Freitag, 18. Dezember 2015

The Last Posts For 2015 - heute: Ron Del Cantinero

Nach nicht soooo guten Erfahrungen hatte ich mir eigentlich vorgenommen, keine Reviews auf Anregung von Freunden und guten Bekannten mehr zu schreiben, wenn die mit Sätzen à la "Hier mein neuer Whisky/Rum/Wodka/Obstbrand/Gin/Bier- und Kräuterlikör usw. Kannst Du da nicht was drüber schreiben?" ankommen. Falls man das Gesöff nicht über den grünen Klee lobt, ist man unten durch. Schreibt man nix, läufts genauso. Trotzdem hab ich mich wieder breitschlagen lassen und dann auch noch bei einem Rumblend. OMG!

Emanuele Ingusci ist ein überall geschätzter Barmann/-chef, der in seinem Barroom v.a. dem Rumdrink (ob pur oder im Cocktail) huldigt. Das war auch die Grundlage für die Idee eine eigene Rumabfüllung auf den Markt - oder besser: in die Bars dieser Welt - zu bringen. Aber es sollte keine hochprozentige Einzelfassabfüllung für Rumnerds werden, sondern ein Schmeichler, der auch als Mixrum seinen Mann steht. Aha.
Der Ron Del Cantinero (Arbeitstitel: "Vom Barmann für den Barmann") steht nun bereit und wartet mit folgenden Fakten auf Connaisseure und Barkeeper: Er ist ein Blend aus vier verschiedenen Rums aus zwei Ländern und einer Portweininfusion. Eine Portweininfusion? - Ja, Moment noch. Zunächst noch zu den Rums: Der eine ist ein junger Rum aus Martinique, der andere Rums kommt aus der Dominikanischen Republik und ist bis zu 21 Jahre alt. Zusammen bilden sie den Grundstock der gesamten Kreation (No Solera übrigens). Verhältnis Rum-Portweininfusion: 80:20. Tawny Port wird mit Vanilleschoten, Kakaobohnen und einer Gewürzmischung (Zimtblüte, Ingwer, Sternanis, Piment, Bittermandel und Nelke) infusioniert und/oder gespiced (das können sie benamsen wie sie wollen) und diese Aromenbombe kommt dann zum Rumblend. Abgefüllt wird mit 40% Vol. in 0,5-Literflaschen. Nachgezuckert wurde nicht. Das Modern-Retro-Etikett passt zu Kakao und Vanille mit seinem dunkelbraunen Hintergrund und den verspielten Goldapplikationen und wird vom Portrait des Herrn Papa geziert. Eine gelungene Reminiszenz.
Nun ist Rum & Port keine neue Kombi und funktioniert ja schon als eigener simpler Drink ziemlich gut. Was kann also der Infused Rum? Zunächst ist er eine üppige, ja schon schwere, Bombe mit dunklen roten Früchten, natürlich auch Vanille (aber nicht auf die billige, vordergründige Art) und auch dunkle Schokolade (ach was), die den Taster zunächst ziemlich einnimmt. Blendmeister Mario Gallone hat aber volle Arbeit geleistet und die Komponenten in ein stimmiges Miteinander gebracht. Wenn auch keine überreifen Holznoten heraustreten, so ist das doch ein gelungenes Werk - nicht zu überladen, komplex, aber auch für Anfänger geeignet (die noch in der Süßrumphase stecken), nicht zu süß, schon gar nicht zuckrig. Andere Probanden schmeckten den Kakao heraus - wieder andere die Vanille. Logo.
Aber ist es auch ein Rum der mit seinem recht humanen Alkoholgrad auch genug Rückgrat hat, um im Mixed Drink nicht abzusaufen? Dass er ein feines Dessert abgibt oder gut zum Kaffee (nicht in den Kaffee!) passt, ist klar. Ein Allrounder von der Sunny Side Of The Street? Nun, im Old-Fashioned sollte man mit Zuckerzugabe vorsichtig sein. Ein Stückerl Orangenzeste passt aber schön. Der Rum Manhattan braucht nur trockenen Wermut und - so empfiehlt Maestro Emanuele: Aromatic Bitters. Stimmt, zunächst bestimmt trockener Kakao das Bild, dann tritt nach einigen Minuten der Noilly deutlicher zu Tage und das ganze wird ein herrlicher Dry Manhattan. Noch schnell ein Rum Sour: Die Formel mit frischen Orangensaft und Limette (6cl Rum, 3cl O-Saft, 3cl Limettensaft, 1cl Zuckersirup, ca. 1/2 Eiweiß) ergänzt prima die Schokonote und wird nicht zu langweilig. Bitters je nach Geschmack machen Sinn. Der Triobar-Rum-Sour (für mich nur mit einem Dash Zuckersirup) ist auch ok und das Glas (wen wunderts?) schnell leer.

Nun sitzt Herr Ingusci also auf 250 Flaschen Rum - äh Ron. Aber nicht nur. Der Cantinero reist in den nächsten Monaten von Zeit zu Zeit durch Deutschland, um Nicht-wad!-Bloglesern alles das zu verklickern, was Sie hier nachlesen konnten. Falls Sie also zu Weihnachten (oder anderen Gelegenheiten) noch Eierlikör oder Nahewein verschenken, mein Tip: Ron Del Cantinero - Infused Rum ist im Onlinefachhandel für 31,99 EUR zu haben. Gastronomiekunden wenden sich direkt an Emanuele Ingusci.

Mittwoch, 16. Dezember 2015

Montag, 14. Dezember 2015

The Last Posts For 2015 - heute: Bacardi Facundo Paraiso

"Und sie ist nicht in Valparaiso gewesen
auf Java nicht und den Hochebnen von Peru.
Ihre Inseln unter dem Winde sind ihr Tresen
und die Betrunknen hörn mit glasgem Auge zu."

(Reinhard Mey "Dieter Malinek, Ulla und ich" 1992)


Unter uns gesagt - bzw. geschrieben - hat mich die neue Bacardi Facundo Serie zunächst nicht die Bohne interessiert, als die 2014 in den USA vorgestellt worden war. Warum? Weil ich von den Produkten der Fledermäuse trotz interner Schulung in der Casa Bacardi (in Berlin!) vor einigen Jahren bislang nicht wirklich überzeugt war. Gut, Ocho ist brauchbar, der 44,5er ist ein passabler Daiquirirum und die alten Sondereditionen Casa Bacardi, Facundo und Reserva Limitada sind absolut trink- und genießbar (und mittlerweile mehr oder weniger hochpreisige Sammlerstücke) ohne dass es mir eine Schädelwehattacke in die Hirnlappen zimmert. Aber das ist eher was für Ebay als für eine Bar.
In einigen ausgesuchten (?) deutschen Bars stehen nun aber die Flaschen aus der vierköpfigen Facundoabordnung von Bacardi namens Neo, Eximo, Exquisito und Paraiso. Wer, wo, was? Die Infos dazu können sie hier oder da nachlesen. Das ist alles längst bekannt. Nix für whatadrink! Viel interessanter für mich (und hoffentlich den Leser) ist neben den Presseinfos, was da wirklich aus den Flaschen tröpfelt und was es sonst noch darüber zu berichten gibt.
Zunächst zur Verfügbarkeit. Auf dem (freien) Markt hab ich in Deutschland noch nichts gesehen außer ein paar Eigenimporten aus USA auf Ebay (zu teuer!). Frankreich und UK sind/waren da besser dran. Was gibts zu den Abfüllungen Kreationen selbst zu sagen? Kurz gefasst: Der Neo ist ein ziemlich geiler Mixrum, der aber auch pur genossen werden kann (und vielleicht auch sollte). Eximo und Exquisito machen ein wenig auf very old (Eiche) sind aber doch recht sanfte und runde Brüder, die die Zacapas & Co. locker in den Schatten stellen. 
Widmen wir uns also dem Paraiso - dem leuchtenden, neuen Stern der ganzen Kategorie. Gegenüber den letzten Limited-Edition-Geburtstagsflaschen anderer namhafter Produzenten sind 300-350 EUR pro Buddel fast schon günstig zu nennen - aber Spaß beiseite: Das ist geiler Stoff! Alles erscheint eingebunden und doch äußerst komplex: Leder, Trockenfrüchte, Herrenschokolade, Tabak - das ganze Programm. Sauerstoff heißt das Zauberwort - sprich: Die Verkostung sollte man ruhig angehen. Den Spirit im Glas atmen lassen. Das Ding entwickelt sich und immer wieder kommen neue Noten und Aromen zum Vorschein. Das alles bei voller Reife. Auch die geöffnete Flasche entwickelt sich noch deutlich. Das Cognacfassfinish, dem der fertige Blend (offiziell bis zu 23 Jahre alte Rums) ausgesetzt wird, nervt nicht. Es wirkt wohl wirklich harmonisierend und nicht additiv, was bei "über 60 Jahre alten Fässern" auch eher unwahrscheinlich ist. In einem Gespräch mit dem Global Brand Ambassador David Cid verklickerte der mir, dass im Paraiso sogar noch ältere Destillate stecken, die aber solo einfach nicht mehr genießbar sind. "Verholzt" würde der nüchterne Betrachter sagen. Die Bacardis nutzen die speziellen Profile dieser superalten Rums in ihrem Blend, wenn sie auch nur geringste Mengen zusetzen. Das gilt übrigens auch für die Nachzuckerung. Im Paraiso soll gar nix "geschönt" sein - in den anderen Facundos soll die Dosage unter 10g/L liegen und auch beim Nachfärben war, so Cid, nicht viel oder gar nix nötig. Sein Wort in Gottes Facundo Bacardis Ohr. Whatadrink!

(Danke an Bacardi Deutschland!)

Freitag, 11. Dezember 2015

The Last Posts For 2015 - heute: Büchertips

Zwischen zwei Weihnachtsfeiern ist mir diese Woche eingefallen, dass der ein oder andere vielleicht noch ein Präsent für seine Liebsten, sich selbst oder seinen Lieblingsbartender (das solls wirklich geben) sucht. Daher noch schnell ein paar kurze Büchertips (die man natürlich auch nach den Festtagen noch zu Rate ziehen kann). Von links oben im Uhrzeigersinn...

Imbibe! von David Wondrich, englisch: Das ist die jetzt 360 Seiten dicke 2015er Neuauflage des Begleitbuchs zu Jerry Thomas' großartigem "erstem Cocktailbuch der Welt", das auch weiterhin der Frage nachgeht: "What would Jerry Thomas do?" A must! (und das auch für den, der die Erstausgabe schon sein Eigen nennt)

Good Things To Drink From Mr. Lyan & Friends von Ryan Chetiyawardana, englisch, 224 Seiten: Optisch und inhaltlich auf der Höhe der Zeit und vielleicht das Buch, aus dem ich dieses Jahr am meisten "nachgemixt" hab. Warum? Ryan bringt einfache, aber auch inspirierende Rezepte rüber ohne durchgehend mindestens drei bis vier selbstproduzierte Cordials, Infusionen oder Bitters in den Drink zu kippen. Bottled Cocktails, Ananasrum, Schokowein und der perfekte Gin & Tonic sind trotzdem an Bord. That's it! Buy it!

Erkennen Sie den Fehler?

gaz regan's 101 Best New Cocktails Volume IV, englisch, 220 Seiten: In 101 Rezepten von Barkeepern from all over the world (ja auch aus Deutschland) geht es wieder rund um den Globus. Auch hier haben die Profis v.a. praxistaugliche Ideen beigesteuert, wie z.B. eine Kombination aus Mezcal, Kaffee, Amaro, Himbeerlikör und Walnussbitters, die Lust zum Ausprobieren und selber weiter entwickeln machen. Der Meister selbst kommentiert und gibt uns seine Eindrücke und eventuell Tips zum jeweiligen Drink mit an die Hand.

Atlas Du Rhum - Distilleries Des Caraibes Et Dégustation von Luca Gargano, französisch, 223 Seiten: Luca Gargano saust als Chef der italienischen Firma Velier, einem italienischen Rumabfüller, durch die Rumwelt und sorgt so für ständigen Nachschub an außergewöhnlichem Trinkmaterial. Alter Rum ist aber inzwischen sehr teuer und alte Velierabfüllungen eine Kapitalanlage geworden. Da lesen wir während wir unser Taschengeld aufsparen in diesem schönen Buch, das aber kein reiner Bildband ist, sondern auch zahllose Infos und Fakten bietet, und freuen uns auf neue Genusserfahrungen aus der großen Rumwelt. Übrigens: Dirk Becker, Deutschlands Rumbotschafter, hat kürzlich ebenfalls ein Monumentalwerk zu diesem Thema veröffentlicht, das mir aber leider nicht vorliegt. Mein Tip: Kaufen Sie sich beide, wenn Ihnen am Zuckerrohrschnaps liegt.

Liquid Intelligence - The Art And Science Of The Perfect Cocktail von Dave Arnold, englisch, 416 Seiten: Sagen wir es doch so - Das ist kein Buch für die normale und auch noch nicht für ambitionierte Heimbar. Und auch wenn Sie an Ihrer Hotelbar den Gast fragen, ob er Eis in seinen G&T haben möchte oder nicht, sollten Sie die Finger davon lassen. Höchstes Nerdniveau also beim Blick in Daves irr-wissenschaftliche Cocktailküche! State Of The Art und die Anleitung wie man absolute Spitzendrinks in seiner Küche/Bar zubereitet. Nicht mehr - nicht weniger.

Das Beste in München - Der Barguide von Amadeus Danesitz und Alexander Wulkow, deutsch, 125 Seiten: Aus der "Das Beste in München"-Serie gibt es auch eine Ausgabe "Für Frauen". Das erfährt man aber erst, wenn man sich durch das Buch und die Beschreibungen von sage und schreibe 50 Münchner Bars gearbeitet hat. Netterweise haben die beiden Herren (die mir völlig unbekannt sind) jeweils eine Spezialität des Hauses eingesammelt und mitabgedruckt, z.B. den "Woodroof" (Ananassaft, Kokosnusscreme, Rum, Sahne, Zitrone und Waldmeistersirup). Ob der nun mitsamt dem Ort, wo er kredenzt wird, zur Elite der bajuwarischen Cocktailkunst gehört, darf der Leser selbst beurteilen. Ich such derweil nach der Waldmeistersirupflasche... Fazit: Ganz nett zum Durchblättern und ein paar gute Drinks sind auch drin.

Bourbon Curious von Fred Minnick, englisch, 239 Seiten: Der Simple Tasting Guide beginnt mit fast 100 Seiten Grundwissen zum Amerikanischen Bourbon Whiskey. Das ist lesenswert. Minnick ist up-to-date. Im Tasting- oder besser Beschreibungsteil werden die Whiskies in vier Geschmacksgruppen unterteilt. Es gibt z.B. Caramel-Forward Bourbons. Nein, nicht Caramel-Flavoured. Das ist was anderes. Im Großen und Ganzen eine sehr schöne Bestandsaufnahme zu einer DER Boomspirituosen.

The Dead Rabbit Grocery And Grog - Drinks Manual von Sean Muldon, Jack McGarry und Ben Schaffer, englisch, 287 Seiten: Hoppla! Hier sind wir gleich wieder auf ganz anderem Niveau. Die Geschichte des Dead Rabbit wird zunächst ausführlich wiedergegeben. Dann hat der Käufer hier ein sehr schön aufgeputztes Buch in der Hand, das sich im Hauptteil mehr an den Liebhaber möglichst komplizierter Rezepturen wendet, der sich vor der Zubereitung eines Drinks gern zwei Tage mit der Herstellung verschiedenster Ingredenzien beschäftigt. Für den ambitionierten Profi ist es aber sicher ein schöner Fundus für Anregungen. Fazit: Ein Buch für alle, die schon mindestens 200 Cocktailbücher im Regal haben.

Malt Whisky Yearbook 2016, Herausgeber Ingvar Ronde, 290 Seiten: Das alljährliche Kompendium zum Stand des guten alten Maltwhiskies. Wurde hier schon einmal gewürdigt und hat seinen Stellenwert behalten. Aufs Kaffeetischchen damit!

Und noch was: Beim Betrachten der Angebote auf den Seiten der großen Onlinehändler fällt auf, dass seit zwei-drei Jahren scheinbar unendlich viele Bücher zu Gin, Rum, Whisky, Cocktails etc. auf den Markt kommen - v.a. aus den USA und v.a. mit einer retromäßigen Aufmachung. Die Autoren sind zumeist Profis, die aber auch schon über Wanderwege oder Reisen nach Vietnam veröffentlicht haben. Die Ergebnisse ihrer Recherchen sind im Bereich Cocktails/Schnaps dann meist recht übersichtlich. Fundiertes oder Neues wird nicht geboten. Das Abschreiben von Cocktailrezepten aus schon vorhandenen Werken zur Veröffentlichung als eigenes Büchlein war um 1900 ja auch schon in Mode. Kommt eben immer alles wieder...