wei an gestern i mi scho gonima erinnan ko"
(Django 3000, "Nomoi von vorn", 2015)
(Übersetzung ins Unbayerische: Ich beginne noch einmal von vorne, weil ich mich an gestern nicht mehr erinnern kann.)
"Nur 4 Jahre alt und schon grandios" (Artikelbeschreibung eines Single Malts auf einer Shopseite, 2015)
"Der Steam dieser Distillery macht mich an." (Ein Whiskyfreund in 2015)
"Der Netto-Einkaufspreis für "Odin" liegt bei 165 EUR." (anonymer Shopbetreiber, 2015)
"Highland Park Odin 16 Jahre ... 598,00 EUR" (bekannter Shopbetreiber, 2015)
"Olle drahn am Radl" (Django 3000, "Bonaparty", 2015)
(Übersetzung ins Unbayerische: Alle drehen am Rad.)
In obigem Sinne oute ich mich heute als Whiskyfreund - nicht Freak - nicht Fan - einfach nur Freund. Und meine abgefüllten Freunde machen mir hier und da Sorgen.
Whisky wird immer teurer.
Naja, möchte man entgegnen, was wird denn schon immer billiger? Dabei muss man - mit Blick nach Schottland - zunächst zwischen Blends und Single Malts unterscheiden. Der Anteil der Blends soll weiterhin mindestens 90% der jährlichen Abfüllmenge betragen. Und der Großteil davon fällt wiederum unter Alltagswhiskies im Preissegment deutlich unter 30 EUR. Die kommen zumindest mir ziemlich preisstabil vor und auch bei den Single Malts haben die sogenannten Standardabfüllungen - wie z.B. Glenmorangie Original, Ardbeg 10y, Glenlivet 12y (jetzt Founder's Reserve), Laphroaig 10y usw., allesamt seit Jahren ein ziemlich solides Preisniveau im Vergleich zu den mehr oder weniger limitierten Abfüllungen.
(früher)
Sehr schön sieht man den kleinen Unterschied z.B. bei den jährlichen Releases aus dem Hause Diageo, unter denen für den (verdammt guten) Lagavulin 12y Cask Strength (bottled 2014) mittlerweile rund 100 EUR aufgerufen werden. Das ist noch relativ milde, denn zu den 90 EUR für den 2013er muss man nur eine Preissteigerung von ca. 10% verbuchen - in den drei Jahren davor waren es jeweils fast 20%. Seinen Inselbruder von Port Ellen hingegen kann man sich fast nur noch in Tropfmengen leisten.Gut. Es gibt auch noch preiswertere Serien. Einige sog. unabhängige Abfüller, die letztlich auch nur ein Teil der Whiskyindustrie sind, stellen uns noch recht interessante Flaschen für unter 50 EUR ins Regal. Darunter namhafte Destillerien, meist mit mindestens 46% Alkoholgehalt, unchillfiltered und nicht gefärbt, aber auch immer öfter - nunja - jüngerer Stoff. Positiv aufgefallen ist mir z.B. Signatory mit seiner The Un-Chillfiltered Collection, die mit brauchbaren Single Malts unter 40 EUR startet, die sogar länger als 10 Jahre (!) im Fass reifen durften. Dieser Tage wird - von einem anderen Abfüller - aber auch ein 6-jähriger Talisker, Single Cask, Refill Hogshead, für rund 66 EUR angeboten. Very young...
Es gibt keinen alten Whisky mehr.
Stimmt das? Der Anteil an Whisky in den Warehouses mit einer Lagerdauer von über 20 Jahren soll in den letzten 10 Jahren deutlich geschrumpft sein. Zum Ausgleich wurden die Ausgabepreise für die Restbestände deutlich erhöht. Der alte Grundsatz "Age matters" rechtfertigt offenbar die Premiumisierung und Super-Premiumisierung (Dalmorization) von länger gelagerten Bränden. Aber es gibt noch ältere Fässer. Die Firma Wm. Cadenhead hat 2013 ihr aus mehreren Serien bestehendes Portfolio ein wenig geordnet und offeriert in der Authentic Collection und unter dem Label Small Batch regelmäßig feine Sachen wie z.B. einen Dalmore 37y, einen Glenfarclas 41y oder einen Imperial 37y. Alles keine 50-EUR-Schnäppchen, aber es geht ja darum, ob sie überhaupt noch (unter 500 EUR pro Flasche) verkauft werden und nicht, ob man eine Hypothek aufs Eigenheim aufnehmen muss. Fazit: Irgendwie geht noch was, aber man muss dafür schon in harten Euros bezahlen.
No Age Statement.
Ein Bekannter hat kürzlich in einer schriftlichen Auslassung das Wörtchen Statement vergessen und immer feste vom No-Age-Whisky geschrieben. Das gefällt mir. Aber ganz so schlimm, dass nur noch ungelagerter Whisky in die Flasche kommt, ist es auch noch nicht. Die fehlende Altersangabe ist letztlich ein alter Hut und war schon immer da seit Whisky in Flaschen abgefüllt wird. So betrachtet ist die Altersangabe eigentlich die Ausnahme - nur hatten wir uns in den 90ern und 2000ern eben so schön dran gewöhnt. Jetzt ist NAS also (wieder) ein Trend. Warum also nicht?
Unschönerweise verbirgt sich hinter den
Hype, Boom oder Blase - Hauptsache es platzt.
Gibt es das alles überhaupt oder verhält sich der Whiskymarkt ganz natürlich und normal, so wie das bei stark nachgefragten Gütern in einer freien Marktwirtschaft üblich ist? Dass die eine oder andere Marketingabteilung in den letzten Jahren etwas über die Strenge geschlagen hat - sehen wir es den Leuten nach. Sie sollen ja verkaufen und irgendwann werden ihnen die südgälischen Zungenbrecher und nordischen Götternamen hoffentlich ausgehen. Expertenaufgabe: Sagen Sie ohne zu zögern die Namen der letzten drei Travel-Retail-Veröffentlichungen von Bunnahabhain auf! Gratuliere.
(Internetshop 2015)
Schielt man in der Whiskybase aber in die Bestandslisten der anderen Maltmen, so muss einem Angst und Bange werden: Die haben ja alle den gleichen Mist wie ich im Keller! Verdammt, wenn das alles auf den Markt geschmissen wird, kann ich meine teuren Spekulationswhiskies selber saufen (was aber auch nicht so schlimm wäre). Aber vielleicht sollte man sein Eichhörnchenverhalten mal überprüfen und nicht jeder limitierten Buddel hinterher hecheln. Whiskyinvestment ist zulässig aber irgendwie auch ein ziemlich grässliches Wort.
(Internetverkauf 2015)
Whisky-Päpste und Rankings
Gerne folgt der Laie dem Rat des Fachmanns. Doch selbiger plaudert von Zeit zu Zeit auch nur nach, was er irgendwo gelesen oder gehört hat (etwa in PR-Mitteilungen? Pfui!). Tip: Traue niemals Händlern und Industrievertretern (wie z.B. Brand Ambassadoren), sondern suche den Rat von unabhängigen Weisen! Konkret? - Nunja, man schaue mal ein bisschen in den Veröffentlichungen von Herrn Valentin und anderen Malt Maniacs rein. Zudem soll es über 500 Whiskyblogs geben. Oder doch mal ein Buch? Viel Spaß beim Lesen...
(amazon)
Auch das Studium von Herrn Murrays jährlicher Whisky Bible möchte ich ausdrücklich nicht untersagen. Warum dies, wo der zottlige Kerl doch alljährlich ausgiebigst gebasht wird (Tenor: Only one man - only one opinion)? Zum einen habe ich von dessen Auslassungen - z.B. zu amerikanischem, irischem und exotischem Whisky - schon vor Jahren profitiert. Zum anderen darf man es sich nicht allzu leicht machen und nur auf Bestenlisten, Rankings oder Punktelisten starren. Wir sind doch nicht beim 100-Meterlauf. Studieren Sie Tastingnotes, vergleichen Sie die mit Ihren Eindrücken und Sie werden bald merken, welcher Papst mit seinen Beobachtungen einigermaßen auf Ihrer Wellenlänge liegt. Ihr Favorit muss dann nicht unbedingt ein 90- oder 95-Punkte-Whisky sein und schon gar nicht der Whisky Of The Year - egal wer diesen Titel in diesem Monat grade mal wieder vergeben hat. Oder kaufen Sie Ihr neues Auto stur nach einem Verbrauchervorschlag im Playboy? Eben.
Cask Strength, Barrel Proof, Small Batch, Old Bottle Effect
Fachbegriffe gehören zur Fachsprache und wenn Sie kein Whiskygreenhorn bleiben wollen, sollten Sie sich die Bedeutung einiger Begriffe aneignen. Vor ein paar Jahren war (bis auf wenige Ausnahmen) irgendwie klar, dass alles was mit Alkoholstärken über 46% und erst recht mit Stellen hinter dem Komma abgefüllt wurde, aus einem Einzelfass stammt. Fassstärke - Cask Strength - war das Zauberwort. Vergessen wir das. Heute wird mit allerlei Alkoholgraden gebottled. Die Frage ist eigentlich mehr, wieviele Fässer gemischt wurden oder ob es ein Einzelfass war und wieviele Flaschen der Release umfasst. Wer dazu Angaben zu Fasstyp/größe/vorbelegung, Lagerhaus, Destillationstag und Abfüllzeitpunkt, Fassfinish etc. in allen Einzelheiten auf Flasche, Verpackung oder im www auflistet, ist mein Freund. Wer diese Informationen nicht präsentiert und sie sich auch auf persönliche Nachfrage nicht aus der Nase ziehen lässt, wird - ich bitte um Entschuldigung - mit Argwohn beäugt. Hallo - wir trinken in 2015! Schon mitgekriegt? Bitte keine nichtssagenden Bezeichnungen mehr à la Small Reserve Cask Batch Release Limited mehr erfinden. Die gibt es doch alle schon.
(offizielle Tastingnotes?)
Wesentlich interessanter ist ein Terminus, der sich hinter dem Kürzel OBE verbirgt: Old Bottle Effect. Hä? Da wären wir zum Abschluss dann doch noch bei einer interessanten Frage in diesem nichtssagenden Blogartikel. Ich weiß nicht, wie oft ich in Whiskygeschäften oder bei Tastings Dozenten gehört habe, die allen Ernstes erzählten, dass Whisky, wenn er erstmal in seiner Flasche gefangen ist, nicht mehr altert. Beispiel: "Der Whisky wurde als 15jähriger in 1990 abgefüllt. Er ist also 15 Jahre alt.". Stimmt das?
(bottled late 1950s)
Nein. Natürlich nicht. Richtig ist, dass in unserem Beispiel der Whisky eine (mindestens) 15jährige Reifezeit in einem Eichenfass erfahren hat und dann vor 25 Jahren abgefüllt wurde. Der Whisky in der Flasche ist demnach 40 Jahre alt. Flasche und Flaschenverschluss sind vermutlich 25 Jahre alt. Dass der Whisky nach der Zeit der mehr oder weniger intensiv geprägten Fassreifung (abhängig von Fasstyp und Lagerort) in seiner Glasflasche mit (hoffentlich) dichtem Verschluss nur noch einer sehr langsamen Veränderung unterworfen ist, ist klar. Er steckte aber nicht in einer Zeitkapsel im luftleeren Raum, sondern war weiterhin profanen Dingen wie Schwerkraft, Sauerstoffaustausch, Temperaturschwankungen, Lichteinflüssen undundund ausgesetzt. Das hat ihn nicht verändert? Kein bisschen? Auch nach 30, 40 oder 50 Jahren nicht? Experten sind da anderer Meinung. Der Witz ist eben, dass diese (nennen wir sie provokant) Nachreifung vermeintlich positiv oder negativ oder eben auch kaum merkbar ausfallen kann.
Aber das ist auch das Schöne. Alle reden drüber. Alle haben eine Meinung und über die lässt sich prima streiten, diskutieren und fachsimpeln. Wie dieser Tage bei Deutschlands wichtigster Whiskymesse in Limburg. Oder wie demnächst wieder hier zu den Stichworten Sherryfass, Turboreifung usw.