Samstag, 14. Juni 2014

The Decade Of Rum: Oh, my sweet rum!

"My sweet rum (hallelujah)
Hm, my rum (hallelujah)
Hm, my rum (hallelujah)"

(nach George Harrison, "My Sweet Lord", 1970)

Ein an Spirituosen grundsätzlich interessierter Mensch hat mich kürzlich wissen lassen, dass nach seinem Wissen "Rum immer aus Neutralsprit plus Farbstoff plus zugesetzter künstlicher Geschmacksstoffe" bestehe. Der ganze Kram über Fasslagerung usw. sei schlichtweg gelogen (oder eben Marketing). Hm, danke für die Information.

In den letzten Monaten ist aber ein Thema hochgeköchelt, das vorher schon unter Insidern bekannt war: Das Nachsüßen von Rum mittels Zucker. Hä? Rum wird doch eh aus Zucker gemacht. Warum sollte man da nochmal Zucker reinkippen? Antwort: Weil der mehr oder weniger süße Geschmack der Basismaterialien Melasse (eher bitter), Zuckersirup (mehr) oder frischem Zuckerrohrsaft (weniger) während des Herstellungsprozesses verloren geht. Ja, aber warum wird dann überhaupt nachgesüßt? Eine gute Frage.

Diese Frage sollte man den Herstellern stellen, die diese Technik anwenden. Aber wer ist das denn? Auf diese Frage gibt es Antwort. Von den schwedischen und finnischen (!) Alkoholhandelsunternehmen Systembolaget bzw. Alko existieren Ergebnisse aus Laboruntersuchungen, die den Zuckergehalt bestimmter Rumabfüllungen in Gramm pro Liter Rum festgestellt haben. Hier ein Beispiel dieser "offiziellen" Resultate:
Eine andere Quelle ist der dänische Blogger Johnny Drejer, der mittels eigener Messungen mit dem Alkoholometer mittlerweile eine stattliche Zahl von Rumabfüllungen ausgemessen hat. Seine Charts decken sich mit den Vergleichszahlen der o.g. staatlichen Unternehmen und können daher durchweg als sachlich richtig bezeichnet werden (Zur genauen Beschreibung der Methode und Herrn Dreyers Schlüssen, bitte ich dessen Webseite zu besuchen). Die Erkenntnis daraus: Wenn gesüßt wird, dann spielt sich das offenbar meist bei rund 15-40g/L ab. Ob das ein noch vertretbarer Wert ist, sollte jeder selbst entscheiden. Verrühren Sie doch einfach mal 30g Zucker in einem Liter Wasser und kosten Sie diese "neutrale" Zuckerlösung ohne Rumaromen. 
(Foto: Johnny Dreyer)

Eine weitere Milchmädchenerkenntnis ist, dass Rum, der dem Genießer als relativ süß vorkommt, meist auch (nach)gesüßt ist. In Einzelfällen wurde sogar etwas zu viel des Guten beigemengt. Einsamer Spitzenreiter der Rum-Zucker-Hitparade ist der schokoladig-orangige Muskelprotz A.H. Riise Royal Danish Navy Rum, der mit mehr als 60g/L zu Buche schlägt. Ich kann mich noch gut an die Dame erinnern, die mir die Riise-Range beim Berliner Rumfestival näher bringen und mir dabei die schöne Marketingstory um Herrn Riise, dessen Tätigkeit in der Karibik im 19. Jahrhundert usw. glaubhaft machen wollte. Der Plombenzieher wird allerdings in Flensburg geblendet (immerhin von einem Dänen auf den Markt gebracht) und hat wohl weder mit Herrn Riise noch mit der dänischen Marine irgendetwas zu tun. Die nette Dänin hatte übrigens ganz schön klebrige Finger. Aber das nur nebenbei...



 (Foto: Johnny Dreyer)
Wir waren beim Warum. Und dazu hat The Floating Rum Shack kürzlich Alexandre Gabriel, den Verantwortlichen für Plantation Rum, und Richard Seale, Boss der Foursquare Distillery, getrennt von einander befragt. Stark verkürzt dargestellt verteidigt Gabriel seine Vorgehensweise - d.h. die Zuckerzugabe von 9-39g/L je nach Abfüllung - mit dem Hinweis auf traditionelle Methoden (Stichwort: Dosage), die lediglich der geschmacklichen Abrundung bzw. Verbesserung dienen sollen. Seale sieht das etwas anders. Er steht für eine Obergrenze, wie sie in der EU z.B. für die Zuckerung bei Cognac existiert. Und er sieht die Notwendigkeit einer Diskussion und vergleicht diese nicht mit den Rumqualitäts/ Glaubensfragen 'Melasse oder Zuckerrohrsaft' bzw. 'Potstill oder Columnstill'. Und warum er das so sieht? Zum einen steht er in der Tradition von Barbados, wo wie in Jamaika oder Martinique kein Zucker zugesetzt werden darf. Zum anderen sollte die Abgrenzung zwischen Rum und Sippingrum (wenn man eine solche vornehmen mag) nicht am Zusatz einer Dosage - auch wenn sie womöglich aus Rum und hochwertigem Zucker besteht und 10 Jahre Fassreifung erfährt (Ich bezweifle ernsthaft, dass auch nur ein Produzent eine solche Mischung verwendet) - festgemacht werden.
  (Foto: Johnny Dreyer)

Fazit: Augen auf beim Rumkauf! Lassen Sie sich nichts vormachen. Ich persönlich würde gesüßte Rums nicht generell als maskierte Banditen bezeichnen oder sie generell abwertend betrachten. Dafür mag ich viel zu viele davon sehr gerne. Allerdings schreiben wir das Jahr 2014, in dem die größte (Marken)Vielfalt mit der größten Verfügbarkeit von sehr gutem (ungesüßtem) Rum einhergeht. Der mündige Verbraucher sollte auf seinem Recht auf Information und Aufklärung bestehen können, wenn er schon Spirituosen kaufen soll, die so teuer waren wie noch nie (Stichwort: Super-Super-Premium). Die Ausreden der Spirituosenindustrie ("kommt vom Fass", "haben wir schon vor 100 Jahren so gemacht") können mich auf jeden Fall nicht überzeugen. 

Besonders viele Fragezeichen wirft m.E. auch Alexandre Gabriels Vergleich mit der Messerspitze Salz in Süßspeisen auf: Wenn in alte und teure Cognacs im Gegensatz zu den Kaufhausabfüllungen keine Dosage wandert, er aber in seinen 2013 abgefüllten 80-Euro-Rum "Plantation Trinidad 1989 Single Cask Abel Ferrand Finish" gleich 39g/L Zucker mischen musste, muss das ein ziemlich grausliges Zeug gewesen sein, oder? (War es natürlich nicht). Vielleicht wird die Sache auch mal ein Thema für die ACR-Initiative, die bisher (wie die EU) den Zuckerzusatz ohne besonderes Limit erlaubt.

Und noch ein Tip: Versuchen Sie es mit ungesüßten, nicht kältefiltierten und nicht nachträglich eingefärbten (die nächste Baustelle!) Rums von unabhängigen Abfüllern. Davon gibt es seit zwei Jahren so viele wie nie zuvor zu kaufen!

Wie schrieb mal ein Forist in einer bedeutenden Rumcommunity? - "Meine Süßrumperiode ist vorbei". In diesem Sinne: With a bottle of rum and a yo-ho-ho!

2 Kommentare:

  1. Hier noch ein paar weitere Links zu Quellen, die auch Zahlen zu weiteren Produkten liefern:
    http://trinklaune.de/2014/01/26/da-ist-zucker-in-meinem-rum/

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  2. Hej, toller Artikel. Aber die Messung des Zuckergehaltes per Alkoholometer ist bullshit. Sorry, aber da hat einer keine Ahnung was er da tut (Stichwort Dichtewaage). Das es in etwa das ähnliche Ergebnis ist, ist vielleicht Zufall oder Glück oder beides.
    Zucker in Destillaten, sei es Rum oder Obstbrand oder Gin sind immer kritisch zu hinterfragen. Wieso, muss etwas überdeckt werden, soll es nur den guten Geschmack unterstreichen,... Generell negativ würde ich das aber auch nicht sehen, gerade 3-4 gramm Zucker sind meist aussreichend und fördern den Geschmack mancher Spirituose.
    Der menschliche Geschmack fängt erst bei 3gr je Liter an überhaupt Zucker zu realisieren, wobei bei dieser Konzentration der Unterschied zwischen Zucker und bitter nur schwer festzustellen ist. Generell hebt Zucker immer den Geschmack, macht es weicher, runder, drückt etwas die Aromen in Vordergrund. Bei fast 40gramm je Liter sprechen wir ja fast schon von Likör. Das ist dann auch bedenklich für einen ansonsten guten Rum.
    Obstbrände sind bis 10g je Liter limitiert, gegen Limits bin ich generell, es würde eher empfehlenswert sein, einfach die Menge zugesetzen Zucker in Gramm mit auf die Flasche zu drucken. Etwas mehr Transparenz würde der Sache gut tun, (gerade) auch beim Inhalt der Dossage.

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