"Ich liebte ein Mädchen in Mexico,
die hat einen runden sexy Po."
(Insterburg & Co., "Ich liebte ein Mädchen", 1973)
Zurück in unsere Breiten - genauer nach München. In der Goldenen Bar trafen sich diese Woche einige bairische Mezcaleros, um den Worten von Axel Huhn (Mezcaleria) zu lauschen, der mal wieder aus Berlin angereist war. Seine Mission: Das Wissen der Südländer in Sachen Agavenschnaps auffrischen bzw. erweitern!
Mezcal (= gekochte Agave) hat in vielen deutschen Bars mittlerweile Einzug gehalten. Mixgetränke sind dabei in erster Linie gefragt und dafür werden i.d.R. preisgünstige Abfüllungen verwendet, die ich (beschönigend gesagt) ziemlich langweilig finde. Music for the masses eben. Echter Mezcal, der auch wirklich als Craftprodukt gilt, weist im Gegensatz zum Low-Budget-Brand einige wesentliche Attribute auf - z.B. Alkoholgehalt von 46 bis knapp über 50% Vol., Nennung von Agavensorte/ Brennmeister/ Ort der Herstellung/ Art des Brennapparats/ Größe der Produktionsbatches nur einige hundert Flaschen/ traditioneller Erdofen/ natürliche Wildhefen/ etc. Aber darüber wurde hier ja schon in der Vergangenheit berichtet.
Während sich die Fortbildungshungrigen mit den ersten Mezcalproben versorgten, erläuterte Axel Huhn u.a. den Terroirbegriff beim Mezcal. Hier trifft die regionale Herkunft der (Wild)Agaven, die jeweils ein spezielles Mikroklima oder auch eine Symbiose mit anderen Pflanzen beanspruchen, auf das Terroir der Destillerie, die für den Erdofen, in dem die Agaven geröstet werden, lokal vorhandenes Hartholz verwendet, auf ihre traditionelle Brennblase (Keramik, Kupfer, Holz, Kombinationen) vertraut und nicht zuletzt nur die örtlich vorhandenen Hefen zur Gärung zulässt. Diese beiden Terroirs überlagern sich sozusagen und machen neben der Jahreszeit der Destillation, den verwendeten Agaven selbst und der Arbeitsweise und dem Können des Mezcaleros das Endprodukt aus. Es gibt also viele Parameter, die zum Topmezcal führen (können).
Einige sehr gelungene Destillate standen in der Verkostungsrunde zur Verfügung - ich fasse mich kurz:
Für die bekannte "Alipus"-Serie gibt es Neues. Wir hatten eine Probe, des Mezcals (47,5% Vol., 100% Espadin) aus den Händen von Don Valente Ángel García Juárez: Ölig und cremige Textur, feine Nase, trocken und rund. Steht den anderen "Alipus"-Qualitäten in nichts nach.
Der Koch Mezcal aus der Tepextate Wildagave (47% Vol.) hatte es mir aufgrund seiner betörenden Nase zunächst schwer angetan. Mit der Zeit im Glas legt sich das Erlebnis aber und es verbleibt ein bodenständiger Brand mit etwas mehr Süße und angenehmem Rauch.
Getöpferte Keramik Potstills kennen wir schon von Real Minero. "Raicilla La Venenosa" hat in eben solchen gebrannten Raicilla im Programm. Raicilla? Ganz ruhig, das ist kein neuer Nerdkram, sondern nur Mezcal aus Jalisco statt aus Oaxaca. Der verprobte Sierra Del Tigre (46,5 % Vol.) überrascht mit viel zerkochtem Gemüse in der Nase (mancher wittert gar Käsefüße), entwickelt sich dann aber im Mund zu einem wonnigen Honigvergnügen. whatadrink!
Das gleiche Urteil dann beim Star Of The Show, der auch aus einer Töpferbrennblase kommt: Mezcal Vago Blanco Y Negra (51,6% Vol., Batch: 176 Liter) aus 25 bzw. 45 Jahre alten Agaven. Das ist ein eleganter Gaumenschmeichler mit großer Balance zwischen süßen und trockenen Noten und mit etwas Honig. Wie gesagt: whatadrink! Kleiner Gag am Rande: Da offenbar keine weiteren so alten Agaven zur Verfügung stehen, empfiehlt man: "Save a bottle so your kids can compare it to the 2060 batch.". Ok. Die ersten Flaschen von Vago haben Europa erreicht. Die Mezcaleria wird ihn wohl auch ins Sortiment nehmen.
Den krönenden Abschluss bildete der Real Minero Largo (47,8 % Vol.), der gegenüber den eben beschriebenen Feingeistern fast schon brachial rüberkommt. Ein Top-Top-Mezcal, intensiv, rauchig und fruchtig bei perfekter Balance. whatadrink!
Die Probanden weisen also alle einen Alkoholgehalt von mehr als 46% Vol. aus. Wie läuft das nun aber mit dem Alkoholgehalt, wenn das Batch vor der Abfüllung nicht mit Wasser auf Trinkstärke reduziert wird? Fachbegriff: distilled to strength. Der erste Destillationslauf - der Rohbrand - ergibt ein Destillat von rund 35% Vol. Beim zweiten Durchlauf steigt der Alkoholgehalt stetig von unter 40 auf über 60 oder gar 70% Vol. an. Der Mezcalero hat natürlich keinen Spirit Safe à la Scotch Whisky mit Meßskala zur Verfügung. Er trennt also einzelne Teile des Brandes sukzessiv in einzelne Gefäße - vornehmlich Plastikkanister - ab und vermischt diese einzelnen Bestandteile seines Batches dann nach visuellen und olfaktorischen Eigenschaften zum fertigen Mezcal. Die ungenießbaren Anteile von Vor- und Nachlauf werden dabei logischerweise abgetrennt. Der Stoff lagert dann zur Harmonisierung mehrere Monate oder gar Jahre in Glas-, Edelstahl- oder Tongefäßen bis zur Abfüllung in Flaschen.
Zum Schluss noch ein paar Worte zur sogenannten Agavenkrise. Aufgrund der Monokulturen für die Tequilaproduktion sind die Pflanzen anfällig geworden. Ernteausfälle bei gleichzeitigem Anstieg der Nachfrage führen zu Engpässen und zu steigenden Rohstoffpreisen. Das obere Diagramm zeigt die Auswirkungen einer 4jährigen Missernte. Die Nachpflanzungen führen dann wieder zu Überschüssen (Jahr 12). Im unteren Diagramm ist im Gegensatz dazu ein linearer Verlauf dargestellt.
Agavenkrise hin oder her - Fakt ist, dass dank steigender Kosten der handgemachte Mezcal/Raicilla/etc. nicht billiger werden wird, sondern in absehbarer Zeit - gerade in Europa - regelmäßig deutlich über der 100-EUR-Grenze pro 0,7l-Buddel liegen wird. Blicken wir auf die Preise für heimische Obst/Wurzel/Gemüse-Premiumdestillate, für die ab 80 EUR pro 0,35l-Flasche aufgerufen werden, so ist das durchaus nachvollziehbar. Aber soll man nun in Mezcal investieren? Hm, warum eigentlich nicht?
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