Auf Seite 110 rät Immunologe Dr. med. Peter Schleicher auf die Bitte um eine Empfehlung, wie denn dem schlimmsten Kater aus dem Weg gegangen werden kann, u.a. zu fettem Fisch oder einem Gläschen Olivenöl vor dem Ausgehen bevor er ultimativ vom Genuss von Mixgetränken abrät.
Diese nützlichen Hinweise (und vieles mehr) beinhaltet auf rund 130 Seiten das neue Buch Cocktails - Ein Jahrbuch, das das "Süddeutsche Zeitung Magazin", welches zuletzt mit den Titelstories über Rammstein und Angela Merkel Wirbel verursacht hatte, gerade auf den Markt gebracht und gestern Abend offiziell in Münchens Goldene Bar vorgestellt hat. Nun habe ich schon öfter gesehen, dass besonders gelungene Inhalte von Magazinen und Zeitungen im Nachhinein zu einem Buch zusammengefasst in meiner kleinen Bibliothek gelandet sind. Allerdings stehen sie da noch immer "gebraucht, wie neu", um es im Amazonjargon auszudrücken. Dass das mit dieser kleinen Fibel genauso laufen könnte, ist allerdings ausgeschlossen. Denn man hat sich hier besondere Mühe gegeben.
Zu jeder Cocktailzutat wurde ein grafisches Icon entwickelt. Diese Bildchen werden für den jeweiligen Drink dann sozusagen übereinander gelegt und ergeben ein ganz spezielles, einzigartiges Ornament, welches wiederum zu einem Muster vervielfacht die Illustration zum Rezept ergibt. Aha. Nicht nur zum Mitdenken wird angeregt, sondern auch zum Mitgucken. Das nach außen hin zunächst unscheinbare Werk wird so zu einem der schönsten Cocktailbücher überhaupt.
Aber auch der redaktionelle Inhalt kann sich sehen lassen. Neben Rezepturen von Klaus St. Rainer, Stefan Gabányi, Ferdinand Lammerer, Mario Zils, Ago Perrone, Joanna Kent, Chris Doig, Roman Milostivy, Maximilian Hildebrandt und SZ-Chefkoch Hans Gerlach finden sich eine ganze handvoll Texte rund um das stilvolle Trinken u.a. von Lars Reichardt, Stefan Gabányi und Kerstin Greiner. Dem Schorle wird ebenso gehuldigt - gleich in 54 Variationen (!) - wie dem winterlichen Heißgetränk, diversen Sprizzneuauflagen oder dem kalten Kaffee. Ein kleines Charles Schumann-Interview durfte auch nicht fehlen.
Aber fragen wir doch die Protagonisten selbst. Zunächst stand mir "Stil leben"-Redakteurin Kerstin Greiner Rede und Antwort:
whatadrink: Frau Greiner, wer hatte die Idee zum Cocktailbuch des "SZ-Magazins"?
Kerstin Greiner: Wir haben über die Jahre viele Beiträge zu diesem Themenbereich gemacht. Das Material war also schon da. Die Idee entstand dann eigentlich in mehreren Redaktionssitzungen. Aber trotzdem ist es dann eine lange Zeit harter Arbeit bis Inhalt und Gestaltung zusammenpassen und wir in Druck gehen können. Da müssen gute Leute zusammenarbeiten bis man aufwändige Sachen wie z.B. den Ausklappteil in der Mitte des Buchs für die Schorlen realisieren kann. Und da gibt es dann auch mal Kämpfe. Bei den Schorlen hatten wir 100 wunderschöne Rezepte, aber die passten dann nicht alle rein, da man dann ja noch weiter hätte ausklappen müssen. Aber uns war es wichtig, dass wir das Beste zusammenfassen können, noch tolle Texte dazustellen und dass es grafisch so schön ist, dass man es gerne zuhause hat.
wad: Journalisten werden gerne in eine engere Beziehung zu Bars gebracht. Mit Klaus St. Rainer und Stefan Gabányi haben zwei Schumänner mittlerweile eigene angesehene Bars in München. Welche ist denn Ihre Lieblingsbar?
KG: Das kann eigentlich gar nicht so sagen, weil ich diese drei Bars schon sehr, sehr gerne mag und ich auch glücklich bin, dass alle drei so unterschiedlich sind, dass man sich nicht zwischen der einen oder anderen entscheiden muss. Es ist natürlich so, dass wir mit dem Schumann's eine sehr lange Tradition haben. Die "SZ" war ja früher mal sehr nahe dort beheimatet. Und wir haben die Genese des Personals natürlich auch mitbekommen. Zudem nutzen uns die Verbindungen, die gerade diese Barmänner haben. Als wir z.B. nach Sprizzalternativen suchten, war klar, dass uns da ein Italiener weiterhelfen könnte. Aber ich muss auch mal sagen, dass wir hier in München eine Barlandschaft und Barkultur haben, die Ihresgleichen sucht.
wad: Das stimmt. Und es gibt trotzdem immer wieder Neues und immer wieder Steigerungen.
KG: Ja, wir haben hier eine starke Konsistenz. Die Leute sind da, arbeiten hart und vor allem ist ihnen ihre Arbeit auch sehr wichtig. Mit dem Klaus haben wir z.B. eine Produktion über kalte Kaffees gemacht. Die Fotos dazu wurden in Amsterdam produziert. Uns ist die Optik bei solchen Dingen ja auch immer wichtig. Klaus ist dann mit nach Amsterdam, um die Fotoproduktion zu überwachen und um sicherzustellen, dass der Drink dann auch genauso so aussieht, wie er aussehen muss, und um dem Fotografen genau zu erklären, wo ein Tropfen sein muss und wie die Nuss gerieben werden muss. Da ist einfach großer Ehrgeiz und ein Verlangen nach Perfektion dahinter.
wad: Den Barkeepern wird - aus ihrem eigenen Lager übrigens - manchmal vorgeworfen, dass sie sich und ihren Mikrokosmos zu wichtig nehmen würden. Schaut man aber auf die Resonanz von außen - also das Feedback der Gäste - so kann man sehen, dass die das auch ernst nehmen. Ich übersetze den Begriff serious drinking daher gern mit ernsthaftes Trinken.
KG: Ja natürlich. Wir sehen aber auch alle Bereiche. Egal, ob wir Mode anschauen oder Reisen oder Essen. Wir nehmen das alles sehr ernst. Das ist vielleicht auch das Besondere am "SZ-Magazin", dass wir die Lifestylethemen genauso ernst behandeln wie Sport oder Politik.
wad: Zum Abschluss noch eine Frage. Das Buch wird ja nicht verschenkt. Wer soll es kaufen? Wer soll es zuhause haben?
KG: Ich denke, alle Menschen die Spaß an schönen Dingen haben, die gerne gut Essen, die gerne gut Trinken, die aber auch gerne etwas Schönes in der Hand halten und etwas Schönes anfassen, die Fotografie schätzen und die sagen: "Hey! Da haben sich Menschen richtig Mühe gegeben und zwar in jedem Bereich.". Das sind nicht nur Spezialisten, die hinter der Bar stehen oder vor der Bar sitzen. Viele Drinks da drin sind ja auch sehr einfach und man muss noch nicht mal Shakern können.
wad: Vielen Dank und viel Erfolg!
Frau Greiners letzter Satz macht mir Hoffnung. Ich denke, es war eine gute Anschaffung nicht nur für den Coffee Table, sondern auch für meine Hausbar. Den vielgelobten Klaus St. Rainer hab ich natürlich auch noch um ein paar Worte gebeten.
wad: Klaus, das brandneue Cocktails - Ein Jahrbuch hat mir schon beim ersten Durchblättern sehr gut gefallen. Wieviel Klaus St. Rainer steckt da insgesamt drin?
Klaus St. Rainer: Vom Input her waren es so grobgeschätzt vielleicht 70%. Aber es ist ja eine Art Zweitverwertung von bereits erschienen Artikeln des "SZ-Magazins", bei denen ich zum Teil eben schon mitgewirkt hatte. So ist mein Anteil relativ groß geworden. Aber es waren ja immer schöne Arbeiten an denen ich gerne teilgenommen habe. Der Bereich ist über die Jahre auch besser und professioneller geworden. Los ging es mit Sachen, bei denen man innerhalb von einer Woche entschieden hatte "So, das machen wir." und dann wurde schnell ein Fotoredakteur vorbeigeschickt und ich habe zweidrei Drinks hingezaubert. Beim letzten Projekt haben wir mit Qiu Yang, einem international bekannten Fotografen, in Amsterdam gearbeitet. So ist das gewachsen und ich denke, dass mein hartnäckiger Einfluss auch eine Rolle gespielt hat. Und das "SZ-Magazin" ist eben offen und kreativ genug, das aufzunehmen und sinnvoll umzusetzen und v.a. auch mal einem Bartender zuzuhören, was viele nicht machen. Einen Bartender spricht man an, greift ein Rezept ab, macht schnell ein Foto und das war es dann. Es steckt aber mehr dahinter. Um Köche und Kochrezepte wird viel Aufwand gemacht und da finde ich, sollten Bartender, Cocktailrezepte und Cocktailstrecken nicht schlechter dargestellt werden. Das "SZ-Magazin" hat das eben verstanden und super umgesetzt.
Die Idee der Grafikerin fand ich auch großartig. Aber nicht nur die Idee an sich, sondern dass alles bis zum Ende konsequent durchdacht wurde. Ich war da beratend mit dabei und es war nicht einfach mit der Auswahl der Aromen, wenn z.B. ein Drink eigentlich nur aus zwei Zutaten besteht. Am Ende sollte es ja ein Muster ergeben. Aber selbst da war die Designerin noch kreativ und hat z.B. aus Schmelzwasser noch ein Symbol gemacht. Die Drinks sind ja nicht schlechter, weil sie weniger Zutaten haben. Übrigens wurde die erste Auflage des Buches eingestampft, weil man mit der Bindung nicht zufrieden war. So etwas gefällt mir. Das ist Perfektionismus, wie ich ihn auch lebe und liebe und deshalb bin ich auch stolz und froh, dass das Buch so schön geworden ist und hier bei uns präsentiert wird.
wad: Mit Kerstin Greiner habe ich grade kurz erörtert, dass das "SZ-Magazin" Dinge wie Barkultur, Cocktailkunst und den Barkeeper sehr ernst nimmt, und das so ein bisschen im Widerspruch zu dem Vorwurf, dass sich die Barszene zu ernst und zu wichtig nehmen würde, steht.
KSR: Ich finde, da besteht ein großer Unterschied zwischen zu ernst und zu wichtig. Jeder Bartender sollte seinen Beruf ernst nehmen. Dann kann man auch stolz sein auf seine Arbeit. Das zu kann man dann weglassen. Ich finde es schön, wenn Bartender ihre Idee, ihr Konzept, ihr Team oder ihre Persönlichkeit repräsentieren. Nur die werden uns und unseren Beruf weiterbringen und so auch für unser Cocktailzeitalter verantwortlich zeichnen. Darum ist es auch nur wünschenswert, wenn viele Bartender sich und ihren Beruf ernst nehmen.
wad: Zwei Dinge sind mir beim ersten Schmökern aufgefallen. Zum einen wird sehr wenig über Technik geschrieben. Das setzt voraus, dass der Leser - sofern er nicht nur von der Optik gefangen ist - schon ein gewisses Niveau in Sachen Know-How mitbringt.
KSR: In gewisser Weise ja. Es ist in dem Buch so, dass bewusst auf den üblichen Vorspann mit den Fragen "Was brauche ich?", "Was ist ein Rührglas", usw. verzichtet wird. Das haben wir weggelassen, weil das nicht unbedingt sein muss. Wir haben dafür auf den letzten Seiten das ABC des Bartenders, das ich für das Buch neu verfasst habe. Das ist einer der wenigen Teile, der nur für das Buch produziert wurde. Das hat mir die Möglichkeit gegeben noch ein paar Sachen klarzustellen, die mir wichtig waren, auf Irrtümer oder Unrichtigkeiten hinzuweisen, die mir schon lange ein Anliegen sind, z.B. dass man nur grüne Oliven mit Stein verwendet usw. So konnten wir auf subtile Weise auch eine gewisse Education einfliessen lassen. Kreativität und die Befreiung von Dogmen rüberzubringen war mir dabei eben auch wichtig.
wad: Zum anderen war mir aufgefallen, dass aus der Quelle Rainer/Gabányi viele Rezepte mit Sake im Buch enthalten sind. Wie kam es dazu?
KSR: Das muss man auch rückblickend betrachten. Diese Rezepte stammen aus einem Magazinbeitrag, der produziert wurde, als wir beide noch im Schumann's gearbeitet haben. Damals haben wir die Idee von Williams mit der 3-Bottle-Bar neu interpretiert. Wir haben eben Sake, roten Vermouth und Gin genommen und daraus sechs oder acht Rezepte gemacht, die 2009 im "SZ-Magazin" veröffentlicht wurden. Die finden wir jetzt bei den Frühlings- bzw Frühsommerdrinks. Die Idee, die Rezepte im Buch nach den Jahreszeiten zu sortieren, ergab sich eben auch aus dem jeweiligen Veröffentlichungsdatum des Magazinbeitrags. Das muss man vielleicht ein bisschen dazu erklären.
wad: Darum heißt es ja auch Jahrbuch und nicht KSR's Best 101 Cocktails. Vielen Dank.
In diesem Sinne genehmige ich mir erstmal ein großes Glas bestes Öl aus der Mikroproduktion eines privaten münchnerisch-griechischen Olivenhains. Aber das ist schon wieder eine neue Geschichte...
Donnerstag, 20. September 2012
Sonntag, 16. September 2012
Alkoholverbot? Hochball? Wie bitte?
Einen ganz großartigen Artikel seiner Printausgabe, den ich gerne nochmal gelesen habe, hat "Mixology" heute auf seiner Onlinepräsenz veröffentlicht. Es geht um den Longdrink als solchen und natürlich auch um den Highball und das jeweils geforderte Glas im besonderen. Im Ernst: An Tagen, an denen unsere europäischen Nachbarn den Verkauf von alkoholischen Getränken verbieten (Gilt das auch für die Gastronomie? Gerade dort wird doch viel gepanscht?), beschäftigt sich das führende (Bar)Magazin mit dem Begriff Highball?
Ja, und das ist auch gut so. Es sind die Zeiten, in denen wir innehalten sollten und uns auf das Wesentliche, auf die Details des Alltäglichen, konzentrieren sollten. Autor Peter Eichhorn sieht in "Das Getränkebuch" nach und hat auch seinen Schraemli auf den Knien als er dem Begriff Highball nachjagt. Das verleitet zu einer Minirechercheschmökerei in anderen wegweisenden, deutschsprachigen Sachbüchlein.
"Mix Mit Mir - Das Cocktailbuch für alle Gelegenheiten" kommt seinem Anspruch ziemlich nahe und weist schon 1962 den Gin und Tonic aus, der "eine Schnitte Zitrone" enthält. Aber weiter: "In ein 1/4-Liter-Glas gibt man die Zutaten und füllt mit Mineralwasser (Tonic-Water) auf." Hm. Vergessen wir das Wasser mal, so kommen wir der Sache schon ziemlich auf den Grund: Das 1/4-Liter-Glas. John W. Smith (Barkeeper) schreibt in "So mixe ich für meine Freunde - Ein Cocktailbuch" Sätze wie "Die Holländer nehmen statt Gin Genever." und serviert den Gin and Tonic ganz nonchalent im "Tumbler (Whiskyglas)". In selbigem fände man dann auch "eine Scheibe Zitrone ohne Schale und ohne Kerne". Lobenswert! Aber da hätte er lieber mal bei Wikipedia nachgegooglet der Herr Smith.
Dort verweist der deutsche Eintrag auf F. Scott Fitzgeralds Werke, wo unser Highball zum Inventar gehören soll. Dazu müsste man bei Gelegenheit in "Der große Gatsby" nachlesen. Tu ich jetzt aber nicht und schau mir auch nicht den passenden Streifen "Highball" an, sondern blättere lieber online im "Field Guide To Cocktails" von Rob Chirico, wo auch gleich der Lowball erklärt wird. Ha! Tumbler, hä?
Es ist wohl wirklich so, dass es - ganz unspektakulär - nur um ein relativ hohes, schlankes Limonadenglas ging. Obwohl... In "Wir mixen!" vom VEB Fachbuchverlag Leipzig wird der Whisky bzw Gin für den Whisky-Soda bzw. den Gin-Soda im Becherglas oder Kognakschwenker serviert und dem Gast die Möglichkeit gegeben, "durch Auffüllen mit Sodawasser... das Getränk selbst zu vollenden...". Sehr schön und sehr richtig. Und doch haben wir hier wieder den vermaledeiten Schwenker (oder eben das Ballonglas), der schon Herrn Eichhorn zu schaffen machte. Egal - wir wollten ja innehalten...
Zum Abschluss noch ein Tip aus der letztgenannten Publikation (die ich uneingeschränkt empfehlen kann): "Nach Wunsch Eisstücke einlegen."
Ja, und das ist auch gut so. Es sind die Zeiten, in denen wir innehalten sollten und uns auf das Wesentliche, auf die Details des Alltäglichen, konzentrieren sollten. Autor Peter Eichhorn sieht in "Das Getränkebuch" nach und hat auch seinen Schraemli auf den Knien als er dem Begriff Highball nachjagt. Das verleitet zu einer Mini
"Mix Mit Mir - Das Cocktailbuch für alle Gelegenheiten" kommt seinem Anspruch ziemlich nahe und weist schon 1962 den Gin und Tonic aus, der "eine Schnitte Zitrone" enthält. Aber weiter: "In ein 1/4-Liter-Glas gibt man die Zutaten und füllt mit Mineralwasser (Tonic-Water) auf." Hm. Vergessen wir das Wasser mal, so kommen wir der Sache schon ziemlich auf den Grund: Das 1/4-Liter-Glas. John W. Smith (Barkeeper) schreibt in "So mixe ich für meine Freunde - Ein Cocktailbuch" Sätze wie "Die Holländer nehmen statt Gin Genever." und serviert den Gin and Tonic ganz nonchalent im "Tumbler (Whiskyglas)". In selbigem fände man dann auch "eine Scheibe Zitrone ohne Schale und ohne Kerne". Lobenswert! Aber da hätte er lieber mal bei Wikipedia nachgegooglet der Herr Smith.
Dort verweist der deutsche Eintrag auf F. Scott Fitzgeralds Werke, wo unser Highball zum Inventar gehören soll. Dazu müsste man bei Gelegenheit in "Der große Gatsby" nachlesen. Tu ich jetzt aber nicht und schau mir auch nicht den passenden Streifen "Highball" an, sondern blättere lieber online im "Field Guide To Cocktails" von Rob Chirico, wo auch gleich der Lowball erklärt wird. Ha! Tumbler, hä?
Es ist wohl wirklich so, dass es - ganz unspektakulär - nur um ein relativ hohes, schlankes Limonadenglas ging. Obwohl... In "Wir mixen!" vom VEB Fachbuchverlag Leipzig wird der Whisky bzw Gin für den Whisky-Soda bzw. den Gin-Soda im Becherglas oder Kognakschwenker serviert und dem Gast die Möglichkeit gegeben, "durch Auffüllen mit Sodawasser... das Getränk selbst zu vollenden...". Sehr schön und sehr richtig. Und doch haben wir hier wieder den vermaledeiten Schwenker (oder eben das Ballonglas), der schon Herrn Eichhorn zu schaffen machte. Egal - wir wollten ja innehalten...
Zum Abschluss noch ein Tip aus der letztgenannten Publikation (die ich uneingeschränkt empfehlen kann): "Nach Wunsch Eisstücke einlegen."
Mittwoch, 5. September 2012
Ardbeg Galileo @ Bar Gabányi
"Wie heißt der Neue da jetzt? Galaxy?" Jaaa, einem Bill Deck kann man mit
ner Rakete auf der Straße und einer ganzen Rotte Models in Rennanzügen Raumanzügen nichts vormachen. Aber fangen wir doch am Anfang an.
Am Samstag fiel der internationale Startschuß für "Ardbeg's" 2012er Limited Edition namens Galileo. Am Montag wurde der Astrowhisky dann offiziell in Münchens brandneuer "Bar Gabányi" vorgestellt. Aber was heißt vorgestellt? Es gab Raumfahrerpuppen, Raumfahrerinnen, Mondlandschaft und Spacebarbeque nebst Grillmeistern in silbernen Anzügen, dazu eine meterhohe Rakete auf einem Lieferwagen und natürlich einen Gastgeber. D.h. es gab zwei, denn zum einen begrüßte Namensgeber und Chef Stefan Gabányi die Gäste und zum anderen war ja Hamish Torrie da. Der ist sozusagen der oberste Marketingmann von "Glenmorangie" und "Ardbeg" und war damit der höchstdekorierte Whiskyfachmann unter der anwesenden Fachschaft "Scotch".
Torrie waltete dann unter großem Applaus seines Amtes und erklärte Gabányis neues Reich im Untergeschoss zur "Ardbeg Embassy" inklusive Fahnenübergabe und Blitzlichtgewitter. In diesen Hallen wird man also in Zukunft den edelsten Stoff vom schroffen Eiland Islay (Verzeihung) kredenzen und zwar vor allen anderen. Hurray!
Den Anfang durfte also der Galileo (49% Vol., ca. 90 EUR) machen. Ein 12jähriger "Ardbeg" mit rund 30%igem Anteil von in sizilianischen Marsalafässern gelagertem 1999er Malt. Whiskycreateur Dr. Bill Lumsden hatte nach dem Kauf der Destillerie durch LVMH und der Wiederaufnahme der Produktion eine ganze Reihe "Versuchsballons" gestartet - u.a. mit den besagten Süßweinfässern. Die restlichen 70% stammen von 1st-fill und 2nd-fill Bourbonfässern aus dem gleichen Zeitraum. Kein Finish also, sondern ein sauberes Vatting. So entstand ein in bestem Sinne gefälliger Whisky, der keineswegs zu süß ist. Auch die Torfbelastung hält sich in Grenzen. Leider auch die Länge. Weitere Tastingnotes erspare ich den Lesern - das können andere besser - doch möchte ich anmerken, dass der Galileo vielleicht kein "Ardbeg"-Meilenstein für die Ewigkeit ist, von dem man drei Kisten im Keller haben muss. Gerade aus diesem Grund macht der Kauf einer Flasche und baldiges Entleeren derselben aber Sinn.
Warum aber nun das ganze Weltraumgedöns? Ich mache es kurz: "Ardbeg" hat die Ehre an einem wissenschaftlichen Experment teilnehmen zu dürfen, bei dem es um Geschmackskomponenten (hier: Terpinene) geht. In diesem Zusammenhang wurden schon Ende letzten Jahres Proben von frischem "Ardbeg" New Make Spirit zusammen mit Holzsplittern von Whiskyfässern in eine Art schwarzes Plastikröhrchen gepackt - getrennt voneinander versteht sich. Angekommen auf der ISS - via russischer Rakete - wurde die Trennung zwischen den beiden Komponenten aufgehoben und New Make und Holzsplitter sind seit dem in Kontakt. Gleiches wurde in Houston und auf Islay durchgeführt. Bei "Ardbeg" faßte man den Plan, mit einer Whiskyabfüllung diesem weltbewegenden Ereignis zu gedenken und so gibt es nun Galileo. Ideen muss man eben haben. Ich hatte auch eine - wenn auch naheliegende - und plauderte ein bisschen mit Mr. Torrie. Der konnte zumindest nicht sagen: "I can't tell you that. My marketing people will kill me."
whatadrink!: Hamish, Sie sind schon lange im Geschäft, sind aber kein Whiskymacher. Was ist Ihre genaue Aufgabe?
Hamish Torrie: Nun, eigentlich bin ich ein Händler. Wir bei "Ardbeg" und "Glenmorangie"arbeiten sehr eng mit unseren Whiskymachern zusammen. Und so gibt es manchmal zuerst den Whisky und manchmal zuerst die Idee. Dr. Bill Lumsden, das ganze Team und ich denken ständig darüber nach, wie wir unseren Whisky auf den Markt bringen können. Dabei soll - in diesem Fall "Ardbeg" - immer ein wahres Produkt sein. Und mein Job ist es diese Wahrheit auszudrücken und zu vermitteln. Beim Galileo gingen wir zu Bill und sagten, dass wir die überraschende Möglichkeit zur Teilnahme an dem Raumfahrtexperiment gerne mit einem Whisky feiern würden und fragten ihn, was er darüber denkt. Er kreierte daraufhin den Galileo, bei dem dessen kleines Herz aus "Ardbeg" aus den Marsalafässern mit Whisky aus Bourbonfässern umschlossen ist.
wad: So ähnlich wie wir es vom Uigeadail und dessen Sherry Heart kennen?
HT: Ja, genau. Der Marsala-"Ardbeg" allein ist zu sirupartig - overpowering. Zusammen mit dem klassischen Ardbeg aus Bourbon Casks bekommen wir die richtige Balance.
wad: Das Verhältnis zwischen Marsala- und Bourbonfaßwhisky liegt bei 30:70?
HT: Ja, stimmt. Dem kräftigen, torfigen "Ardbeg" musste man schon relativ viel entgegensetzen.
wad: Und es funktioniert.
HT: Absolut. It works! Aber lassen Sie es mich so sagen: Wir würden keinen Whisky auf den Markt bringen, der nicht funktioniert. Und es gab über die Jahre auch Experimente, die nicht geklappt haben.
wad: Bei Ihrer Marktposition haben Sie aber doch auch mehr Nachfrage als wie Sie Whisky herausbringen können. Wieviele Flaschen gibt es vom Galileo weltweit? Inklusive Weltall versteht sich.
HT: Hm, das müssten rund 52.000 Flaschen sein.
wad: Und wieviele Mitglieder hat das "Ardbeg" Committee aktuell?
HT: So 80.000 sind das geworden.
wad: Demnach bekäme nicht jedes Mitglied eine Flasche.
HT: Ja, aber meine Tante und meine Schwester sind auch Mitglied und die haben nicht jede Abfüllung gekauft.
wad: Es gab wohl ein bisschen Verwirrung über die Bestandteile des Galileo im Vorfeld. Einige Leute haben die Sache mit dem ISS-Experiment und der Namensgebung kombiniert und vermutet, dass der Weltraumwhisky ins Vatting geflossen wäre.
HT: Oh nein. Das dürften wir aufgrund der Regularien der Scotch Whisky Association niemals Whisky nennen. Scotch muss immer in Schottland gereift werden und zwar in Holzfässern.
wad: Und der New Make aus dem Weltraum ist ja auch viel zu jung.
HT: Ganz klar. Das ist ein wissenschaftliches Experiment. Es ist defintiv kein Whisky da oben. Und wenn wir den wieder zurückbekämen, dürften wir eine Abfüllung, in der er enthalten ist - z.B. ein Vatting mit auf der Erde gereiftem Whisky - niemals Whisky nennen. Auch nach drei Jahren Reifungszeit nicht. Übrigens lassen wir uns auch das Packaging für neue Bottlings lange im voraus von der SWA genehmigen.
wad: Die ersten Bilder vom Label kamen aber aus den USA.
HT: Ja, wir müssen dort immer einen Registierungsprozeß durchlaufen. Und das ganze findet öffentlich statt, ist im Internet einsehbar. Die cleveren "Ardbeg"-Fans in den Staaten saßen da und haben nur darauf gewartet, dass wir mit unserem Antrag kamen.
wad: Ich glaubte zuerst an einen Fake so ungewöhnlich sieht das Label aus.
HT: Danke. Wir versuchen jedes Jahr ein bisschen was anders zu machen und auch ein bisschen Spaß dabei zu haben. Viele Leute in der Whiskyindustrie kennen Alligator-charred Barrels, aber wir haben uns entschieden, unseren Whisky so zu nennen. Eben ein bisschen was anderes für unsere Fans und das Committee.
wad: Für die Committeemembers haben sie dieses Jahr einen großen "Ardbeg" Day gefeiert und eine besondere Abfüllung herausgebracht, wie es sie noch 2011 nur beim Feis Ile direkt auf Islay gab - wenn auch in viel größerer Auflage. Wie wird das im nächsten Jahr aussehen?
HT: Wir wollen wieder einen "Ardbeg" Day machen. Wieder mit einer Limited Edition für das Committee. Hunderte von Leuten kommen während des Festivals zu uns und für die haben wir ein kleines Bottling gemacht. 2010 gab es aber etwas später auch den Rollercoaster wegen des zehnjährigen Jubiläums des Committees. Das haben wir für den "Ardbeg" Day dann wieder aufgegriffen und über die Embassies weltweit ausgedehnt. Ich denke, dass das gut funktioniert hat. Zudem waren trotzdem 700 Leute in der Distillery.
wad: Die 2011er Feis Ile-Abfüllung war eine Woche nach dem Festival für 400 Euro auf Ebay zu haben.
HT: Ja, ich weiß. Wir wollen das etwas einfacher machen für unsere Fans. Das "Ardbeg" Day Bottling ist natürlich größer, aber dafür ist der Zugang dazu auch leichter. Die Leute müssen nicht mehr in einer Reihe in Schlafsäcken vor der Distillery übernachten, um es zu bekommen.
wad: Jetzt kann ich Sie nicht gehen lassen ohne eine bestimmte Frage zu stellen. Wie stehen die Chancen auf neue, offizielle Singlecaskabfüllungen von "Ardbeg"?
HT: Single Cask Bottlings? Nun, ich mache meinen Job hier seit 13 Jahren und die erste Abfüllung, die ich miterlebte, war ein Single Cask, handabgefüllt auf Islay. Stuart Thomson, der ehemalige Distillery Manager, und ich füllten einen 1976er Sherryfass-"Ardbeg" ab. Das war ein Riesenspaß und wir hatten dann 497 Flaschen (Anm. des Autors: Für eine davon wurden zuletzt über 3.000 Euro bezahlt.). Das war das erste Single Cask Bottling in unserer Zeit. In den frühen 2000ern machten wir dann Bottlings für Frankreich, Italien und, Schweden - und auch eines für Deutschland. Auch das hat sehr viel Spaß gemacht. Als wir in 2008 soweit waren, dass "unser" 10-years-old auf den Markt kam, haben wir festgestellt, dass "Ardbeg" mehr ist als ein Nischenprodukt. Und ein Single Cask Bottling ist immer ein Nischenprodukt. Wir haben uns inzwischen darauf fokussiert neue Expressions herauszubringen, die eine andere Größenordnung haben.
wad: Ich finde Single Cask Bottlings spannend, da sie ein Stück Geschichte der jeweiligen Distillery und ihres Whiskys darstellen.
HT: Ja, das stimmt absolut. Aber die Zeiten, als wir "Ardbeg" als Marke wieder aufbauen mussten, sind vorbei und wir wollen uns nicht mit immer neuen Abfüllungen übernehmen. Schließlich gibt es so viele neue Whiskys jeden Tag und es gibt auch Firmen, die fast wöchentlich eine neue Abfüllung herausbringen.
wad: Das ist auch ein Weg Whisky zu verkaufen.
HT: Ja, aber es verwässert das ganze, finde ich. Das soll nicht unser Weg sein. Es hat zehn Jahre gedauert die Core Range mit dem 10-years-old, Uigeadail und Corryvreckan zusammen zu bringen. Diese drei Whiskies geben für mich ein fantastisches Gesamtbild der Distillery. Sie sind so unterschiedlich, aber alle drei sind "Ardbeg". Man darf auch nicht vergessen, dass wir erst 1998 wieder angefangen haben. 2016 oder 2017 ist vielleicht die richtige Zeit für einen reiferen "Ardbeg" mit Age Statement. Wer weiß das schon?
wad: Und man kann die Zeit nicht zurückdrehen. Einen 17-years-old wie er viele Jahre in unterschiedlichen Batches abgefüllt wurde, kann es so nicht mehr geben.
HT: Ja, richtig. Ich liebe den 10-years-old aus den späten 70ern. Der war außerordentlich gut. Das ist eine Legende, die den Charakter der Distillery typisiert hat. Und über diesen Whisky, der vor so langer Zeit geschaffen wurde, redet man heute noch. Übrigens werde ich auch oft zur (Wieder)Erstellung eigener Maltings gefragt, aber das würde nicht nur Millionen kosten, sondern ist vor allem auch eine Frage für die längerfristige Zukunft.
Banks Rum @ Trader Vic's
Was liegt näher als hocharomatischen Rum in einem echten "Tikitempel" zu präsentieren? Eigentlich nichts. Trotzdem war es die erste Veranstaltung dieser Art in einem "Trader Vic's" (Was schreibe ich da? - DEM "Trader Vic's") als sich am gestrigen Nachmittag eine Auswahl zumeist jüngerer Münchner Bartender und Bartenderinnen in den Katakomben des Hotels "Bayerischer Hof" trafen, um sich die Produkte von "Banks Rum" einmal genauer anzusehen und auch um den "Macher" derselben kennenzulernen.
whatadrink! hatte sich die beiden bisherigen Abfüllungen von "Banks Rum" erst kürzlich vorgenommen. Daher spare ich mir längere Ausführungen zum Aromaprofil und verliere lieber noch ein paar Worte zur Herstellung. Beide Rums sind Blends. Und zwar reichlich komplexe Blends. Genauer gesagt die komplexesten Rumblends überhaupt, denn im "5 Island" finden wir 21 verschiedene Destillate von 6 Destillerien aus 5 Ländern - im "7 Golden Age" sind es gar 23 Destillate von 8 Destillerien aus 7 Origins. Während im (teilweise gefilterten) weißen Rum Vertreter aus Trinidad, Jamaika, Guyana, Barbados und Indonesien enthalten sind, kommen in der goldenen Variante noch Rums aus Panama und Guatemala dazu - letztere in nicht allzu großer Menge, was das prozentuale Verhältnis anbelangt, ebenso wie bei der Zugabe von indonesischen (Rohrzucker-)Arrak übrigens, aber bei beiden Blends in einem jeweils eigenständigen und gesondert entwickelten Blendingrezept. Es ist also nicht so, dass einfach noch zwei zusätzliche Rums mit in den "5 Island" gegeben werden.
Diese und viele weitere Informationen bekamen die Zuhörer aus erster Hand, denn der Masterblender und Erfinder des "Banks", Arnaud de Trabuc, war persönlich anwesend und erzählte nicht etwa für das Marketing zugeschnittene Geschichtchen, sondern berichtete über seine Idee einen Rumblend zu schaffen, da dies in dieser Form bislang niemand getan hatte, über den Hintergrund der Namensgebung und das Packaging und beantwortete jede einzelne Frage. So kam auch zur Sprache, dass die Entwicklungszeit der beiden Rezepturen bei rund einem Jahr ("5 Island") und 7-8 Monaten ("7 Golden Age") lag. Dabei konnte de Trabuc auf seine jahrzehntelangen Verbindungen zur Rumindustrie - insbesondere zu "Angostura" - zurückgreifen. Entwicklung, Blending und Abfüllung laufen daher auch in speziellen Räumlichkeiten in Amsterdam ab. Das sind Voraussetzungen die natürlich nicht jeder hat, der gerade auf die Idee gekommen ist, ins Business einzusteigen.Weiteres zu Filterung, Etikett und Flaschenform finden Sie hier. Wichtig ist zum einen sich den Sprachgebrauch "der Fünfjährige" (bzw. "der Siebenjährige") abzulegen, da der "5 Island" aus ein- bis sechsjährigen Komponenten besteht und zum anderen muss beachtet werden, dass dieser Stoff - je nach Gästestruktur - doch deutlich zum Premium- und nicht zum Pouringbereich zu zählen ist. Das bezeugen auch die Produktionsmengen: Vom "5 Island" füllt "Banks" derzeit 100.000 - vom "7 Golden Age" 40.000 - Flaschen im Jahr ab. Tendenz steigend...
Bevor sich die gesammelte Meute an "Trader Vic's" Mai Tais, Daiquiris, Rum Swizzles und LIITs nebst besten Fingerfood laben konnte, führte der neuinstallierte Brandambassdor Robin Weiss zusammen mit Bastian Heuser an seiner Seite einen kleinen Rumvergleich in der Disziplin "Daiquiri" (Sieger: "Banks 5 Island" - ach was) durch und infusionierte "5 Island" mit Grapefruitschale mittels Sahnesiphon. Und es gab auch was ganz Neues zu bestaunen: Den "Banks Limited Editon I - The Endeavour". Diese Abfüllung, die auf 1743 Flaschen begrenzt ist, wird in Kürze in Deutschland erhältlich sein. Der Preis wird im Bereich um 300 EUR liegen. Ob einem der 43%ige 50:50-Blend aus je einem 16jährigen Jamaica- und Guyanarum (von Long Pond bzw. den Demerara Distillers) das wert ist, darf jeder selbst entscheiden. Mir hat der (fast) unendliche Abgang der reifen Destillate inklusive Ecken und Kanten auf jeden Fall bestens gefallen.
Bezugsquellen: cocktailian und der wohlsortierte Einzelhandel
Gastrokontakt: a.schneider@beverage-brands.de / s.nitz@beverage-brands.de
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