Sonntag, 15. Juni 2014

The Decade Of Rum: Clairin aus Haiti

Wenn man über Rum aus Haiti redet, so redet man über Barbancourt. Das ist auch völlig ok so, denn bis vor kurzem war Rum anderer Marken - außer auf dem westlichen Teil von Hispanola selbst - nicht erhältlich. Also jetzt Clairin - Was ist das denn nun wieder für ein nerdiges Zeug?

Clairin ist nichts anderes als mehr oder weniger ungelagerter Rum oder Rhum, der aus frisch gepresstem Zuckerrohrsaft hergestellt wird - ähnlich dem Rhum Agricole, den wir von den französischen Überseedepartements kennen. In Haiti selbst ist Clairin der Gebrauchsalkohol des kleinen Mannes - sprich: Ein in der Regel billiger, sprittiger Rum(ersatz), der unter Zugabe von Neutralalkohol (und anderem) produziert wird. Nichts für europäische Feingaumen also. Aber es gibt natürlich auch Ausnahmen.


Drei dieser Ausnahmen bzw. deren Clairins hat Luca Gargano, Kopf des italienischen Spirituosen- und Weinimporteurs /-vertriebs und -abfüllers Velier S.p.A., "entdeckt" und mittlerweile der breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Allen dreien ist gemein, dass sie aus kleinen, handwerklichen Betrieben kommen und aus regional geerntetem Zuckerrohr hergestellt werden. Die Besonderheit beim Grundmaterial ist, dass die verwendeten Zuckerrohrvarietäten praktisch nur dort im wirtschaftlich gar nicht bis nur wenig entwickelten Haiti fernab der industriellen Hybridzüchtungen überlebt haben und ohne chemische Hilfsmittel angebaut werden, weil man sich gar nichts anderes leisten kann. Zudem werden für die Fermentation nur die natürlich vorkommenden Hefen verwendet. "Terroir!", ruft da der Connaisseur.
"Whatadrink!" rufe ich aus, als ich die erste Flasche "Clairin Casimir" (53,7% Vol., 0,7l, ca. 30-40 EUR) entstöpsle und mir intensiver Zuckerrohrduft in die Nase strömt. Danach schmeckt er dann auch. Dazu erdig und medizinisch. Laphroaig goes Mezcal goes Rhum. Langes Finish mit einer Spur Ingwer zum Zuckerrohr. Ahhhh. Nichts für Anfänger. Den Gegenpol liefert "Clairin Sajous" (48,1% Vol., 0,7l, ca. 30-40 EUR). Hier dreht sich zunächst alles um gelbe Früchte: Mandarinen, Mango, Aprikosen und Pfirsiche - auch Ananas. Auf dem Gaumen wirds dann ein Gang in den Kräutergarten. Doch im Körbchen liegt noch eine aufgeschnittene Mango. Auch hier ist der Alkohol eingebunden und trägt ein starkes Finale. Mit etwas Wasser (Pipette, s'il vous plait!) lässt sich trefflich spielen und der Rum gewinnt an fruchtig-süßen (!) Zuckerrohraromen (Der Dritte im Bunde ist Clairin Vaval (48,7% Vol., 0,7l, ca. 30-40 EUR), dessen Beschreibung ich in Kürze nachreiche. Meine Flasche ist noch unterwegs. Videolink dazu siehe unten.). Dass das alles ohne Nachzuckerung, Filtration und sonstiges Schnickschnack und zudem noch aufgrund der ursprünglichen Landwirtschaft quasi "Bio" geschaffen wurde, versteht sich fast von selbst. Heiliger Luca, schick uns mehr davon!
Für Nachschub sollte gesorgt sein, denn neben den arbeitenden Destillerien hat Gargano, der schon mit Maestro Capovilla auf Marie-Galante seinen "Rhum Rhum" brannte, von der haitianischen Verwaltung die Erlaubnis zum Betrieb einer eigenen Clairindestillerie erhalten. Ich habe selten so große Vorfreude verspürt.

Anmerkung: Die Verärgerung darüber, dass der edle Stoff in Spanien, Italien, Frankreich oder UK gekauft werden muss, hält sich bei mir in Grenzen. Das bin ich mittlerweile gewohnt.

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