vorstellen mussten. Dieser kleine Wettstreit wurde von Mike Werner, Importeur der exklusiven Abfüllungen der "Kentucky Bourbon Distillers" und Betreiber von "Mike's Whiskeyhandel", der auch ein paar neue "Willett"-Bourbons am Stand hatte, unterstützt (Ergebnisse werden nachgereicht). Amazing!

Montag, 13. Februar 2012

Disaronno Mixing Star 2012 - hier: Startschuss und Termine

Über den Abschluss des "Disaronno Mixing Star" 2010 und den offiziellen Startschuss zur 2012er Auflage habe ich hier - ebenso wie über Italiens Likör Nummero Uno selbst - bereits ausführlich berichtet. Ganz unten habe ich einen Link zur Onlineausgabe der Rezeptesammlung vom letzten "Mixing Star" angefügt, der nach meinem Dafürhalten ein ganz ordentliches Niveau hatte.

Jetzt geht es aber in die vollen, d.h. die Anmeldung zum Wettbewerb läuft bereits und endet Mitte April. Durch Abgabe eines selbstkreierten "Disaronno" Signaturecocktailrezepts bewirbt man sich für die nationalen Livecastings am 14. Mai 2012 in Hamburg und 21. Mai 2012 in München. Die Teilnehmer werden natürlich von einer fachkundigen Jury ausgewählt. Die Sieger nehmen am Global Final im Juli 2012 in Berlin teil und der dortige Sieger des "Mixing Star" wird gemäß dem Titel des Wettbewerbs nach Mumbai/Indien fliegen und dort eine Rolle in einem - äh - "Bollywood"-Film spielen. Außerdem gibts noch nen Samsung 64"-TV und weitere Goodies zu gewinnen. Was will man mehr?

Infos zum "Mixing Star"
Bewerbungsformular
Rezepte des 2010er "Mixing Star"

2012 - Das Jahr als wir zu Agaven wurden? oder: Der mexikanische Definitionsdschungel und der globale Wutbürger

Selten wird mir die Ehre zu teil, dass sich hier ein Gastautor zu Wort meldet. Und ganz selten ist dieser dann auch noch DER Fachmann auf seinem Gebiet in Europa. Ehrlich gesagt, war beides in der über 100 Beiträge langen Geschichte von whatadrink! noch nie der Fall. Daher ist der folgende Artikel, der ausschließlich die Meinung des Verfassers und nur des Verfassers widerspiegelt, der inhaltlich fundierteste und letztlich beste auf diesem bescheidenen Blögchen. Vielen Dank!

Doch genug der Vorrede. Nachdem die gesetzgeberischen Absichten der mexikanischen Behörden zur Abfassung einer neuerlichen Norm zu Agavenbränden, genannt NOM-186, zuletzt im englischsprachigen CLASS Magazine erörtert wurden, mache ich die Bühne frei für Axel Huhn, Mezcalimporteur aus Berlin, denn der redet...


Klartext zur NOM-186 – Immer gut zu wissen, was man unterschreibt!

In den letzten Wochen hat die Vorlage zur NOM-186 und die Gesetzesvorlage zum Schutz des Wortes „Agave“ in Mexiko einigen Unmut bei verschiedenen Betroffenen innerhalb der
mexikanischen Gesellschaft hervorgerufen. Auf Initiative von Dr. Patricia Colunga und anderen mexikanischen Akademikern auf dem Gebiet der Ethnobotanik wurde eine Petition gegen diese Gesetzesinitiative ins Leben gerufen und von unterschiedlichsten Gruppen und Einzelpersonen inner- und außerhalb Mexikos unterstützt: Wissenschaftler, Kleinproduzenten, Gastronomen und verschiedene staatliche Stellen. Alleine diese merkwürdigen Allianz wäre Grund genug für einen näheren Blick auf deren Anlass, mehr jedoch die - vorsichtig ausgedrückt - recht unscharfe Berichterstattung in diversen Medien zu diesem Thema.

Zum allgemeinen Verständnis: Seit Jahrhunderten brennen die Menschen in Mexiko Schnaps aus Agaven, dessen generischer Name Mezcal ist. Da seit 1994 eine geschützte Herkunftsbezeichnung für Mezcal (NOM-070 mit Angaben zu Region, Rohmaterial und Verarbeitungsvorschriften) existiert, ist die Verwendung des Begriffes Mezcal als Überbegriff nunmehr formal falsch, was offenbar zu Missverständnissen bei der Presseberichterstattung über diese Petition geführt hat. Die Verfasserin verwendet darin den Begriff Mezcal nach wie vor - und sehr bewusst - als Sammelbegriff für alle Brände aus Agaven, unabhängig von einem Gebietsschutz, und unterscheidet die Brände aus den geschützten Herkunftsregionen lediglich als Produkte „de las DO (Denominación de Orígen) Tequila, Mezcal y Bacanora“ (dt: „Produkte aus den geschützten Gebieten für Tequila, Mezcal und Bacanora“). Der vorliegende Entwurf für eine NOM-186 behandelt ausschließlich Brände OHNE Gebietsschutz, also weder Tequila, Mezcal oder Bacanora! Dies ist auch der Grund, weshalb sich unter den Unterschriften auf der Petition keine Produzenten dieser Produkte aus den geschützten Regionen finden, auch keine Kleinproduzenten.Es finden sich jedoch eine Vielzahl von Unterzeichnern aus den Reihen der Raicilla-Hersteller, einem Agavenbrand aus Jalisco, also dem Schutzgebiet des Tequila. Raicilla wird hauptsächlich aus der waldbewohnenden Agave inaequidens (umgs.: Lechuguilla) gewonnen, aber auch aus weiteren Arten, jedoch nicht aus A. tequilana Weber und darf somit nicht als Tequila vermarktet werden. Zwar sind Hersteller dieser Kategorie auf dem besten Wege, einen eigenen Gebietsschutz und eine eigene Norm zu erarbeiten, diese Anstrengungen werden jedoch vom vorliegenden Gesetzesvorschlag durch eine sehr perfide Festlegung torpediert: Den Herstellern nichtgeschützter Agavendestillate ist es untersagt, ihr Rohmaterial innerhalb der Gebiete eines Produktes mit geschützter Herkunft anzupflanzen oder zu ernten! (Absatz 3.2) Kurz und gut: Wird diese Norm verabschiedet, stehen die Raicilla-Hersteller ohne Agaven da. Sie könnten zwar Agaven aus anderen Regionen einkaufen, dies ist jedoch...

1. diesen Menschen finanziell unmöglich, es wäre
2. keine genuine Raicilla mehr, es würde
3. das Ende der Raicilla-Agaven als Kulturpflanzen –und somit deren Verschwinden- in dieser Region bedeuten und
4. einen Gebietsschutz für Raicilla für alle Zeiten unmöglich machen, da dieser als wesentlichen Bestandteil stets die Gewinnung des Rohmaterials innerhalb seiner Grenzen voraussetzt.


Es existiert bereits ein Organ, welches die Kontrollaufgaben für eine DO übernehmen könnten, nämlich das Consejo Mexicano Promotor de la Raicilla A.C., mit der Rechtsform einer gemeinnützigen Gesellschaft, wie es bei Mezcal, Tequila und Bacanora der Fall ist. Diese wurde von Raicilla-Produzenten 1999 als Interessengruppe gegründet, um sich gegen
Großindustrie und Politik durchsetzen zu können. Weitere Hersteller aus Jalisco, die ihre Produkte Mezcal nennen, haben wohl aus den gleichen Gründen unterzeichnet. Ich gehe davon aus, dass deren Produkte nicht aus A. tequilana Weber hergestellt werden. Hierauf bezieht sich Colungas Kritik unter Punkt 3) „La destrucción de una parte del patrimonio biológico y cultural de los mexicanos” der Petition.

Die zwei weiteren, wichtigen Festlegungen der neuen Norm sind die Schaffung der Kategorien „Aguardiente de Agavácea“ und „Destilado de Agavácea“ für Agavenbrände, welche außerhalb der DOs hergestellt werden und bisher als „Destillado de Agave“ bezeichnet werden mussten. Diese werden wie folgt definiert:


Aguardiente de Agavácea hat einen Alkoholgehalt von 35% bis 55% Alc.Vol. und MUSS aus 51% Agave und 49% Fremdzuckern hergestellt sein. Während bei Mezcal (max. 20% Fremdzucker) und Tequila (max 49% Fremdzucker) lediglich Obergrenzen festgesetzt sind, ist die Proportion hier verbindlich! Sonst könnte ein findiger Brenner ja auf die Idee kommen 99,9% Agaven und nur 0,1% Fremdzucker zu verarbeiten und somit die Norm zu umgehen, ohne eine wahrnehmbare Qualitätseinbuße an seinem Produkt hinnehmen zu müssen.

Destilado de Agavácea hat einen Alkoholgehalt von 25% bis weniger als 35% Alc.Vol. und darf unter Verwendung von höchstens 49% Fremdzuckern hergestellt werden, also auch mit 100% Agave. Aber eben nur mit einem für eine Spirituose lächerlich geringen Alkoholgehalt! Außerdem kritisiert die Petition die Wortwahl: Die Familie der Agavaceae (heute: Agavoideae) umfasst acht Gattungen, wovon lediglich eine die Agave ist, was dem im Vorwort definierten Ziel der NOM-186, nämlich dem Schutz des Konsumenten, entgegensteht. Die Bezeichnung Agave erklärt das Produkt viel genauer. Außerdem ist as Wort Aguardiente in Mexiko eine despektierliche Bezeichnung, ähnlich wie Booze oder Sprit. Ein kleiner positiver Lerneffekt der ganzen Diskussion könnte jedoch sein, dass die ewige Mär von der Agave als Liliengewächs für alle Zeiten verschwindet – Die Agave ist ein Agavengewächs, eine Agavoideae! Punktum!

An dieser Stelle noch ein Sidekick bezüglich korrekter Nomenklatur: Diese Vorlage behandelt die Einordnung der Spirituosen als „Brände aus Agavaceae“ also aus Pflanzen der Familie der Agavengewächse. Diese trug zwar bis vor zwei Jahren den Namen Agaveceae, es erfolgte aber seitdem eine botanische Neuordung und die Familie wurde in Agavoideae umbenannt. Wer Leuten vorschreiben will, aus welchen Pflanzen sie welche Produkte herzustellen haben, sollte doch in der Lage sein, diese korrekt zu benennen. Und diese Benennung erfolgt nun mal auf Grundlage wissenschaftlicher Ordnungssysteme, wenn es um Gesetze geht. Ähnliches ist bei der Tequilanorm zu bemängeln, die allen Ernstes das Rohmaterial mit den Worten „Agave de la especie tequilana weber variedad azul“ beschreibt. Diese Pflanze existiert in der Botanik nicht, Azul ist der umgangssprachliche Name für die Agave tequilana Weber, hier wurden vom Gesetzgeber wohl Äpfel und Birnen durcheinandergeworfen.Jenseits von Terminologien würden die oben genannten Festlegungen das Ende aller Agavendestillate als potentielle Premium-Spirituosen für den Exportmarkt bedeuten, wenn sie außerhalb der geltenden DOs hergestellt werden. Trotzdem wäre zu erwarten, dass diese Produkte für den Eigenkonsum weiterhin existieren, wie sie es bisher - trotz verschiedener Verbote in der Vergangenheit - auch getan haben. Der Effekt wäre also eine Restriktion des freien Marktes zu Gunsten des Schwarzmarktes mit dem entsprechenden Marktvorteil für die Hersteller aus Regionen der DOs.

Es sei hier noch auf den Vorschlag zum Begriffsschutz für das Wort Agave eingegangen, welches nach dem Willen der Vertreter der NOM-186 exklusiv für Hersteller von Tequila, Mezcal und Bacanora vorbehalten sein soll. Das Wort Agave ist die wissenschaftliche
Bezeichnung einer Pflanzengattung und somit unter internationalen Standards nicht schutzwürdig. Konkret bedeutet das beispielsweise, dass Agavendicksaft in Mexiko, dem Ursprungsland, nicht mehr so heißen darf, bei uns aber schon. Und da Mexiko Mitglied in der UN und in vielen Handelsvereinbarungen mit der halben Welt ist, verstößt die Norm klar gegen internationales Recht. Apropos UN: 2010 wurde die mexikanische Küche als „Intangible Cultural Heritage of Humanity“ in die Weltkulturerbeliste eingetragen. Die Initiative zur NOM-186 steht den Kriterien der Auswahl und Eintragung diametral entgegen und man fragt sich, warum sich die UNESCO noch nicht zu diesem Sachverhalt in der Öffentlichkeit geäußert hat. Jetzt wäre ein guter Augenblick dazu.

Die Norm würde übrigens auch für Agavendestillate aus anderen Ländern gelten, die im Rest der Welt als Agavenbrände und nicht nur als Brände aus Agavaceae deklariert werden dürften. Wer glaubt, diese Produkte gäbe es überhaupt nicht, sei eines besseren belehrt, es gibt sie bereits aus Südafrika und Indien. Und wer hätte vor 20 Jahren gedacht, dass Whisky aus Japan, Indien oder Österreich jemals eine internationale Rolle spielen könnten?

Dies sind die konkreten Kritikpunkte der Petition am Vorschlag zur NOM-186, die Anlage dieser Kritik geht aber sehr viel weiter. Und das ist auch gut so, haben doch die bereits geltenden Gesetzeswerke maßgeblichen Schaden an Transparenz, Tradition, Nachhaltigkeit und Qualität der existierenden Agavenbrände mit DO erzeugt. Einige Beispiele:

- Die Festlegung des Rohmaterials auf A. tequilana Weber bei Tequila hat bereits zu einem immensen Verlust an Biodiversität geführt. Es gibt reichhaltige Dokumentationen über den Gebrauch verschiedenster Agavenarten in Jalisco zur Spirituosenherstellung vor Einführung der Tequila-Norm.

- Spirituosen sind in Mexiko nur bis 55% Alc.Vol marktfähig, Agavenbrände haben oft sehr viel mehr. Mezcal de Puntas (das erste Segment aus dem Mittellauf der zweiten Destillation) hat beispielsweise über 80% und ist eine traditionelle Spirituosenspezialität. Dieser Punkt wird in der Petition nicht weiter hervorgehoben, weil es politisch unklug wäre, die konkreten Ziele durch Kritik an einer allgemein gültigen Gesetzeslage (obschon diese sinnlos ist) zu gefährden.

- Die physisch-chemischen Vorgaben in der Norm für Mezcal sind für viele Produkte nicht erreichbar, weshalb es viele Destillate nicht in den offiziellen Markt schaffen, obwohl sie seit Jahrhunderten in dieser Art hergestellt und konsumiert werden.

- Die geltenden DOs für Mezcal und Tequila sind keine einheitlichen geografischen Zonen, es handelt sich vielmehr um vereinzelte Flecken auf der Landkarte ohne einheitliche Rahmenbedingungen. Es sind Produkte der Politik, nicht der Herstellungsmethoden oder –tradition und stehen somit dem eigentlichen Gedanken einer geschützten Herkunft entgegen. Schon gar nicht sind sie Garanten für eine besondere Qualität.

- Die aktuelle Etikettierung sogenannter Mixtotequilas genügt in keinster Weise den Standards von Konsumentenschutz und Vollständigkeit. Oder wie soll der unbedarfte Käufer wohl darauf schließen, dass der Inhalt einer Flasche mit der Aufschrift „Elaborado de Agave Azul“ (Sierra Tequila) oder „Made from fresh Blue Agave“ (Sauza) lediglich die Hälfte aus Agaven besteht, während die andere Hälfte keinerlei Erwähnung findet?


- Traditionell gibt es keine Verwendung von Fremdzuckern bei Agavenbränden. Niemals und nirgends! Auch dieses ist ein Konstrukt der Großindustrie in Allianz mit der Politik. Traditionelle Brenner wehren sich seit Inkrafttreten der Mezcalnorm NOM-070 gegen die dort festgelegte Kategorie der Mixtos – bisher vergeblich.


- Traditionelle Brenner lagern ihre Spirituosen niemals in Holzfässern, wie es für Reposado und Añejo aber zwingend in allen geltenden Normen vorgeschrieben ist. Dafür werden traditionelle Lagermethoden in Tontöpfen oder Glasballons nicht berücksichtigt, obwohl diese Jahrhunderte alt sind. Ein Mezcal, welcher 10 Jahre im Tontopf reifte, muss als Joven (dt.: jung) verkauft werden.

Somit kann man nachvollziehen, dass in der Petition keine Kritik am Verbot für Fasslagerung in der neuen NOM-186 enthalten ist. Die Autoren der Petition halten Fasslagerung und Gebietsschutz ohnehin für Unsinn, wobei große Produzenten, Importeure und Vertriebe dies wohl anders sehen. Entsprechend finden wir eine sehr heterogene Unterstützerliste auf der Petition. Hierzu noch folgende interessante Punkte:

- Die beachtliche Nummer an Bartendern unterstützt hier eine Getränkekatagorie, von der sie bisher niemals auch nur eine einzelne Flasche in Händen hielt, geschweige denn die eine Rolle in ihren Bars spielt. Zum Glück ist diese Unterstützung trotzdem richtig!


- Während David Suro-Piñera, Chef der Tequilamarke "Siembra Azul" und Gründungsmitlied der Petitionsunterstützer Tequila Interchange Project (TIP) weiterreichenden gesetzlichen Schutz von Tequila fordert, ist dies nach Meinung der Autoren der Petition kontraproduktiv. Mezcal (Gebietsschutz seit 1994) hat einige Jahrzehnte weniger Gebietsschutz im Rücken als Tequila, kann aber mit den qualitativ besseren Produkten aufwarten, trotz und wegen fehlender staatlicher Regulierung. Das Inkrafttreten der Mezcalnorm hat seinerzeit unter den
Kleinproduzenten sowohl inner- als auch außerhalb der DO massiven Unmut hervorgerufen und sie hätten gerne darauf verzichtet. Im Gegenzug gründeten einige von ihnen die Gruppe Mezcales traditionales de los Pueplos de México, welche eigene Standards für handwerklich hergestellte Mezcals erarbeitet hat. Abschließend darf ich hier die Barcommunity auffordern, die Petition zu unterstützen, sie ist gut und von integeren Leuten verfasst, die wissen, worum es geht. Und danach gilt es, diese auch weiterhin in ihrem Bestreben zu unterstützen, bereits existierende und kontraproduktive Gesetzeswerke zu modifizieren! Ein hervorragender Artikel (Guide to Geographical Indications: Linking products and their origins) zu DOs und deren Auswirkungen am Beispiel von Mezcal existiert von Mitunterzeichnerin Catarina Illsley Granich, erstellt für die UNESCO.

Mehr noch als diese Form der Meinungsäußerung ist jedoch Euer Kaufverhalten wichtig, um auf Märkte Einfluss zu nehmen. Wer hier unterzeichnet und morgen wieder Mixtotequila kauft, hat nichts verstanden. Lasst die Industrieware in den Regalen stehen, glaubt dem Gerede der Brand Ambassadors nicht und informiert Euch selbst! Nie war es so einfach, an Informationen zu kommen. Ein Markt besteht aus Angebot UND Nachfrage. Die eine Hälfte seid Ihr, und noch dazu diejenige am längeren Hebel!


Der Link zur Onlinepetition

Update: In der aktuellen Ausgabe (Issue 42) des digitalen "CLASS magazines" wird zum einen zu Äußerungen der mexikanischen Regierung Stellung genommen und zum anderen einige Mezcals der Marken "Alipús" und "Los Danzantes" verkostet.

(Die Fotos wurden der Internetpräsenz des Gastautors mit dessen Genehmigung entnommen.)