Dienstag, 24. Juli 2012

Old English Gin oder "Endlich mal ein neuer Gin!"


Die/Der aktuelle Gin Craze geht weiter. Kein neuer Gin ohne eigene Homestory, ob es nun um den Erfinder der Rezeptur, den Ort der Destillation oder die Vielzahl an (geheimen) Botanicals geht. Auch der seit kurzer Zeit in Deutschland erhältliche "Old English Gin" (44% Vol., 0,7l, um 30 EUR) aus dem Hause "Hammer & Son Ltd." ("Geranium" Gin) kann mit mehr oder weniger nützlichen Zusatzinformationen aufwarten. Als da wären: "Ein Rezept von 1783", "die älteste noch betriebene Brennblase Englands" und ein aufseheneregendes Packaging mit einer gebrauchten Champagnerflasche, weichem (!) Wachsüberzug über dem Naturkorken und - finde ich großartig - abblätternde Ökofarbe bei der Beschriftung inklusive.

Der Witz bei der Sache: Der "Old English Gin" schmeckt einfach gut. Das Zeug wird in der "Langley Distillery" (u.a. auch "Martin Miller's") unter Zugabe von 11 Botanicals gebrannt und dann in der Londoner "Thames Distillery" direkt vor der Abfüllung mit 4 Gramm Zucker pro Liter gesüßt. Was in grauer Vorzeit aufgrund der mangelnden Qualität der Brände nötig war, ist hier ein, wie ich finde, abrundendes Element. Ansonsten haben wir einen ganz normalen Vertreter der Gattung "London Dry Gin", den ich aufgrund seiner Wachholderlastigkeit als einen Traditional Gin bezeichnen möchte. Besonders cremig ist er auch - hätte ich fast vergessen. Weitere Tastingnotes gibt hier und da nachzulesen. Das Geschmacksprofil schreit geradezu nach Tom Collins und einem ordentlichen Ramos. Hmmm...

Hier noch schnell der Vergleich mit zwei bislang schon erhältlichen Gins, die sich "Old Tom" schimpfen. Der "Hayman's Old Tom Gin" (40%, 0,7l, ab ca. 18 EUR) ähnelt dem "Old English" zwar, hat aber weder dessen Komplexität noch Durchschlagskraft. Ein ganz anderer Geselle ist der abgrundtief würzige (Süßholz!) "Jensen's Old Tom Gin" (43% Vol., 0,7l ab ca. 26 EUR) des Dänen Christian Jensen, der im Vergleich ruppig und sehr konzentriert wirkt, wo der "Old English" ausgewogen, rund und elegant ist. Ausgerechnet zwei Dänen stehen an der Old Tom/English Gin-Front in der ersten Reihe. Mother's Ruin!

Mittwoch, 18. Juli 2012

Sipsmith G'n'T Tour 2012 - Passion For Traditional Gin - Updated

wad unterbricht kurz die Sommerpause, um von einer kleinen, feinen Veranstaltung zu berichten - der "Sipsmith" G'n'T City Tour 2012, die am Montag in "Mauros Negroni Club" in München gestartet wurde und heute in Frankfurt Station gemacht hat (weitere Termine folgen im Herbst in Hamburg und Berlin). Präsentiert wurden mit "Sipsmith London Dry Gin", "Sipsmith Barley Vodka" und "Sipsmith Summer Cup" drei Produkte, die z.T. schon länger in Deutschland erhältlich, allerdings erst seit kurzer Zeit im Vertrieb der "DTS-W GmbH" (Cocchi, Rum Nation, Ron Millonario,...) zu finden sind.
So konnte Tobias Keuper von "DTS-W" mit Sam Galsworthy einen der Firmengründer und mit dem internationalen Spirituosen- und Cocktailexperten, -autor und -historiker Jared Brown gar den Master Distiller von "Sipsmith Independent Spirits" begrüßen. Die beiden stellten dann auch ihre Firma und die Herstellungsmethoden ausführlich vor. An dieser Stelle spare ich mir größere Ausführungen, sondern verweise auf den kürzlich in der Onlineausgabe des "CLASS"-Magazins veröffentlichten Report, wo wirklich jedes Detail Erwähnung findet.

Trotzdem muss an dieser Stelle auf das eine oder andere hingewiesen werden, da sich in bislang veröffentlichten Pressemitteilungen/-berichten Fehler eingeschlichen haben  So stammt die Brennanlage Prudence der Londoner stammt nicht aus Bayern, sondern aus Baden-Württemberg (von der renommierten und weltweit bekannten Firma "Carl GmbH"). Es handelt sich bei "Sipsmith Barley Vodka" nicht um Roggenwodka und die Destilliersäule von Prudence wird nur für die Wodkaproduktion - nicht für die spätere Gindestillation (nur ein Destillationsvorgang mit Botanicals, One-Shot-Methode) - genutzt. Bin ich heute besonders rechthaberisch? - Liegt wohl an der Pause...

Wichtiger neben all diesen Informationen sind aber die angebotenen Spirituosen. Als mir der "Sipsmith London Dry Gin" (41,6% Vol., Batch 019 vom 12.11.2009 übrigens) - mittlerweile mit zahlreichen Auszeichnungen gesegnet, u.a. dem Mixology Bar Award - Anfang 2010 ins Haus segelte, dachte ich mir einfach nur: Ein verdammt guter Gin! Von dieser Meinung bin ich keinen Millimeter abgerückt auch wenn andere ihm viel besser lobhuldigten oder ihn auch einfach nicht so sehr mochten. Dass man heute fast schon "ein wachholderlastiger Gin" dazusagen muss, ist eigentlich ein Witz.

Der "Sipsmith Barley Vodka" (40% Vol.) ist kein verdammt guter Wodka - naja vielleicht schon -, aber er ist ein verdammt cremiger Vertreter seiner Zunft. Und, wie Jared Brown anmerkte, erinnert er an so manchen feinen schottischen New Make - ist ja auch ein Gerstendestillat.

Ein für Deutschland neues Produkt ist der "Sipsmith Summer Cup" (auf Ginbasis mit 29% Vol.). Gegenüber dem Primus "Pimm's" ist der aber trockener, fruchtiger und irgendwie vielschichtiger. Jareds Vergleich mit einem italienischen Amaro konnte ich gut nachvollziehen. Ein besonders fruchtiger Amaro allerdings. Ich werde den Knabe mal als Ersatz für roten Vermouth, z.B. im Manhattan oder Negroni, probieren - das könnte ganz gut klappen. Die klassische Rezeptur ruft aber nach Zitronenlimonade und frischen Früchten. Eine "Royale" Version mit 25ml "Summer Cup, 25ml Zitronensaft aufgegossen mit Champagner hört sich aber auch recht sprizzig an. "DTS-W" wird ihn in ein paar Wochen im Programm haben, was übrigens auch für den "Sipsmith Sloe Gin" (29% Vol.) gilt. Selbiger wird wie alle "Sipsmiths" handwerklich hergestellt, um das qualitativ Bestmögliche zu erreichen.

Mit ihren Erfolgen sind die Engländer aber auch an die Grenzen ihrer Produktionskapazitäten gestoßen. Nicht mehr als 300 Flaschen pro Batch bei rund 80.000 Flaschen pro Jahr bedeutet, dass Prudence voll ausgelastet ist und deshalb bald ein größeres Schwestermodell bekommen soll. Dann kann sich Jared Brown auch einer völlig neuentwickelten Ginspezialität widmen. Eine inoffizielle Kostprobe hatte der Mastermind dann natürlich auch noch aus der Tasche gezaubert: Ein Destillat, dessen Anteile an Wacholder, Koriander und Zitronenverbene praktisch verdoppelt waren ergab einen extrem grapefruitlastigen "Gin" - mit über 80% Vol. Wir dürfen wirklich gespannt sein, was uns aus seiner "Hexenküche" in der Zukunft noch alles aufgetischt wird...

Nach Tasting, G'n'Ts (bevorzugt wird übrigens "Fever Tree"), Summer Cup und Häppchen gab es Gelegenheit zum ausführlichen Austausch von Barkeepergeschichten über erst kürzlich aufgefundene Fotografien von Harry Johnson etc.pp. Ich konnte mich zwischen die Browns und Mahjoubs mogeln und Jared ein paar Fragen stellen.

whatadrink!: Jared, zunächst eine Frage, die Du in Deinem Vortrag eigentlich schon
 beantwortet hast. Warum bist Du Master Distiller für "Sipsmith" geworden? Du sagtest, dass Du die passion for a traditional gin mit Deinen jetzigen Mitstreitern teilst.

Jared Brown: Als ich Sam und Fairfax traf, war das auf einer Negroniparty in der "Beefeater" Distillery, wo wir von Geraldine Coates (u.a. Autorin von "The Mixellany Guide To Gin") vorgestellt wurden. Und sie sagte: "Jared, diese beiden Herren hier sind von den amerikanischen Distillern inspiriert und sie wollen so etwas hier in England auf die Beine stellen. Du kennst Dich doch ein bisschen damit aus." Und ich sagte: "Ja, ich weiß ein bisschen was darüber." Sam und Fairfax kannten eine Distillery in Idaho namens "Bardenay", für die meine Frau und ich seinerzeit das Ginrezept entwickelt hatten. So sprachen wir über Gin und was wir daran besonders mochten. Der gemeinsame Nenner war traditional gin, denn traditional gin ist der einzig wahre Gin. Jeder, der Gin herstellt und den Begriff Gin so neudefiniert, damit dieser Begriff zu seinem Produkt passt, kann keinen Gin machen. Gin ist die komplexeste Spirituose, die man herstellen kann. Für mich bedeutet daher mastery of gin, dass man traditionellen Gin herstellt. Ich liebe es mit tradionellem Equipment und mit traditionellen Botanicals zu arbeiten. Ich besitze eine ganze Sammlung von alten Büchern mit Destillationsrezepten und ich habe mich da durchgearbeitet auf der Suche nach einem Urrezept, dass ich dann als Ausgangspunkt nehmen wollte. Da keine zwei Stills gleich arbeiten, muss man für jede Still ein eigenes Rezept entwickeln. Und das ist uns hier gelungen. Ich sagte bewusst gelungen, da das ein Gin ist, den wir gerne trinken.

wad: Ich hatte meine erste Flasche Anfang 2010 bekommen. Kam da nicht auch "Beefeater 24" raus?

JB: Ja, wir kamen knapp vor dem "24" - übrigens ein ganz hervorragender Gin - auf den Markt. Meine Frau und ich hatten die große Ehre von unserem Freund Desmond Payne, dem Master Distiller von "Beefeater", über rund zwei Jahre immer wieder zu Tastings während seiner Entwicklung des "24" eingeladen zu werden. So haben wir den Weg dieses Gins von der Geburt bis zur ersten Abfüllung mitverfolgen können. Ich muss sagen, dass ich von Desmond sehr viel gelernt habe.

wad: Wir leben in einer Zeit, in der laufend - fast wöchentlich - neue Gins auf den Markt kommen. Wenn man in die großen Onlineshops in England, Deutschland oder Spanien schaut, sieht man eine unglaubliche Auswahl. Was wird die Zukunft bringen?

JB: Das ist eine sehr gute Frage. Wenn so viele Gins auf dem Markt sind, passieren zwei Dinge. Wenn man in eine Bar geht, wird der Barkeeper nicht mehr sagen können "Wir sind eine "Tanqueray" Bar oder eine "Beefeater" Bar, denn das wäre, als ob man in eine Küche geht und der Koch sagt "Das ist eine Basilikumküche. Knoblauch? Niemals! Basilikum ist das einzig Wahre!". Denn anders als bei Wodkas schmecken zwei dieser vielen Gins niemals gleich. Manche sind gut. Manche sind großartig. Manche sind nicht so gut. Die Differenzierung von Seiten der Konsumenten wächst sehr schnell und das widerum beeinflusst die Auswahl in der Bar. Und damit meine ich nicht die Flasche, die einmal gekauft wird und über Monate in der Backbar steht, sondern die Marken von denen mehr und mehr verkauft werden. Und es gibt so wundervolle traditionelle Gins hinter den Bars und jeder hat seinen Platz. Ich denke, die Ginkategorie wird andere Spirituosenkategorien zur Seite schieben. Von manchen braucht man keine 7 oder 10 verschiedenen Marken. Bei Gin braucht man die auf jeden Fall.

wad: Du glaubst, dass dieser Raum bei Gin noch da ist?

JB: Ja natürlich. In dieser Kategorie ist noch viel Raum für viele neue Gins. "Sipsmith" soll ja auch nicht in jeder Bar auf der Welt sein. Wir können ja gar nicht so viel herstellen. Wir verkaufen bislang nicht in die USA, da wir die Nachfrage gar nicht befriedigen könnten. Wir wären erstmal damit zufrieden zu wachsen und all die Leute zu versorgen, die unseren Gin in Europa haben wollen.

wad: Werner Obalski hat vorhin gefragt, warum keine Variante mit höherem Alkoholgehalt  existiert. Ich stelle die Frage mal anders: Warum wird "Sipsmith London Dry Gin" mit 41,6% Vol. abgefüllt?

JB: Den Alkoholgehalt eines Gins einzustellen ist, wie wenn man das Verhältnis der Botanicals zu einander einstellt, denn deer Alkoholgehalt bestimmt, wie die Botanicals während des Trinkens zum Vorschein kommen. Wenn Du irgendjemanden frägst, der über eine längere Zeit Gin herstellt, wird er Dir sagen, dass die ideale Alkoholstärke zwischen 41 und 43% Vol. liegt um die Eigenschaften der Botanicals zu bewahren und sie in einem Drink hervortreten zu lassen. Wir haben unsere Tests bei 40% Vol. begonnen und sind bis 49% Vol. gegangen. Und die 41,6% Vol.-Version hat in allen Blindtastings gewonnen. Und wir saßen nicht da und haben uns über Zahlen unterhalten, sondern wir tranken Martinis und G'n'Ts.

wad: Scheint mir der beste Weg zu sein.

JB: Natürlich. Das geht nur auf dem Wege, wie Gin konsumiert wird. Nicht straight und im Nosingglas, sondern mit Freunden und etwas zum Essen dazu. Das hat uns letztlich dazu geführt die richtige Stärke für unseren Gin zu finden. Sam sagte vorhin, dass wir eine komplett neue Expression mit höherem Alkoholgehalt entwickeln. Die braucht auch eine komplett neue Formel, da der höhere Alkoholgehalt den Wacholdergeschmack stark beeinflusst. Es gibt einen sehr populären Gin mit regulärer Alkoholstärke für dessen Variante mit höherem Alkoholgehalt man die gleiche Rezeptur verwendet. Es ist einer der Top-Selling-Gins heutzutage, aber man kann den Wacholder nicht mehr schmecken, da er vom höheren Alkoholgehalt unterdrückt wird. Mit unserem Gin wird es dieses Problem nicht geben. Dafür werde ich sorgen. Bei uns wird einem der Wacholder im Ohr sitzen und rufen "Ich bins: Der Wacholder!"

(Foto von John Hofmann)

wad: "Sipsmith" erweitert seine Kapazitäten mit einer zweiten Still. Wie wird die aussehen?

JB: Wir kaufen eine größere Destillieranlage, aber im gleichen Design, denn wir sind so zufrieden mit dem starken Reflux in Prudence.

wad: Mir ist die Form des oberen Teils von Prudence aufgefallen. Der Kopf sieht aus wie zwei aufeinandersitzende Kegel und ist nicht rund oder zwiebelförmig.

JB: Ja, stimmt. Wir haben auch einen 90°-Schwanenhals, der weiteren Reflux zulässt. Wenn man sich viele Whiskystills in Schottland ansieht, sieht man, dass sich diese stark verjüngen und dann den Schwanenhals in spitzem Winkel nach unten abfällt. Das macht Reflux nur in geringem Maße möglich.

Mehr Fotos hier...
Update:

Mittlerweile ist die oben angekündigte weitere Ausgabe des Sipsmith London Dry Gin erhältlich. Hinter dem schnöden Namenszusatz V.J.O.P. verbirgt sich ein extrem wachholderlastiger, hochprozentiger Mixgin der mit satten 57,7% Vol. (0,7l knapp unter 50 EUR) um sich ballert. Gratulation, Meister Brown

Die ersten 360 Flaschen aus Batch #1 (gesamt 1.800 Flaschen) für Deutschland sind (fast) weg - mehr davon kommt Ende Januar/Anfang Februar in den Handel.