Nach dem BCB ist vor dem BCB! Diese tröstenden Worte gelten für Alle. Für die, die dieses Jahr nicht in Berlin beim alljährlichen Barconvent, dem Auftrieb der Barszene, sein konnten und ebenso für die, die dort waren und die Hauptstadt nur widerwillig aber dafür mit schweren Lidern und bleichen Gesichtern wieder verlassen haben.
Wer also nicht dort war, möchte nun vielleicht auch keinen überschwänglich ausgeschmückten Reisebericht lesen. Wer aber die zwei und mehr Tage in Berlin residieren dufte, der weiß ja schon alles. Ich begnüge mich also mit einem kurzen Abriss des gebotenen Programms in ein paar Stichpunkten.
Vodka 1: Auf einer großen Holztafel standen ein ganze Menge Flaschen vom polnischen Wässerchen (Polen = Gastland 2011) zur freien Verfügung bereit. Super! Kein mühsames Erbetteln und Ersäuseln spärlicher Proben, sondern freien Zugriff auf ausgewählte Neutralisationsprodukte. Das angebotene "Perrier" verstaubte so in den zahlreichen Kühlschränken (zumindest meine Ration).
Rum 1: Bemerkenswert viele Neuheiten und Ankündigungen weiterer Updates und Premiums (siehe auch "German Rumfestival"). Und ich dachte, es gibt schon alles. Rum ist im Kommen? - Auch gut. Her mit dem ganzen Zeug!
American Whiskey: Ein sehr schönes Tasting mit dem Allen Katz, der (übrigens völlig zurecht) auf die großartigen Single Barrel-Abfüllungen und jährlichen Limited Editions von "Four Roses" hinwies und uns den brandneuen (und einfach grandiosen) "Parker's Heritage 2011" (50% Vol.) mit Cognacfassfinish aus den Staaten mitbrachte. Thank you, Mr. Katz!
Malt Whisky 1: "Ardbeg" war wieder mit einem Outdoorstand bzw. eigener Embassy vertreten - Parmesanleib, Landladies (aus München!) und Alligator inklusive. Mit zur Delegation gehörte Distillery Manager Mickey Heads, der auch zweimal ein Tasting leitete (gesonderter Bericht folgt). Die Wetterschlacht gegen die Konkurrenz von "Jack Daniel's", die auf der anderen Seite des Innenhofs ihre Zelte aufgeschlagen hatte, ging klar an die Schotten: 2 Tage Nieselregen.Vodka 2: Noch ein Sparkling Vodka auf den wir gewartet haben. Sachen gibts, die brauchts nicht wirklich, oder? Naja, die Hostessen (sagt man das so?) waren - äh - auch ziemlich - sparkling... Der Stand war Porno.Rum 2: Tasting mit dem Global Rum Ambassador Ian Burrell. Wie immer mehr als nur unterhaltsam. Aber auch hier Neues: Die Rums von "R. St Barth". Agricoles von den "French West Indies". Starkes Zeug, bei dem Fussballprofi Mikaël Silvestre (war persönlich anwesend) die Finger im Spiel hat. Wir hatten den "Cool" (50% Vol., 1 Jahr in Stahltanks gelagert) und den "Authentique" (43% vol., 12 Jahre in re-charred bourbon barrel) in der Aufstellung. Soll aber nicht so ganz billig sein das Vergnügen. Kicker und Rum. Gleiches gilt für die neue Version des "10 Cane". Gut war der schon. Aber kann man einen Nightclub-Premium-Rum ernst nehmen? Ganz prima waren auch die mehr oder weniger neuen Abfüllungen von "Banks" (41% vol., 7 Jahre) und "Plantation" mit dem "Guatemala Gran Anejo" (42% Vol.). Für die Wow-Effekte sorgten "Smith & Cross" (57% Vol.) und "Lemon Hart" (75,5% Vol.). Das Solerasystem wurde mit menschlichen Fässern sehr anschaulich erklärt. Insgesamt ein Höhepunkt der Veranstaltungen im neuen Tastingroom.Malt Whisky 2: Gut, der BCB ist keine Whiskymesse. Das Bowmoretasting war aber ok und insbesondere der neue Tempest (III) ein guter, ja sogar ein wenig außergewöhnlicher Islaymalt. Herrn Deibel als Experten kennt man, aber ist Referent Paul Goodwin nun Brand Ambassador oder Business Development Executive oder beides?Rum 3: "Bacardi", eine offenbar nicht ganz unbekannte Marke, hatte mit dem "Reserva Limitada" und dem "Casa Bacardi Gran Reserva" gleich zwei superrare Flaschen am Stand. Wäre schön, wenn dieser feine Stoff auch mal regulär im Laden zu kaufen wäre. Dort steht jetzt der "Bacardi Oakheart", ein sehr vanilliger Spirit Drink. Gar nicht mal schlecht.
So. Der BCB 2011 war eine durch und durch gelungene Show und alle Mühen haben sich gelohnt. Bemerkenswert war die galoppierende Internationalisierung. Irgendwie waren jedem von mir Befragten andere Nationen aufgefallen, die in Rudelstärke eingefallen waren (Letten, Schweden, Polen, Neapolitaner, Wiener,...). Ende der Vorstellung. Hier noch ein paar Schnappschüsse... See You Next Year!
Tip: Über die Vorträge und Seminare des BCB berichtet u.a. "Mixology".
Sonntag, 16. Oktober 2011
Mittwoch, 12. Oktober 2011
German Rumfestival Berlin 2011
Zur Einstimmung auf den "BCB 2011" lag es auf der Hand einen Besuch beim "German Rumfestival" in Berlin einzuplanen. Offenbar hatten am letzten Sonntagnachmittag einige andere Aficionados, Connaisseure und Nerds den gleichen Gedanken und so wurde die erste Ausgabe dieser Veranstaltung eine rundum gelungene kleine Messe auch was den Besucherzuspruch betraf. Wobei - so klein war das gar nicht, was Organisator Dirk Becker und sein Team in die Berliner Station hineingezaubert hatten. Eine Reihe namhafter Rumproduzenten und Vertriebe gaben sich die Ehre und dem Besucher vierlei Informationen zum Zucker(rohr)destillat an die Hand bzw. ins hauseigene Tastingglas.Neben der stets belagerten "Zacapa"-Lounge fielen mir einige Neuvorstellungen auf: Der "Clément By Night" (40% Vol.) klingt nach gehobenem Mixrum und kommt in seiner schwarzglänzenden Flasche auch optisch mit reichlich "Bling-Bling" daher. Mich riss er aber nicht vom Hocker, was vielleicht auch daran lag, dass der zuständige Herr am Messestand irgendwie keine Lust hatte sein Produkt anzupreisen. Ja, dann eben nicht. Besser machten das die netten Damen, die für die Jamaikaner von "Hampden Estate" am Start waren und den betörenden weißen Overproof "Rum Fire" (63% Vol.) unter das Rumvolk brachten. Hoppla: Wenig Bling, aber viel Geschmack! Den offerierten auch drei Jahrgangsagricoles von "Damoiseau". Wenn ich mich zwischen dem "Millesime 1980" (60,3% Vol.) und den beiden "Brut De Fut" aus 1989 (58,4% Vol.) bzw. 1991 (54,4% Vol.) entscheiden müsste, so wäre der eingängigere und etwas süßere 1989er mein Favorit. Verdammt gut sind sie aber alle drei - leider aber auch hochpreisig. Nicht so toll fand ich den neuen Gewürzten von "Bristol Classic Rum" namens "Bristol Black" (42% Vol.). Vielleicht liegt es auch generell an der Kategorie der Spiced Rums, die mir persönlich nicht viel geben, aber dieser Vertreter war zwar fruchtig, erinnerte dabei aber mehr an rote Waldbeeren o.ä. Da hat "Bristol" viel interessantere Sachen im Portfolio. Das Angebot der wohlbekannten Bittersköche "The Bitter Truth" aus München wurde dieser Tage gleich um mehrere neue Artikel erweitert. Neben zwei sehr empfehlenswerten (Bio-)Barsirups (Grenadine und Passionsfrucht) gibt es jetzt auch "Golden Falernum" (18% Vol.) und "Rose Water". In limitierter Edition hat zudem eine Abfüllung namens "Havana Bitters" das Licht der Welt erblickt. Diese ist aber nicht im regulären Handel erhältlich. Unter dem Label "Tiki Lovers" laufen in Zukunft nicht nur die bereits erwähnten Sirups, sondern insbesondere ein "White Rum" (42% Vol.) und ein "Dark Rum" (57% Vol.). Beide waren im renommierten "Mixology"-Magazin zuletzt recht kritisch beleuchtet worden. Im Rahmen der Preisverleihung des "German Rum Festivals" für die besten Brände gewann der "Dark" jedoch bei den Overproofs und beeindruckte die internationale Jury so nachhaltig, dass mir ein Mitglied dieses Gremiums später gestand, dass diese Abfüllung den Titel "Best Of Show" gewonnen hätte, wenn dieser vorher ausgeschrieben worden wäre.Ein anderer Siegerrum - allerdings bei den 15-30jährigen - war der "Atlantico Private Cask", der zugleich das Flagschiff der neuen "Atlantico"-Range im Vertrieb von "Sierra Madre" ist, die von einem feinfruchtigen "Platino" (verlangt nach einem Daiquiri) und dem etwas kantigeren "Reserva" ergänzt wird (alle 40% Vol.). Erwähnen darf ich auch das durchweg tolle Angebot der "Rumcompany", die mit eigenem Stand zugegen war und dort ihre eigenen Blends (sehr, sehr gut der 20jährige!) aus aller (Rum)Welt zur Verkostung anbot.
Cocktailwettbewerbe, Vorträge und ein Zombieseminar mit Tiki-Mastermind Jeff 'Beachbum' Berry rundeten das Programm ab. Ich freue mich also schon jetzt auf das Rumfestival 2012, da die Kreation immer weiterer Premiumabfüllungen (wie z.B. "Diplomatico Ambassador" oder "Centenario 25 und 30") und der permanenten Ergänzung bzw. Weiterentwicklung der unteren Segmente offenbar noch mehr Fahrt aufnimmt und es so auch im nächsten Jahr wieder viel Neues zu bestaunen geben wird.
Cocktailwettbewerbe, Vorträge und ein Zombieseminar mit Tiki-Mastermind Jeff 'Beachbum' Berry rundeten das Programm ab. Ich freue mich also schon jetzt auf das Rumfestival 2012, da die Kreation immer weiterer Premiumabfüllungen (wie z.B. "Diplomatico Ambassador" oder "Centenario 25 und 30") und der permanenten Ergänzung bzw. Weiterentwicklung der unteren Segmente offenbar noch mehr Fahrt aufnimmt und es so auch im nächsten Jahr wieder viel Neues zu bestaunen geben wird.
Samstag, 8. Oktober 2011
Horse's Neck - A Popular Summer Drink
Der "Horse's Neck" (oder auch "Horses' Neck") war definitiv mein Sommerlongdrink 2011. Das ist keine große (und auch keine kleine) Sensation, war für mich aber Anlass genug dem Drink einmal auf den Grund zu gehen. Das heutzutage weitverbreitete Rezept sieht bekanntermaßen so aus:
5-6cl Bourbon Whiskey
2 Dashes Angostura Bitters
Ginger Ale
Glas: Highball/Collins
Deko: Zitronenspirale
Die Schale einer ganzen Zitrone wird spiralförmig in einem Stück abgeschält und dann so ins Glas "gehängt", dass ein Ende über den Glasrand hinausragt. Eiswürfel, Bourbon und Bitters dazu, mit Ginger Ale auffüllen und kurz umrühren.Blicken wir auf diese doch relativ simple Rezeptur, so stehen wir auch gleich vor einem historischen Mysterium: Der Drink enthielt zunächst offenbar weder Bourbon noch Bitters, sondern war eigentlich nur ein durch die Zitronenspirale aufgepepptes Ginger Ale! Die Bezeichnung leitet sich von der über den Glasrand ragenden Schale ab, die - leicht eingerollt - durchaus dem eleganten Kopf eines rassigen Rennpferdes ähneln kann (auf dem obigen Foto - naja - eher nicht). Wohl auch nur wegen diesem einprägsamen Namen und dem damit einhergehenden Bezug zum seinerzeit äußerst beliebten Pferdesport fand das alkoholfreie Getränk Einlass in zahlreiche Publikationen des ausklingenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Mehr dazu und zum aufsehenerregenden "Billing's Horseback Dinner" findet sich hier.
Der 2010 erschienene Leitfaden "Cocktailian" bestätigt die Geburt als "Mocktail" und verweist bezüglich der alkoholischen Version auf "Harry Johnson's Bartender's Manual" (1888), wo bereits die heute aktuelle Zusammensetzung wiedergegeben wurde. In der mir vorliegenden Ausgabe von 1900 steht geschrieben:
Horse's Neck
(Use a large size fizz glass.)
Peel a lemon in one long string, place in glass, so that one end hangs over the head of glass;
2 or 3 dashes of bitters (Boker's genuine only);
1 wine glass whiskey, rye, Scotch, or Irish, as requested;
3 or 4 lumps of broken ice;
Fill up with syphon vichy, or ginger ale, if required.
So weit - so gut. Interessanterweise führen eine ganze Reihe (insbesondere später erschienener) renommierter Cocktailbüchlein lediglich das alkoholfreie Pferd (z.B. "Modern American Drinks" von George J. Kappeler - 1895, "Drinks" von Jacques Straub - 1914, "Recipes" herausgegeben von der "Chicago Bartenders and Beverage Dispensers' Union" - 1945, "688 Recipes For Drinks" herausgegeben von der "Herbert Jenkins Limited" - 1934, "Jack's Manual" von Jacob A. Grohusko - 1933, "Bottoms Up" von Ted Saucier - 1951) während praktisch parallel dazu andere Quellen Whiskey, Brandy, Rum oder Gin und zum Teil auch Bitters hinzufügen (z.B. "Der Mixologist" von Carl A. Seutter - 1909, "World Drinks" von "Cocktail Bill" Boothby - 1934, "The Saloon In The Home..." von Ridgely Hunt & George S. Chappell - 1930, "What'll Have?" von Julien J. Proskauer - 1933). Ein wenig aus der Reihe tanzt ein Werbeheftchen von "Dr. Siegert's Angostura Bitters" (1908), wo der "Horse's Neck" gleich zweimal auftaucht: Einmal die bekannte Version ohne Spirituosen und ohne Bitters (!) - und einmal die folgende außergewöhnliche Beschreibung:
"Place square block of ice and the peel of one lemon in tall glass; add one bottle ginger-ale; put one loaf of sugar in teaspoon and saturate thoughly with Angostura Bitters. Drop the sugar and Bitters gently on top of the ice and lemon peel so that the Bitters will percolate slowly through the drink."
David A. Embury gibt in seinem großartigen "The Fine Art Of Mixing Drinks" (1948) eine Erklärung für das beschriebene Rezeptedurcheinander. Zunächst wäre der "Horse's Neck" ein Whiskeydrink gewesen, der dann zu einem Prohibitiondrink - eben unter Verzicht auf den Whiskey - wurde. Anschließend kam nach Embury die Ginversion hinzu. Die alkoholfreie Variante heißt bei ihm "Plain Horse's Neck" und die mit Gin, Scotch, Irish, Rye, Rum, Applejack oder Bourbon zubereitete "Horse's Neck With A Kick". In Robert Vermeires "Cocktails - How To Mix Them" (1922) nennt sich dieses Tierchen "Stiff Horse's Neck". Beide verzichten ebenso wie Harry MacElhone in "Harry's ABC..." (1919) auf jeglichen Zusatz von Cocktailbitters.
Hm. Also ich bin jetzt kein bisschen klüger als vor dieser kleinen Studie. Offenbar gab es Jahrzehnte lang keine strikte Linie außer "spiralförmige Schale und Ginger Ale". Auch recht. Was ich aber sicher weiß ist, dass mir das Pferdchen mit einem sanften (z.B. "Maker's Mark" oder "Pure Kentucky XO") wie mit einem kräftigeren Bourbon (z.B. "Wild Turkey Rare Breed") ebenso gut mundet wie mit einem würzigen Rye (z.B. "Sazerac 18y"), denn die Verbindung mit der frischen Zitronenzeste, feinen Bitters und einem spritzigen Ginger Ale ergibt eine belebende und bestens ausbalancierte Mischung. Mittlerweile hat sich nach meinen Beobachtungen die Zubereitungspraxis des Münchner Lokals "Schumann's" verbreitet, wo der Angostura auf die Innenseite der Zitronenspirale aufgetragen wird. Sehr elegant!
5-6cl Bourbon Whiskey
2 Dashes Angostura Bitters
Ginger Ale
Glas: Highball/Collins
Deko: Zitronenspirale
Die Schale einer ganzen Zitrone wird spiralförmig in einem Stück abgeschält und dann so ins Glas "gehängt", dass ein Ende über den Glasrand hinausragt. Eiswürfel, Bourbon und Bitters dazu, mit Ginger Ale auffüllen und kurz umrühren.Blicken wir auf diese doch relativ simple Rezeptur, so stehen wir auch gleich vor einem historischen Mysterium: Der Drink enthielt zunächst offenbar weder Bourbon noch Bitters, sondern war eigentlich nur ein durch die Zitronenspirale aufgepepptes Ginger Ale! Die Bezeichnung leitet sich von der über den Glasrand ragenden Schale ab, die - leicht eingerollt - durchaus dem eleganten Kopf eines rassigen Rennpferdes ähneln kann (auf dem obigen Foto - naja - eher nicht). Wohl auch nur wegen diesem einprägsamen Namen und dem damit einhergehenden Bezug zum seinerzeit äußerst beliebten Pferdesport fand das alkoholfreie Getränk Einlass in zahlreiche Publikationen des ausklingenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Mehr dazu und zum aufsehenerregenden "Billing's Horseback Dinner" findet sich hier.
Der 2010 erschienene Leitfaden "Cocktailian" bestätigt die Geburt als "Mocktail" und verweist bezüglich der alkoholischen Version auf "Harry Johnson's Bartender's Manual" (1888), wo bereits die heute aktuelle Zusammensetzung wiedergegeben wurde. In der mir vorliegenden Ausgabe von 1900 steht geschrieben:
Horse's Neck
(Use a large size fizz glass.)
Peel a lemon in one long string, place in glass, so that one end hangs over the head of glass;
2 or 3 dashes of bitters (Boker's genuine only);
1 wine glass whiskey, rye, Scotch, or Irish, as requested;
3 or 4 lumps of broken ice;
Fill up with syphon vichy, or ginger ale, if required.
So weit - so gut. Interessanterweise führen eine ganze Reihe (insbesondere später erschienener) renommierter Cocktailbüchlein lediglich das alkoholfreie Pferd (z.B. "Modern American Drinks" von George J. Kappeler - 1895, "Drinks" von Jacques Straub - 1914, "Recipes" herausgegeben von der "Chicago Bartenders and Beverage Dispensers' Union" - 1945, "688 Recipes For Drinks" herausgegeben von der "Herbert Jenkins Limited" - 1934, "Jack's Manual" von Jacob A. Grohusko - 1933, "Bottoms Up" von Ted Saucier - 1951) während praktisch parallel dazu andere Quellen Whiskey, Brandy, Rum oder Gin und zum Teil auch Bitters hinzufügen (z.B. "Der Mixologist" von Carl A. Seutter - 1909, "World Drinks" von "Cocktail Bill" Boothby - 1934, "The Saloon In The Home..." von Ridgely Hunt & George S. Chappell - 1930, "What'll Have?" von Julien J. Proskauer - 1933). Ein wenig aus der Reihe tanzt ein Werbeheftchen von "Dr. Siegert's Angostura Bitters" (1908), wo der "Horse's Neck" gleich zweimal auftaucht: Einmal die bekannte Version ohne Spirituosen und ohne Bitters (!) - und einmal die folgende außergewöhnliche Beschreibung:
"Place square block of ice and the peel of one lemon in tall glass; add one bottle ginger-ale; put one loaf of sugar in teaspoon and saturate thoughly with Angostura Bitters. Drop the sugar and Bitters gently on top of the ice and lemon peel so that the Bitters will percolate slowly through the drink."
David A. Embury gibt in seinem großartigen "The Fine Art Of Mixing Drinks" (1948) eine Erklärung für das beschriebene Rezeptedurcheinander. Zunächst wäre der "Horse's Neck" ein Whiskeydrink gewesen, der dann zu einem Prohibitiondrink - eben unter Verzicht auf den Whiskey - wurde. Anschließend kam nach Embury die Ginversion hinzu. Die alkoholfreie Variante heißt bei ihm "Plain Horse's Neck" und die mit Gin, Scotch, Irish, Rye, Rum, Applejack oder Bourbon zubereitete "Horse's Neck With A Kick". In Robert Vermeires "Cocktails - How To Mix Them" (1922) nennt sich dieses Tierchen "Stiff Horse's Neck". Beide verzichten ebenso wie Harry MacElhone in "Harry's ABC..." (1919) auf jeglichen Zusatz von Cocktailbitters.
Hm. Also ich bin jetzt kein bisschen klüger als vor dieser kleinen Studie. Offenbar gab es Jahrzehnte lang keine strikte Linie außer "spiralförmige Schale und Ginger Ale". Auch recht. Was ich aber sicher weiß ist, dass mir das Pferdchen mit einem sanften (z.B. "Maker's Mark" oder "Pure Kentucky XO") wie mit einem kräftigeren Bourbon (z.B. "Wild Turkey Rare Breed") ebenso gut mundet wie mit einem würzigen Rye (z.B. "Sazerac 18y"), denn die Verbindung mit der frischen Zitronenzeste, feinen Bitters und einem spritzigen Ginger Ale ergibt eine belebende und bestens ausbalancierte Mischung. Mittlerweile hat sich nach meinen Beobachtungen die Zubereitungspraxis des Münchner Lokals "Schumann's" verbreitet, wo der Angostura auf die Innenseite der Zitronenspirale aufgetragen wird. Sehr elegant!
Mittwoch, 5. Oktober 2011
Franziskaner Royal - Das Vintage Weissbier
Nun gut. Es ist leicht auf die einfallslosen deutschen Bierbrauer und ihr Reinheitsgebot einzuprügeln. Aber irgendwann sieht man den Wald vor lauter Billigbier und Biermischgetränken eben nicht mehr. Der Bierkonzern "InBev" versucht es dieser Tage mit seinem neuen Jahrgangsweissbier "Franziskaner Royal", das in jährlich wechselnder Rezeptur und in "einer hochwertigen Optik mit den dominierenden Farben Anthrazit und Gold sowie einer Kronkorkenfolierung" (Alarmglocke!) zum Verbraucher kommt. Aber will der das überhaupt? - Nun, das wird man sehen. Immerhin wird für das Königliche ein höherer Preis als für die anderen "Franziskaner" aufgerufen.Ausschlaggebend für den Erfolg des Vintagebieres ist sicherlich der erste Schuß. Und dieser Jahrgang 2011 ging für mich gründlich daneben. Schon beim Einschenken machen die Tester große Augen: "Was so hell? Ich hätt' da jetzt was Dunkleres erwartet." Stimmt. Das Super Premium Weissbier wirkt zunächst wie ein Kristallweizen. Ein Spritzer Hefe, der unvermittelt aus der Flasche gleitet, trübt das ganze dann doch noch ein. Die feinporige Schaumkrone steht hübsch solide im Glas. Dafür ist die geschmackliche Performance eine Enttäuschung. Die versprochene Frucht und die zarte Bitternote sind nur rudimentär bis gar nicht vorhanden. Alles wirkt flach und eher einfallslos säuerlich. Ist das ein "neues Geschmackserlebnis"? - Eigentlich nein, denn das zumindest spritzige Gesöff erinnert eher an einen Ready-To-Drink-Radler/Russn (allerdings ohne den obligatorischen Süßstoffgeschmack) als an ein altbayerisches Weissbier. Das bekannte "Hefe-Weissbier Naturtrüb" aus gleicher Quelle ist dagegen schon ein komplex-geschmacklicher Muskelprotz.Ob die verantwortlichen Braumeister darauf nun wirklich stolz auf ihre Kreation sind, wie es der Werbetext kund tut, oder ob sich nur um ein aufgeplustertes Industriebier handelt, darf jeder Interessierte selbst entscheiden. U.a. wird ein 5-Flaschen-und-1-Glas-Probierpaket angeboten. Das eigens gestylte Weissbierglas sieht zwar modern aus, ist im gefüllten Zustand aber eher kippelig und es bleibt letztlich festzuhalten: "Biergläser kann man nicht trinken".
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