Mittwoch, 5. November 2014
Whisky von der Lost Distillery Company oder: Alles verloren?
Hey, hey!
Caramba, Caracho, ein Whisky
Caramba, Caracho, ein Gin
Verflucht, sacramento, Dolores
Und alles ist wieder hin...
("Caramba, Caracho, ein Whisky" von Heino, 1969)
Ist Ihnen aufgefallen, dass zuletzt ein paar mal das Wörtchen "lost" verwendet wurde, wenn es doch (nur) um Marketing für sehr wohl in der Gegenwart bereitstehenden Whisky ging? Hier auf jeden Fall - wie vor Monaten angekündigt - ein paar Worte zu den Abfüllungen der The Lost Distillery Company.
Die müsste eigentlich The Lost Distilleries Company heißen, startete sie doch gleich mit sechs Flaschen aus drei verschiedenen Destillerien. Halt nein! Der Whisky kommt ja gar nicht aus den Destillerien, deren Name auf den wohlgestalteten Flaschen prangert, denn die gibts inklusive Ihrer Destillate seit rund 100 Jahren nicht mehr. Was soll das also?
Die Kreation des jeweiligen Whiskys beginnt - so wird berichtet - mit einer wissenschaftlich-historischen Recherche. Legen wir uns doch beispielhaft auf eine um 1900 untergegangene Distillery fest. Wir beginnen vor Ort mit der Sichtung von historischen Unterlagen und können ggf. den tatsächlichen Ort lokalisieren. Vielleicht gibt es noch Originalgebäude oder gar die Wasserquelle, die seinerzeit genutzt wurde. Neben den einschlägigen Fachbüchern gibts es im Idealfall noch andere Dokumente wie Briefe und Rechnungen etc., die Aufschluss geben über die Produktionsvoraussetzungen. Woher kam die Gerste bzw. das Malz? Wie sahen die Brennblasen aus und woher stammten sie? Bei wem wurden die verwendeten Fässer gekauft? Und an wen - z.B. an welches Handelshaus mit eigenen Blends - wurde der fertige Whisky verkauft? Die Antworten ergeben eine Stoffsammlung aus der sich - das ist durchaus nachvollziehbar - ein Profil entwickeln lässt.
Dazu noch ein Beispiel: Geht es um Historisches wird gerne Alfred Barnards Werk "Whisky Distilleries Of the United Kingdom" von 1887 genannt, was als komplette Sammlung von Herrn Barnards Reiseberichten zu rund 150 Whiskybrennereien bezeichnet wird. Nun hat der Author seine damaligen Texte auch lokalen Zeitungen zur Veröffentlichung angeboten und der ein oder andere Herausgeber hat diese Reportagen auch gekauft und abgedruckt. Und die waren z.T. ausführlicher als die Texte im Buch, die vor der Veröffentlichung als solches offenbar überarbeitet und stellenweise gekürzt wurden. Sucht man also an anderer Stelle nach Barnards Texten als im eigenen Bücherschrank, stößt man hie und da auf eine seinerzeit als nicht weiter überlieferungswürdig eingestufte Einzelheit, die aber dem Whiskyhistoriker im 21 Jahrhundert ein wertvolles Puzzleteil sein kann.
Aber aufgepasst! An diesem Punkt darf man nun nicht annehmen, dass die ehrenwerten Herren der Company einen Malt des 19. Jahrhunderts nachbauen. Der ließe sich eventuell auch gar nicht verkaufen. Vielmehr muss man sich vorstellen - so hat mir zumindest Andrew Hogan, einer der Köpfe hinter den Verlorenen, das erklärt - dass der Whisky so schmeckt, als ob der Betrieb bis heute überlebt hätte und seine aktuelle Abfüllung auf den Markt würde. Der enthaltene Konjunktiv war schon anderen aufgefallen (bitte hier Nachlesen).
Es handelt sich durchweg um Mischungen aus Single Malts und damit um Blended Malts. Grainwhisky ist nicht enthalten. Die "Standardausgaben" liegen bei rund 60 EUR, während man für die drei "Vintage" benannten Ultrapremium-Flaschen je 175 EUR hinblättern musste (alle mit 46% Vol.). Letztere sind übrigens fast ausverkauft. Dafür gibt es einen neuen - äh - wiederaufer...geborenen Whisky: Jericho (ca. 70 EUR) heißt der und soll ein "herrlich wuchtiger Sherry-Malt mit einer unwiderstehlichen Note von Torf" (Quelle: deutscher Importeur) sein. Ok.
Ich hatte das Vergnügen alle sieben Lost Distillery-Whiskies probieren zu dürfen. Nein, nicht angesäuselt auf einer der zahlreichen Whiskymessen, sondern in meinem privaten, abgeschiedenen Tastingroom. Mein Fazit: Sehr guter Stoff. Alle sieben. In meinem persönlichen Ranking stand zunächst der Startheden Vintage mit seiner leichten Sherrywürze vor dem Coastal Highland-Vertreter Gerston. Jetzt aber der neue Jericho: Nunja. Er ist kein Sherry- und erst recht kein Torfmonster. Er ist auch kein (wuchtiger) Mortlach oder Springbank. Aber er ist wie seine Kumpane ein feiner, gut gemachter Scotch. Fast schon ein Allrounder (Was man ihm aber auch wieder negativ auslegen könnte). Auf den zweiten Schluck kommt etwas mehr Süße durch.
Fazit: Alle sieben Lost Whiskies sind edle Streiter - kein Karamba-Karacho-Stoff. Qualität, Ausstattung und Preise halten sich aus meiner Sicht einigermaßen die Waage - wenn auch im höherpreisigen Segment.
Ach ja - Gibt es eigentlich schon irgendwo einen Lost Gin?
Tip: Unbedingt die umfangreichen Info auf der offiziellen Internetseite durchschmökern...
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