Dienstag, 26. Juli 2011

Mezcal aus der Mezcaleria

Hinter "Mezcaleria" steckt der sympathische Architekt Axel Huhn aus Berlin, den der aufmerksame Leser des Barmagazins "Mixology" bereits aus der großen "Tequila- und Mezcalausgabe" des Fachblatts (Ausgabe 3/2011) kennen sollte. Herr Huhn hatte zusammen mit dem Münchner Barzirkel ins Wasserwerk zum Mezcaltasting geladen und rund 20 Vertreter von Szene und Fachpresse folgten dieser Einladung. Ich ließ mir diese Gelegenheit zu einem weiteren Kennenlernen, des von mir geschätzten Agavenbrandes - dem "Islaywhisky unter den klaren Bränden"-, nicht entgehen und hatte mir insgeheim die Beantwortung der ketzerischen Frage "Ist Mezcal der bessere Tequila?" vorgenommen. Und gleich noch eines vorweg: Es waren weder Würmer, Kakteen noch Sombreros anwesend...
Bevor es ans Probieren ging, erörterte Axel Huhn ausführlich die (rechtliche) Abgrenzung von Mezcal zu den anderen, ebenfalls gesetzlich definierten mexikanischen Agavenbränden Tequila, Sotol und Bacanora. Diese Infos kann der geneigte Leser in aller Ausführlichkeit auf der "Mezcaleria"-Heimseite nachlesen. Ich fasse nur kurz zusammen: Während bei Tequila bekanntlich das Ausgangsprodukt, die blaue Weberagave, genau definiert ist, ist das bei Mezcal nicht der Fall und so werden rund 50 verschiedene Agavensorten oder -varianten verwendet. Und Mezcal darf im Gegensatz zum Tequila in einem anderen Gebiet Mexicos hergestellt werden. Ansonsten gleicht die 1994 aufgestellte Regelung namens NOM-070-SCFI-1994, der von Tequila. Achja: In Mixology hängt Autor Georg Biron in seinem Artikel "Tränen des Vulkans" noch dem offenbar weitverbreiteten Irrglauben "Agave = Liliengewächs" an. Dabei stellt im gleichen Heft Michael Brückner fest, dass es sich vielmehr um Spargelgewächse handelt (Wikipedia wusste das übrigens auch schon). Aber das ist nur ein kleinerer Irrtum in der langen Geschichte von Tequila und Mezcal...
Neben diesen grundlegenden Informationen erschienen mir v.a. Huhns Schilderung der Herstellungsprozesse bei den einzelnen Produzenten, deren Brände er anbietet, höchst interessant. Besonders gut haben mir die Bilder von den eingemauerten tönernen Terrakotta-Brennblasen der Ángeles-Familie, Hersteller der "Real Minero"-Biomezcals gefallen (siehe Fotos unten) . Allen "handgemachten" Mezcals (Artisenal Mezcal) ist die Vergärung ohne Hefezusatz nur durch "wilde Hefen" und die zweimalige Destillation auf den gewünschten Alkoholgrad (also ohne Reduzierung durch Wasserzugabe) gemein.
Herr Meinke hat Tequila einmal als "Gaumenschmeichler" und Mezcal im Vergleich dazu als "rauhen, ehrlichen Gesellen" bezeichnet. Diese gutgemeinte Formulierung finde ich zwar durchaus vertret- und nachvollziehbar. Sie führt aber irgendwie zu dem Missverständnis, dass es sich dabei um einen anspruchslosen "Bauernschnaps" handle, was den vorgestellten hocharomatischen Südmexikanern in keinster Weise gerecht werden würde, denn sowohl die zugänglichen Brände der "Los Danzantes"-Reihe als auch die kräftigeren Abfüllungen der "Alipús"-Serie sind komplexe Kunstwerke - von den "Real Minero"- und den "Pierde Almas"-Mezcals ganz zu schweigen.

Im Detail sah das so aus: Zur Verkostung kamen die abgebildeten zehn Mezcals aus der Kategorie "Joven", was "Blanco" - also ungelagert - bei Tequila entspricht. An dieser Stelle geht es aber auch schon los mit den Schwierigkeiten zwischen den mexikanischen Normen, daher ein kleiner Einschub. Da für die gelagerten Kategorien ("Reposado"/ "Anejo") wie bei Tequila die Reifung in Weisseichenfässern vorgeschrieben ist, macht sich die von einigen Herstellern praktizierte mehrmonatige Harmonisierung in Glas- oder Tonbehältnissen (kennt man so auch von mitteleuropäichen Obstbränden) nicht bei der Bezeichnung bemerkbar. Insbesondere letztere machen sich im Geschmack aber sehr wohl bemerkbar, denn die Lagerung in einem im Boden eingegrabenen Tongefäß kann auch zu einer (gewollten) Ausprägung von mineralischen Noten führen. Da hilft dann das Rückenetikett weiter, sofern es - wie von Axel Huhn bei seinen Partnern angeregt - genaue Angaben zur verwendeten Agavenart, dem Herstellungszeitpunkt, der Anzahl der abgefüllten Flaschen etc. und eben einer möglichen Lagerung enthält. Aber ich schweife ab...

Kurz also noch meine Favoriten: Aus der "Alipús"-Reihe mag ich besonders den robust-frischen, rauchigen "San Juan Del Rio" (47% Vol., kultivierte Espadinagave), der sich bestens für allerlei Mixversuche (síehe Rezepthinweise unten) eignet. Bei "Real Minero" sind sowohl der herrlich-cremige (!) "Cuvée-Mezcal" (47% Vol.) aus vier verschiedenen, miteinander eingemaischten, zwischen 12 und 18 (!) Jahre alten Agaven, als auch der "Tobalá" aus der gleichnamigen, wildwachsenden Waldagave so herausragend, dass ich mich nicht entscheiden kann, welchen ich bevorzugen würde. Diese sind, wie auch die hochpreisigen Vertreter von "Pierde Almas" (mein Favorit: der süß-würzige "Tobaziche", 44,1% Vol.), reine Sipping Mezcals, denen man - da war sich die Runde einig - ihre jeweilige, relativ hohe Alkoholstärke nicht anmerkt.

Einer der Förderer von Qualitätsmezcal ist seit Mitte der 90er der Amerikaner Ron Cooper, dessen Firma "Del Maguey" damals "Single Village Mezcals" in den USA auf den Weg brachte. Mein erster Mezcal war so auch ein sehr eindrucksvoller "Tobalá" aus dieser Serie. Mit dem "Vida" hat "Del Maguey" mittlerweile ein in der US-Barszene offenbar sehr beliebtes, da wesentlich günstigeres Produkt am Start. Mich konnte der leichte und etwas eindimensionale "Vida" nicht so recht überzeugen. In Europa sind die "Del Maguey"-Brände bei TWE erhältlich.
Am Rande der Veranstaltung konnte ich Barfish-Chef Alexander Troopmann noch ein paar Fragen stellen...

whatadrink: Alex, Du betreibst seit einiger Zeit den Barfish-Onlineshop, der nicht nur gängige Spirituosen und Cocktailzutaten im Angebot hat, sondern auch die eine oder andere Spezialität. Bevor wir zum Mezcal kommen, wie hat sich Tequila als Produkt bei Euch in den letzten Jahren entwickelt? Welche "Tequilaklasse" (also Blanco, Reposado oder Anejo/Extra Anejo) wird am meisten nachgefragt?

Alex Troopmann: Der erwartete Tequila-Hype blieb in den letzten Jahren im großen und ganzen leider aus. "Leider" vor allem deshalb, da ich Tequila durchaus als spannende Spirituose befinde und auch die Qualität der 100%-Agave Produkte sich sehen lassen kann. Dazu kommt das optisch sehr gelungene Outfit so manches Tequila-Brands, der im Backboard auch geil aussieht. Am meisten nachgefragt ist der Blanco, dicht gefolgt vom Reposado. Anejo ist eher weniger gefragt, jedoch mixen viele unserer Kunden den Tequila eher, als ihn pur zu verkosten. Von daher fällt die Wahl eher auf "jüngere" Tequilas.

wad: In Sachen Mezcal hat Barfish bisher nur ein gängiges "Industrieprodukt" in seinem Shop. Wirst Du in der nahen Zukunft vielleicht einen Versuch mit der ein oder anderen Premium-Range (mit Endpreisen von 40 EUR aufwärts) starten?

AT: Das bekannte "Industrieprodukt" wird tatsächlich vor allem des (sinn-zweifelhaften) Wurms in der Flasche wegen gekauft, wie mir scheint. Als bekennender Cocktail Nerd gefällt mir die Idee des Premium-Mezcals sehr gut. Schon allein, um hier die Lücke für interessierte Connaisseurs zu schliessen, würde ich durchaus gerne den ein oder anderen Versuchsballon über der Agaven-Plantage steigen lassen.

wad: Wie schätzt Du persönlich als Cocktail-Aficionado das Potential von Mezcal in Deutschland ein? Glaubst Du, dass handwerklich hergestellter Premium-Mezcal bei uns den Stellenwert und die Marktposition von 100%-Agave Tequila erreichen kann?

AT: Da sich meiner Erfahrung nach auch Tequila in hoher Qualität nach wie vor erst weiter etablieren muss beim deutschen Gaumen, glaube ich nicht an den schnellen Erfolg von Premium-Mezcal hierzulande. Ich gehe eher davon aus, dass Mezcal die nächsten Jahre ein Nischenprodukt bleiben wird - vorerst. Und auch wenn Mezcal aus der "Tequila-Ecke" kommt, könnte ich mir vorstellen, dass er auch Gefallen bei Liebhabern von z.B. Obstbränden finden könnte. Gerade als Münchner ist mir jedoch nicht entgangen, dass sich die Barkultur mit grossen Schritten entwickelt und dies neue Perspektiven eröffnet. Wenn das Interesse an Cocktails und Barkultur weiter zunimmt in Deutschland, ist hochwertiger Mezcal zweifelsfrei eine tolle Bereicherung für alle Aficionados!

wad: Danke für das Interview, Alex.

Zum Abschluss noch ein paar Links: Während in Simon Difford's Cocktaildatenbank weiterhin nur ein Mezcaldrink zu finden ist, kommt man hier, hier und hier zu einer ganzen Menge neuer Anregungen. Mein Lieblingsmezcaldrink ist aber weiterhin "Man In Fire" von Gregor de Gruyther, den ich folgendermaßen zubereite:

Man In Fire

3cl Mezcal (Alipús - San Juan Del Rio)
3cl Lagavulin 16y / Laphroiag 1/4 Cask
1/2 Barlöffel Löwenzahnhonig
1 Barlöffel Agavensirup ("Naturel" Premium Bio)
3cl Limettensaft
shake + strain in (small) Tumbler (mit halbem Limettensaft-Rauchsalzrand)

Ob der Mezcal nun der bessere Tequila ist? --- Hm, irgendwie schon...

1 Kommentar:

  1. Habe neulich 3 Variationen Alipus und einen Mezcal Real Minero probiert und genossen.
    pur, zimmertemperatur, in Schale,
    ein Genuss, man schmeckt die Unterschiede und merkt den Alkoholgehalt nicht.
    Der Preis ist durchaus gerechtfertigt.

    (das)toifl

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