"Gentlemen's Drinks // Inspired By Great Ladies" - unter diesem vielsagenden (?) Motto traf sich letzte Woche eine Schar ambitionierter Bartender und Bartenderinnen in der Münchner "Kongressbar", um den Worten des zur Zeit wohl hochdekoriertesten Barmannes auf Mutter Erde zu lauschen. Die Rede ist von Erik Lorincz und dieser präsentierte höchstpersönlich - zusammen mit Lokalmatador Oliver von Carnap - den "DIAGEO RESERVE World Class 2012 - Flight 2" in der bayerischen Metropole. Gesucht wurde ein Teilnehmer am GSA-Finale 2012, das im April im schönen Wien stattfinden wird. Da die Folgetermine in Berlin, Wien und Hamburg mittlerweile absolviert wurden - hier nun mein kleiner Bericht.
Zunächst gab Erik Lorincz nach einleitenden Worten von Herrn von Carnap einige Geheimnisse seiner Kunst preis. Wie das aussah? - Na, er mixte ein paar Drinks. Und die waren nicht nur verdammt gut (siehe Rezept unten), sondern die bestachen durch maximale Komplexität trotz relativ simpler Kombinationen der Zutaten. Dazu war es eine Freude Erik am Brett zu sehen. Der sagenumwobende Gentlemanbarkeeper agierte nämlich nicht nur fehlerfrei und akurat, sondern besonders ruhig und strahlte dabei noch eine ganze Kiste voll Charisma und Stil aus. Irgendwie hätte er stundenlang so weitermachen können und ich hätte stundenlang zuschauen können...
So verlief der Nachmittag dann aber doch nicht, denn nach einer kleinen Stärkung waren die Seminarteilnehmer gefragt, ihr bestes zu geben. Dafür zog jeder eine kleine Karte auf der Erik ein bestimmtes Szenario notiert hatte. Zehn Minuten waren Zeit mit einer der DIAGEO RESERVE Brands einen Drink zu entwickeln - ein eingegrenzter aber üppiger Gabentisch stand bereit - und weitere zehn Minuten waren vorgesehen, um den Cocktail dann vor den Augen der Juroren Lorincz und von Carnap zu präsentieren. Konversation war auch verlangt - natürlich auf englisch. Bewertet wurden neben der Genießbarkeit der Mixtur auch die handwerkliche Ausübung, das Wissen über die verwendeten Zutaten - insbesondere der Basisspirituose - und natürlich der ganze Auftritt an sich.
Am besten hatte letztlich David Deck alle Aufgaben gelöst und darf das deutsche Teilnehmerfeld in Wien verstärken. Aber das war eigentlich leicht, denn seine Wiege stand ja quasi in der Münchner "Pusser's Bar".
Ich konnte zwischendurch mit Erik Lorincz ein paar Worte wechseln. Von Gentleman zu Gentleman sozusagen...
whatadrink: Erik, Du bist aus der Slowakei nach London gegangen, hast Dich später eingehend mit japanischem Bartending beschäftigt und arbeitest in der Tradition von Harry Craddock, der jedem hier in der Bar als Author des "Savoy Cocktail Book" bekannt sein sollte, in der American Bar des Savoy Hotels in London. Du bist "International Bartender of The Year 2011" in New Orleans und "World Class Gewinner 2010" in Athen geworden. Zudem arbeitest Du als internationaler Botschafter für Diageo. Was für eine Karriere! Beginnen wir mit dem Interview mal von hinten: Was planst Du für die nähere Zukunft?
Erik Lorincz: Die nähere Zukunft. Nun, ich hoffe, dass eine Menge Träume und Pläne eines Tages wahr werden. Im Moment bin ich natürlich schon auf unsere American Bar fokussiert. Die Wurzeln und die Geschichte der Bar zu erforschen und zu entdecken ist das eine, aber die Geschichte geht ja jeden Tag weiter und ich finde immer neue Dinge heraus. Ich hatte u.a. die Möglichkeit den ehemaligen Headbartender aus den 50ern Joe Gilmore und seine Nachfolger zu treffen. Das war wirklich Living History und ein großes Privileg für mich so viel Zeit wie möglich mit diesen Männern zu verbringen. Der Traum eines jeden Bartenders ist aber natürlich eine eigene Bar zu haben und ich hoffe, dass ich den eines Tages wahrmachen kann.
wad: Ich glaube gelesen zu haben, dass Du an einer neuen Edition des Savoy Cocktail Book mitarbeitest.
EL: Ja, das stimmt. Es gibt bereits eine limitierte Edition einer Kurzausgabe allerdings hauptsächlich mit den Signature Cocktails der Headbartender in chronologischer Reihenfolge. Mit dabei sind dann noch die beliebtesten Cocktailgruppen aus dem Savoy Cocktail Book. Es wird aber auch eine reguläre Auflage geben, da von der ersten Edition nur 100 Exemplare hergestellt wurden. Ich habe selbst nicht mal eines. Die nächste Edition wird sich aber insbesondere um Harry Craddock drehen, der auch im Savoy ein Mysterium darstellt. Ich habe einige Flaschen gefunden, die er für seine Cocktails abgefüllt hat, und die sonst noch niemand zu Gesicht bekommen hatte.
wad: Was machst Du genau für Diageo?
EL: Ich teile meine Erfahrungen als ehemaliger Gesamtsieger mit anderen Bartendern und stehe für Gespräche und Showcases zur Verfügung. Ich bin ein Botschafter für die World Class-Familie. Als kein Brand Ambassador, sondern ich kümmere mich um den Wettbewerb.
wad: Du arbeitest nicht nur hier in der Jury für die World Class. Welche ist die wichtigste Eigenschaft, die ein World Class-Bartender der Jury zeigen muss?
EL: Die World Class ist ein Wettbewerb, bei dem es um unterschiedliche Aspekte geht. Jede Kategorie wird bewertet. Wenn Du zum Finale fährst und Dich durch die einzelnen Wettbewerbe kämpfst, wird jeder Aspekt des Bartending bewertet. Also nicht nur wie dein Drink schmeckt oder wie du mit dem Shaker umgehst oder wie du die Präsentation machst oder wie schnell du bist. Es geht eben auch darum, wie du deine Gäste unterhältst. Die Juroren sind ja deine Gäste. Für mich ist die World Class die Möglichkeit alles zu zeigen - einfach alles, was du drauf hast. Und du musst in jedem Punkt dein bestes geben.
wad: Foodpairing ist seit einigen Jahren ein wichtiger Punkt bei Cocktailwettbewerben rund um den Globus. Sind diese Lehren und Erfahrungen, die aus der Küche kommen, wirklich essentiell für einen Bartender? Braucht man dieses Wissen wirklich jeden Tag?
EL: Ich habe viel Zeit mit unserem Küchenchef im Savoy verbracht und er hat mir viel über Techniken und Geschmackskombinationen beigebracht. Ich glaube, das eröffnet uns große Möglichkeiten und jeder, der in einer Restaurantbar arbeitet, sollte Zeit mit dem Koch verbringen und seine Arbeitsweise mit ihm teilen. Es ist sehr interessant mit den Augen des Kochs auf Aromen und wie diese wirken zu sehen. Ein gutes Beispiel war unser Savoy Eggnog. Mein Küchenchef sah, dass ich den vor Weihnachten auf die Karte genommen hatte und er kommt aus Kanada, wo der Eggnog wie in den USA ein big thing ist. Also nahm er mich mit in die Küche und zeigte mir, wie er einen Eggnog macht. Außerdem hat er mir den "Thermomix" vorgeführt. Das Gerät kommt doch aus Deutschland, oder? Und er meinte, dass wir alle das hinter Bar haben sollten. Ein erstaunliches Ding. Wir sind ja eigentlich Liquid Chefs und wo der Koch Feuer nutzt, um etwas zu erhitzen, benutzen wir eben Eis, um es abzukühlen.
wad: Du bist insbesondere nach dem World Class-Finale 2010 viel in der Cocktailwelt herum gekommen. Wie lässt sich das Image der deutschen Barszene von einem internationalen Standpunkt aus beschreiben?
EL: Ich habe letztes Jahr eine Bartour in Berlin machen können und ich war überrascht und beeindruckt wie sich die Bars dort entwickelt haben, z.B. das "Stagger Lee". Vor einigen Jahren kannte man überhaupt nur das "Schumann's". Meine ersten Cocktails machte ich genauso wie es Charles Schumann in seinem Buch beschrieben hat. Als ich in Beirut war saß ich in einer Bar und hatte ein Déjà-vu. Alles dort erinnerte mich an etwas, dass ich schon einmal gesehen hatte, aber ich war noch nie dort gewesen. Als ich fragte, wer der Chef sei, sagte man mir, dass er aus Deutschland käme. Da wusste ich sofort: Charles Schumann! Jemand hatte den Style und das Feeling des "Schumann's" nach Beirut transportiert.
wad: Gin ist Dein Lieblingsspirit?
EL: Ja, das kann man so sagen.
wad: Und bei den Reserve Brands?
EL: Da ich für meine Freundin jeden Abend einen Martini mixen muss, steht eine Flasche Tanqueray 10 immer griffbereit. Bei den braunen Spirituosen favorisiere ich Whisky und bei den Blends Johnnie Walker Blue Label - wirklich outstanding. Mein persönlicher Favorit ist aber Talisker.
wad: Mezcal ist in den USA ein großes Ding, wenn es um Cocktails geht - v.a. an der Westküste. Die Entwicklung in Europa ist deutlich langsamer. Was erwartest Du in Sachen Mezcal für die nächsten Jahre?
EL: Ich bin auch ein großer Mezcalfan. Ich denke Mezcal hat in Themenbars, die sich wie "Cafe Pacifico" / "La Perla" auf Tequila spezialisiert haben, eine große Zukunft. Es ist bei jeder Spirituose doch das gleiche: Aus der Hand des Produzenten bzw. des Master Blenders geht der Stoff in die Hand des Bartenders und der zeigt dann den Leuten, was der Mezcal oder Rum oder Whisky an Vielseitigkeit drauf hat. Als ich in Mexico war, habe ich wesentlich mehr Mezcal als Tequila getrunken. Es gibt dort unzählig viele kleine Produzenten, die bei größerer Nachfrage gar nicht die Mengen herstellen könnten, die dann weltweit gefragt wären. D.h. es werden hier in Europa auf Dauer nur größere Firmen Mezcal anbieten können.
wad: Danke für das Gespräch, Erik.
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