Wenn man über Rum aus Haiti redet, so redet man über Barbancourt. Das ist auch völlig ok so, denn bis vor kurzem war Rum anderer Marken - außer auf dem westlichen Teil von Hispanola selbst - nicht erhältlich. Also jetzt Clairin - Was ist das denn nun wieder für ein nerdiges Zeug?
Clairin ist nichts anderes als mehr oder weniger ungelagerter Rum oder Rhum, der aus frisch gepresstem Zuckerrohrsaft hergestellt wird - ähnlich dem Rhum Agricole, den wir von den französischen Überseedepartements kennen. In Haiti selbst ist Clairin der Gebrauchsalkohol des kleinen Mannes - sprich: Ein in der Regel billiger, sprittiger Rum(ersatz), der unter Zugabe von Neutralalkohol (und anderem) produziert wird. Nichts für europäische Feingaumen also. Aber es gibt natürlich auch Ausnahmen.
Drei dieser Ausnahmen bzw. deren Clairins hat Luca Gargano, Kopf des italienischen Spirituosen- und Weinimporteurs /-vertriebs und -abfüllers Velier S.p.A., "entdeckt" und mittlerweile der breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Allen dreien ist gemein, dass sie aus kleinen, handwerklichen Betrieben kommen und aus regional geerntetem Zuckerrohr hergestellt werden. Die Besonderheit beim Grundmaterial ist, dass die verwendeten Zuckerrohrvarietäten praktisch nur dort im wirtschaftlich gar nicht bis nur wenig entwickelten Haiti fernab der industriellen Hybridzüchtungen überlebt haben und ohne chemische Hilfsmittel angebaut werden, weil man sich gar nichts anderes leisten kann. Zudem werden für die Fermentation nur die natürlich vorkommenden Hefen verwendet. "Terroir!", ruft da der Connaisseur.
"Whatadrink!" rufe ich aus, als ich die erste Flasche "Clairin Casimir" (53,7% Vol., 0,7l, ca. 30-40 EUR) entstöpsle und mir intensiver Zuckerrohrduft in die Nase strömt. Danach schmeckt er dann auch. Dazu erdig und medizinisch. Laphroaig goes Mezcal goes Rhum. Langes Finish mit einer Spur Ingwer zum Zuckerrohr. Ahhhh. Nichts für Anfänger. Den Gegenpol liefert "Clairin Sajous" (48,1% Vol., 0,7l, ca. 30-40 EUR). Hier dreht sich zunächst alles um gelbe Früchte: Mandarinen, Mango, Aprikosen und Pfirsiche - auch Ananas. Auf dem Gaumen wirds dann ein Gang in den Kräutergarten. Doch im Körbchen liegt noch eine aufgeschnittene Mango. Auch hier ist der Alkohol eingebunden und trägt ein starkes Finale. Mit etwas Wasser (Pipette, s'il vous plait!) lässt sich trefflich spielen und der Rum gewinnt an fruchtig-süßen (!) Zuckerrohraromen (Der Dritte im Bunde ist Clairin Vaval (48,7% Vol., 0,7l, ca. 30-40 EUR), dessen Beschreibung ich in Kürze nachreiche. Meine Flasche ist noch unterwegs. Videolink dazu siehe unten.). Dass das alles ohne Nachzuckerung, Filtration und sonstiges Schnickschnack und zudem noch aufgrund der ursprünglichen Landwirtschaft quasi "Bio" geschaffen wurde, versteht sich fast von selbst. Heiliger Luca, schick uns mehr davon!
Für Nachschub sollte gesorgt sein, denn neben den arbeitenden Destillerien hat Gargano, der schon mit Maestro Capovilla auf Marie-Galante seinen "Rhum Rhum" brannte, von der haitianischen Verwaltung die Erlaubnis zum Betrieb einer eigenen Clairindestillerie erhalten. Ich habe selten so große Vorfreude verspürt.
Anmerkung: Die Verärgerung darüber, dass der edle Stoff in Spanien, Italien, Frankreich oder UK gekauft werden muss, hält sich bei mir in Grenzen. Das bin ich mittlerweile gewohnt.
Sonntag, 15. Juni 2014
Samstag, 14. Juni 2014
The Decade Of Rum: Oh, my sweet rum!
"My sweet rum (hallelujah)
Hm, my rum (hallelujah)
Hm, my rum (hallelujah)"
(nach George Harrison, "My Sweet Lord", 1970)
Ein an Spirituosen grundsätzlich interessierter Mensch hat mich kürzlich wissen lassen, dass nach seinem Wissen "Rum immer aus Neutralsprit plus Farbstoff plus zugesetzter künstlicher Geschmacksstoffe" bestehe. Der ganze Kram über Fasslagerung usw. sei schlichtweg gelogen (oder eben Marketing). Hm, danke für die Information.
In den letzten Monaten ist aber ein Thema hochgeköchelt, das vorher schon unter Insidern bekannt war: Das Nachsüßen von Rum mittels Zucker. Hä? Rum wird doch eh aus Zucker gemacht. Warum sollte man da nochmal Zucker reinkippen? Antwort: Weil der mehr oder weniger süße Geschmack der Basismaterialien Melasse (eher bitter), Zuckersirup (mehr) oder frischem Zuckerrohrsaft (weniger) während des Herstellungsprozesses verloren geht. Ja, aber warum wird dann überhaupt nachgesüßt? Eine gute Frage.
Diese Frage sollte man den Herstellern stellen, die diese Technik anwenden. Aber wer ist das denn? Auf diese Frage gibt es Antwort. Von den schwedischen und finnischen (!) Alkoholhandelsunternehmen Systembolaget bzw. Alko existieren Ergebnisse aus Laboruntersuchungen, die den Zuckergehalt bestimmter Rumabfüllungen in Gramm pro Liter Rum festgestellt haben. Hier ein Beispiel dieser "offiziellen" Resultate:
Eine andere Quelle ist der dänische Blogger Johnny Drejer, der mittels eigener Messungen mit dem Alkoholometer mittlerweile eine stattliche Zahl von Rumabfüllungen ausgemessen hat. Seine Charts decken sich mit den Vergleichszahlen der o.g. staatlichen Unternehmen und können daher durchweg als sachlich richtig bezeichnet werden (Zur genauen Beschreibung der Methode und Herrn Dreyers Schlüssen, bitte ich dessen Webseite zu besuchen). Die Erkenntnis daraus: Wenn gesüßt wird, dann spielt sich das offenbar meist bei rund 15-40g/L ab. Ob das ein noch vertretbarer Wert ist, sollte jeder selbst entscheiden. Verrühren Sie doch einfach mal 30g Zucker in einem Liter Wasser und kosten Sie diese "neutrale" Zuckerlösung ohne Rumaromen.
Fazit: Augen auf beim Rumkauf! Lassen Sie sich nichts vormachen. Ich persönlich würde gesüßte Rums nicht generell als maskierte Banditen bezeichnen oder sie generell abwertend betrachten. Dafür mag ich viel zu viele davon sehr gerne. Allerdings schreiben wir das Jahr 2014, in dem die größte (Marken)Vielfalt mit der größten Verfügbarkeit von sehr gutem (ungesüßtem) Rum einhergeht. Der mündige Verbraucher sollte auf seinem Recht auf Information und Aufklärung bestehen können, wenn er schon Spirituosen kaufen soll, die so teuer waren wie noch nie (Stichwort: Super-Super-Premium). Die Ausreden der Spirituosenindustrie ("kommt vom Fass", "haben wir schon vor 100 Jahren so gemacht") können mich auf jeden Fall nicht überzeugen.
Besonders viele Fragezeichen wirft m.E. auch Alexandre Gabriels Vergleich mit der Messerspitze Salz in Süßspeisen auf: Wenn in alte und teure Cognacs im Gegensatz zu den Kaufhausabfüllungen keine Dosage wandert, er aber in seinen 2013 abgefüllten 80-Euro-Rum "Plantation Trinidad 1989 Single Cask Abel Ferrand Finish" gleich 39g/L Zucker mischen musste, muss das ein ziemlich grausliges Zeug gewesen sein, oder? (War es natürlich nicht). Vielleicht wird die Sache auch mal ein Thema für die ACR-Initiative, die bisher (wie die EU) den Zuckerzusatz ohne besonderes Limit erlaubt.
Und noch ein Tip: Versuchen Sie es mit ungesüßten, nicht kältefiltierten und nicht nachträglich eingefärbten (die nächste Baustelle!) Rums von unabhängigen Abfüllern. Davon gibt es seit zwei Jahren so viele wie nie zuvor zu kaufen!
Wie schrieb mal ein Forist in einer bedeutenden Rumcommunity? - "Meine Süßrumperiode ist vorbei". In diesem Sinne: With a bottle of rum and a yo-ho-ho!
Hm, my rum (hallelujah)
Hm, my rum (hallelujah)"
(nach George Harrison, "My Sweet Lord", 1970)
Ein an Spirituosen grundsätzlich interessierter Mensch hat mich kürzlich wissen lassen, dass nach seinem Wissen "Rum immer aus Neutralsprit plus Farbstoff plus zugesetzter künstlicher Geschmacksstoffe" bestehe. Der ganze Kram über Fasslagerung usw. sei schlichtweg gelogen (oder eben Marketing). Hm, danke für die Information.
In den letzten Monaten ist aber ein Thema hochgeköchelt, das vorher schon unter Insidern bekannt war: Das Nachsüßen von Rum mittels Zucker. Hä? Rum wird doch eh aus Zucker gemacht. Warum sollte man da nochmal Zucker reinkippen? Antwort: Weil der mehr oder weniger süße Geschmack der Basismaterialien Melasse (eher bitter), Zuckersirup (mehr) oder frischem Zuckerrohrsaft (weniger) während des Herstellungsprozesses verloren geht. Ja, aber warum wird dann überhaupt nachgesüßt? Eine gute Frage.
Diese Frage sollte man den Herstellern stellen, die diese Technik anwenden. Aber wer ist das denn? Auf diese Frage gibt es Antwort. Von den schwedischen und finnischen (!) Alkoholhandelsunternehmen Systembolaget bzw. Alko existieren Ergebnisse aus Laboruntersuchungen, die den Zuckergehalt bestimmter Rumabfüllungen in Gramm pro Liter Rum festgestellt haben. Hier ein Beispiel dieser "offiziellen" Resultate:
Eine andere Quelle ist der dänische Blogger Johnny Drejer, der mittels eigener Messungen mit dem Alkoholometer mittlerweile eine stattliche Zahl von Rumabfüllungen ausgemessen hat. Seine Charts decken sich mit den Vergleichszahlen der o.g. staatlichen Unternehmen und können daher durchweg als sachlich richtig bezeichnet werden (Zur genauen Beschreibung der Methode und Herrn Dreyers Schlüssen, bitte ich dessen Webseite zu besuchen). Die Erkenntnis daraus: Wenn gesüßt wird, dann spielt sich das offenbar meist bei rund 15-40g/L ab. Ob das ein noch vertretbarer Wert ist, sollte jeder selbst entscheiden. Verrühren Sie doch einfach mal 30g Zucker in einem Liter Wasser und kosten Sie diese "neutrale" Zuckerlösung ohne Rumaromen.
(Foto: Johnny Dreyer)
Eine weitere Milchmädchenerkenntnis ist, dass Rum, der dem Genießer als relativ süß vorkommt, meist auch (nach)gesüßt ist. In Einzelfällen wurde sogar etwas zu viel des Guten beigemengt. Einsamer Spitzenreiter der Rum-Zucker-Hitparade ist der schokoladig-orangige Muskelprotz A.H. Riise Royal Danish Navy Rum, der mit mehr als 60g/L zu Buche schlägt. Ich kann mich noch gut an die Dame erinnern, die mir die Riise-Range beim Berliner Rumfestival näher bringen und mir dabei die schöne Marketingstory um Herrn Riise, dessen Tätigkeit in der Karibik im 19. Jahrhundert usw. glaubhaft machen wollte. Der Plombenzieher wird allerdings in Flensburg geblendet (immerhin von einem Dänen auf den Markt gebracht) und hat wohl weder mit Herrn Riise noch mit der dänischen Marine irgendetwas zu tun. Die nette Dänin hatte übrigens ganz schön klebrige Finger. Aber das nur nebenbei...
(Foto: Johnny Dreyer)
Wir waren beim Warum. Und dazu hat The Floating Rum Shack kürzlich Alexandre Gabriel, den Verantwortlichen für Plantation Rum, und Richard Seale, Boss der Foursquare Distillery, getrennt von einander befragt. Stark verkürzt dargestellt verteidigt Gabriel seine Vorgehensweise - d.h. die Zuckerzugabe von 9-39g/L je nach Abfüllung - mit dem Hinweis auf traditionelle Methoden (Stichwort: Dosage), die lediglich der geschmacklichen Abrundung bzw. Verbesserung dienen sollen. Seale sieht das etwas anders. Er steht für eine Obergrenze, wie sie in der EU z.B. für die Zuckerung bei Cognac existiert. Und er sieht die Notwendigkeit einer Diskussion und vergleicht diese nicht mit den Rumqualitäts/ Glaubensfragen 'Melasse oder Zuckerrohrsaft' bzw. 'Potstill oder Columnstill'. Und warum er das so sieht? Zum einen steht er in der Tradition von Barbados, wo wie in Jamaika oder Martinique kein Zucker zugesetzt werden darf. Zum anderen sollte die Abgrenzung zwischen Rum und Sippingrum (wenn man eine solche vornehmen mag) nicht am Zusatz einer Dosage - auch wenn sie womöglich aus Rum und hochwertigem Zucker besteht und 10 Jahre Fassreifung erfährt (Ich bezweifle ernsthaft, dass auch nur ein Produzent eine solche Mischung verwendet) - festgemacht werden.
(Foto: Johnny Dreyer)
Fazit: Augen auf beim Rumkauf! Lassen Sie sich nichts vormachen. Ich persönlich würde gesüßte Rums nicht generell als maskierte Banditen bezeichnen oder sie generell abwertend betrachten. Dafür mag ich viel zu viele davon sehr gerne. Allerdings schreiben wir das Jahr 2014, in dem die größte (Marken)Vielfalt mit der größten Verfügbarkeit von sehr gutem (ungesüßtem) Rum einhergeht. Der mündige Verbraucher sollte auf seinem Recht auf Information und Aufklärung bestehen können, wenn er schon Spirituosen kaufen soll, die so teuer waren wie noch nie (Stichwort: Super-Super-Premium). Die Ausreden der Spirituosenindustrie ("kommt vom Fass", "haben wir schon vor 100 Jahren so gemacht") können mich auf jeden Fall nicht überzeugen.
Besonders viele Fragezeichen wirft m.E. auch Alexandre Gabriels Vergleich mit der Messerspitze Salz in Süßspeisen auf: Wenn in alte und teure Cognacs im Gegensatz zu den Kaufhausabfüllungen keine Dosage wandert, er aber in seinen 2013 abgefüllten 80-Euro-Rum "Plantation Trinidad 1989 Single Cask Abel Ferrand Finish" gleich 39g/L Zucker mischen musste, muss das ein ziemlich grausliges Zeug gewesen sein, oder? (War es natürlich nicht). Vielleicht wird die Sache auch mal ein Thema für die ACR-Initiative, die bisher (wie die EU) den Zuckerzusatz ohne besonderes Limit erlaubt.
Und noch ein Tip: Versuchen Sie es mit ungesüßten, nicht kältefiltierten und nicht nachträglich eingefärbten (die nächste Baustelle!) Rums von unabhängigen Abfüllern. Davon gibt es seit zwei Jahren so viele wie nie zuvor zu kaufen!
Wie schrieb mal ein Forist in einer bedeutenden Rumcommunity? - "Meine Süßrumperiode ist vorbei". In diesem Sinne: With a bottle of rum and a yo-ho-ho!
Freitag, 13. Juni 2014
The Decade Of Rum: Das Authentic Caribbean Rum (ACR)-Siegel
"She told me that her Dad was loaded,
I said 'In that case I'll have a rum and Coca-Cola.'
She said 'Fine':"
I said 'In that case I'll have a rum and Coca-Cola.'
She said 'Fine':"
("Common People",
Pulp,1995)
Eine erste auch in Deutschland spürbare ACR-Aktion findet derzeit statt: Vierstündige Rum-Schulungen in allen größeren und kleineren deutschen Barstädten für das interessierte Gastropersonal. Durch die Reihe führt Bastian Heuser (man hätte keinen Besseren finden können), der mit der ihm eigenen Sachlichkeit durch die theoretische Materie und die Verkostung von 15 Rumabfüllungen führt, die sich preislich im Bereich der sog. Mixrums bzw. Low Premium bewegen. Also alles baraffiner Stoff. Was bleibt dabei kleben?
Zum einen sollte meiner Meinung nach ankommen, dass Rum nicht gleich Rum ist. Auch wenn der eine oder andere Vertreter (zumindest bei der Veranstaltung im Münchner Zephyr) als "nicht sehr spannend" deklariert wurde, beinhaltet das ACR-Portfolio eine sehr große Bandbreite von Destillaten aus unterschiedlichen Ländern/Destillerien und dokumentierte damit die unterschiedlichen Stile, Herstellungsweisen etc. etc. Nimmt einen solchen breiten Vergleich vor, stechen unbekannte Flaschen wie der Schaumzuckerbananen-Rum "Old Grog" von Clarke's Court, der einen äußerst schmackhaften Bananendaiquiri (ja ja) ermöglicht, oder eben vermeintlich alte Bekannte heraus, die man (oder zumindest ich) fast schon wieder ein bisschen vergessen hat. Sehr gut gefallen hatte mir auch der weiße Rum der St. Nicholas Abbey (Barbados). Mit ins Portfolio der auserwählten Buddels kommen in Kürze die beiden Jamaikaner Hampden Estate Gold und Monymusk Special Reserve (Tip!) und der "Vintage" benannte Rum der Westerhall Estate (Grenada).
Fazit: Das ACR-Siegel kommt in naher Zukunft auf die (offiziellen) Flaschen aller beteiligten Destillerien. Es wäre also sinnvoll, wenn z.B. spezialisierte Händler in ihren Artikelbeschreibungen besonders darauf hinweisen würden, denn das goldene Zeitalter des Rum hat (nach ein paar Hundert Jahren Vorlaufzeit) gerade begonnen!
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