Die Whiskymacher von Compass Box waren in der Vergangenheit mehr durch künstlerisches Design und Cleverness, als durch plumpes PR-Geschrei aufgefallen und sind bekannt für Whiskyschönheiten wie The General oder den Last Vatted Malt, die mit inneren und äußerlichen Höchstwerten überzeugen konnten - zumindest mich.
Umso gespannter war ich auf die neueste Limited Edition namens The Circus, die nach Charlie Chaplins gleichnamigen Stummfilm benannt wurde ("If you are looking for rainbows, look up to the sky"). Im offiziellen Info wurde mehrfach von Sherryeinflüssen fabuliert. Ich hatte die Möglichkeit, schon vorletzte Woche eine der 2490 Flaschen zu ergattern - die offizielle Auslieferung läuft schon und der Stoff sollte in Kürze im Laden stehen.
Die Farbe ist nicht annähernd so dunkelrotgold, wie auf den offiziellen Produktfotos. In voller Alkoholstärke - übrigens mit 49% statt der in den USA vorangemeldeten 55% - geht es mit gelben, satten Früchten los. Vollreife Pfirsiche und so. Aber kein Alkoholstich, sondern eine weiche Nase, die eher floral statt sherrylastig rüberkommt. Mit Wasser haben wir etwas mehr Vanille und Eiche in der Nase, aber nicht von frischen Ex-Bourboncasks, sondern von Refillfässern. Gut. Luft braucht der Circus etwas mehr noch als Wasser, aber nach einer Woche hat sich der Blend in der offenen Flasche schon wieder weiterentwickelt. Zu seinem Vorteil, versteht sich. Der Whisky schmeckt reif (was auch immer das nun heißen mag) und es ist eine (so bescheuert das klingt) sehr gut eingebundene Sherrywürze da, die nie aufdringlich hervortritt. Konkret haben wir Ingwer und Geißblatt, etwas Frucht (die aber kaum greif- oder bestimmbar ist) und für besonders feine Geister auch etwas Bitteres. Defintiv ist aber Getreide da, allerdings in leichter Form und nicht schwer-malzig. Mit Wasser - auf keinen Fall zuviel! - wird das Ganze auch im Mund runder und feiner. Im Abgang ist der Circus sehr lang und die Eiche piekst nur ganz leicht - ganz weit weg. Das Stichwort lautet also: Balance - gerade in Sachen Sherryeinfluss.
Blend? Sherry? Wir schauen kurz im Compass Box Blending Lab vorbei: Dort darf man uns sagen, dass der Circus aus vier Bestandteilen kreiert wurde. Zum einen haben wir da zwei ältere Blended Scotch Whiskys, deren Bestandteile völlig unbekannt sind und die 57,2 und 1,4% der Gesamtmenge ausmachen. Zum anderen steckt ein Anteil von 26% eines ebenfalls länger gereiften Blended Grain (genaue Herkunft der Bestandteile ebenfalls unbekannt) und 15,4% eines Single Malt (Benrinnes) aus einem 1st Fill Sherry Butt im Mix. Die Altersangaben aller dieser 4 Teile darf Compass Box nicht rausrücken - siehe das Theater um This Is Not Luxury Whisky. Ein Age Statement ist nach SWA nur zum jüngsten Bestandteil möglich. Irgendwie hat die SWA die Rolle des Löwen in Chaplins Film inne (siehe unten): Sie hockt im Käfig, man hat Angst vor ihr, aber sie tut einem eigentlich nichts.
Ich vermute *hust*, und da stehe ich nicht ganz allein da, denn ein ausgesuchtes Tasterduo hat mich bei der Analyse fachmännisch unterstützt (Danke, Männer!), dass der Benrinnes eher ein 10-12jähriger Malt war. Bei den Blends tippen wir darauf, dass der Blended Grain vielleicht der älteste Bestandteil ist - Mitte der 1980er könnte der bzw. seine Bestandteile aus den Brennblasen getröpfelt sein. Die beiden anderen Blendeds dürften dann um 1990 gebrannt worden sein - oder auch nicht. Erschwerend kommt bei dieser Schätzung hinzu, dass die beiden letzteren Bestandteile ca. 2/3 ihrer Reifezeit in Refill Sherry Marrying Butts - also speziell ausgesuchten Gebrauchtfässern - lagen. Der Blended Grain hat mehr als 1/3 seiner Lagerzeit in eben einem solchen Butt gewartet. Puuh. Sie können noch folgen? Dann beantworten Sie doch die folgende Frage: Wie hoch ist der Anteil von Grainwhiskies an der Gesamtmenge? --- Die Antwort weiß ich auch nicht, aber ich vermute es sind mindestens 50%.
Das entspricht dann auch unseren Feststellungen in Sachen Tastingnotes. Der 1st Fill Sherrymalt schlägt nicht durch. Der Circus, geblendet fast nur aus Blends ist ein sehr guter, feiner und perfekt strukturierter Blend. Er ist kein Crowdpleaser und schon gar kein Anfängerwhisky. Er ist auch keine Sherrybombe. Er steht aber in der Tradition der Arbeit eines Masterblenders hoher Schule (stelle ich mir zumindest so vor) und ist ein komplexer, geschliffener Gentleman. This IS Luxury Whisky, auch wenn einem der Tester der "Hammer" als durchschlagendes Kaufargument bei diesem Whisky fehlte. Und da hat er nicht Unrecht. Alle drei Maltisten kritisierten geschlossen den aufgerufenen Preis von UVP 235 EUR. Falls Sie den Circus also auf Ihrer erweiterten To-Buy-Liste haben, sollten Sie sich vor dem Kauf vielleicht mit einem Sample auseinandersetzen und klären, ob das wirklich "Ihr" Whisky ist.
Nun wäre ich eigentlich am Ende dieses Blogbeitrags, doch da flattert schon die Ankündigung des nächsten Compass Boxers rein (Enlightment) und aus dem Newsroom tickert die Meldung über einen 74er Bowmore für über 2.000 EUR. Was ein Zirkus!
Nun wäre ich eigentlich am Ende dieses Blogbeitrags, doch da flattert schon die Ankündigung des nächsten Compass Boxers rein (Enlightment) und aus dem Newsroom tickert die Meldung über einen 74er Bowmore für über 2.000 EUR. Was ein Zirkus!