"You never let it rest in your mouth, of course. It has to go straight down, it's not allowed to stay in your throat or it would burn it off. But by God it tasted good." (Bill Winstanley, Navy Rum Fan)
"What A Drink!" (whatadrink!-Blog, 2015)

Navy Rum - Was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Kurze Einleitung: Die Royal Navy hatte seit im 17. Jahrhundert eine enge Bindung zu Rum auf ihren Schiffen entwickelt, was sich durch die tägliche Ausgabe einer Rumration an die Seeleute, ein sogenanntes Tot, manifestierte. Das Tot wurde mengenmäßig über die Jahrhunderte immer kleiner, bis es 1970 ganz abgeschafft wurde (s. Black Tot Day). Gut. Zunächst Ende der Story.
Bei der Navy hatte sich eine Rezeptur für einen bestimmten Rumblend eingeschliffen, die inkl. Namensrechten 1979 ein Geschäftsmann erwarb und daraus die Marke Pusser's Rum kreierte. Vorher hatten sich schon Marken wie Lamb's Navy Rum, Wood's Old Navy Rum etc. etabliert, die den Navy Style in zivilen Gefilden fortführten - offizielles Rezept hin oder her. Meist stecken Destillate aus Guyana, Jamaika, Barbados und/oder Trinidad im Blend, der i.d.R. mit stattlichen Alkoholgraden von über 50% Vol. abgefüllt wird - Stichwort: Navy Strength. Letztere wird unterschiedlich interpretiert. Pusser's kommt in seiner Standardvariante (bisher als Blue Label bekannt, jetzt Gunpowder Proof mit schwarzem Etikett) inzwischen mit 54,5% Vol. in die Flasche (in den ersten Jahren mit 54%), während Wood's zum allgemein verbreiteten Navy Strength-Wert von 57% greift.
Aber bleiben wir noch kurz beim Pusser's. Den gibt es auch in einer 40%- bzw. 42%igen Abfüllung (kann man vergessen) und mit 75% Vol. zu kaufen. Letzterer ist feinster Overproof-Stoff für ca. 30 EUR/0,7l. Die Krönung der Produktpalette ist aber der Nelson's Blood. Eine (leider mit rund 25g/l aufgezuckerte) 15jährige Variante mit 40% Vol., die von der Power der hölzernen Port Mourant Double Wooden Pot Still der Demerara Distillers Ltd. geprägt ist (mindestens 80-85% soll der Anteil davon im Blend sein). Das ist ein Rum, der irgendwie den Einstieg in die Oberklasse darstellt und zugleich zeigt wie echter Rum schmecken kann. Noch besser: Der gleiche Spaß mit 47,75% im 1-Liter-Porzellandekanter. Schade, dass der mittlerweile landauf und landab ausverkauft ist.
Dekanter ist natürlich das falsche Wort. Flagon wäre richtig, womit wir auch bei einem Begriff wären, den es zu erläutern gilt. Vergessen Sie die Flagons von Lamb's oder Pusser's. Die Dinger sind nur als hübsche Geschenkverpackung zu verstehen. Der historische Bezug ist fraglich und die Lagereigenschaften sind bei Porzellanbehältnissen auch nicht gerade top.


Lassen wir diesen Punkt offen. Ich konnte eine Probe aus einem Antwerpen-Flagon bekommen - Destillationszeitraum: 1940/1950er. Oha! Einiges spricht dafür, dass ein Teil der Black Tot-Flagons aus dem gleichen Lagerbestand stammten. Im Vergleichstest stehen folglich Nelson's Blood und Black Tot ihren (See)Mann und ein neuer Rum aus England ist auch noch mit dabei:




Fazit: Mit dem Pusser's als Einstieg in die Welt der Demerara/Navy Style-Rums und dem East London als leichten Vertreter aus der Enmore Still sind das zwei ziemlich unterschiedliche und brauchbare Kandidaten in der 40-Euro-Klasse. Dass man Destillate im Stil und mit der Klasse des Antwerpen-Flagons in den Black Tot gekippt hat (wo sie in der Masse untergegangen sind), sorgt bei mir für Entsetzen. Flagon siegt über Flasche!
Falls Ihnen diese Beschreibung gefallen hat und Sie die Anschaffung eines solchen Flagons planen, noch ein paar Hinweise: Die Flagons sind/waren paarig in Holzkisten gepackt - sog. Crates - die mit Holzwolle ausgepolstert sind/waren. Auf dem jeweiligen Crate finden sich Aufschriften der Lagerhaltung - z.B. auch "BIELEFELD" oder "ANTWERP.". Gröber umflochtene Flagons stammen wohl aus der Zeit vor/um den 2. Weltkrieg, während enger und dichter, mit dünnerem Material umflochtene Flagons aus den 1960ern stammen. Achten Sie natürlich auch auf den versiegelten Korkstopfen, der gerne durchweicht und brüchig ist, da unsere britischen Freunde die Crates gerne auch mal auf der Seite liegend aufbewahrt haben.