Mittwoch, 31. März 2010

In aller Welt 1964

Mags, Mags, Mags...

Fast täglich erscheinen auf dem ach so darniederliegenden Printmarkt neue "Fachmagazine" zu den Themen Essen - Trinken - Kochen usw. Hier ein paar Anmerkungen zu vier Exemplaren dieser Zunft.
Besonders lobend möchte ich das CREMA Magazin (Untertitel: for coffee-lovers) aus dem Münchner BT-Verlag erwähnen. Das Heft erscheint vierteljährlich und kostet 4,80 EUR (Abo - 4 Ausgaben: 19 EUR). Crema bietet auf rund 80 Seiten Wissenswertes für Einsteiger genauso wie für Profis im Bereich Espresso- und Kaffeezubereitung. Die aktuelle Ausgabe 02/2010 befasst sich u.a. ausführlich mit Kaffeezubereitung in Gourmetrestaurants, Know-How über Kaffeekirschen, Designermaschinen in der Preisklasse um 5000 EUR, der neuen ECM Espressomaschine (UVP 1999 EUR), dem neuen De´Longhi Vollautomaten für 999 EUR, der Reinigung von Vollautomaten, der Anwendung der europäischen Öko-Design-Richtlinie, einer Reportage über das Do-It-Yourself-Rösten von frischen Kaffeebohnen sowie einem Vergleich verschiedenen Schokosoßen, Tastingnotes zu diversen Bohnenmischungen verschiedener Hersteller - v.a. auch von Kleinröstern - und einem Beitrag über Kaffeegenuss im Berliner Regierungsviertel. Dazu natürlich eine Übersicht über den Kaffeemaschinenmarkt und Neuheiten aller Art sowie ein Latte-Art-Workshop. Ich finde, Crema ist das beste der zahlreichen "Kaffeemagazine" auf dem Markt. Der Inhalt ist ausgewogen, die Berichte erscheinen unabhängig und die Hochglanzpräsentation ist angemessen. Für die vierteljährliche Erscheinungsweise dürfte das Heft noch etwas dicker werden. Ein Probeheft lässt sich übrigens via Internetseite kostenlos bestellen.

Ein ähnliches Klientel (den sagenumwobenen
urbanen Großstädter) scheint das Effilee - Magazin für Essen und Leben anzusprechen. Das Mag erscheint zweimonatlich im Eigenverlag und wird von der Firma ASV Vertriebs GmbH (Axel Springer) vertrieben. Das Einzelheft kostet am Kiosk 6,80 EUR (Abo - 6 Ausgaben: 39,90 EUR). Auf rund 150 Seiten wird der Themenbereich in professioneller und durchaus unterhaltsamer Weise - mit besonders klarer Bildsprache - dem Leser näher gebracht. Die aktuelle Ausgabe #9 März/April 2010 befasst sich u.a. mit Reisgerichten, einem Restaurant in einem peruanischen Hochsicherheitsgefängnis, Jack Daniel´s Master Distiller Jeff Arnett, Lammfleisch und dessen Zubereitung sowie Tortenrezepten. In der vorletzten Ausgabe wurde, wenn ich mich nicht irre, Zacapa 23y als bester Rum der Welt angepriesen. Zum prompten Nachkochen laden die zahlreichen "Schneller Teller"-Rezepte ein. Ich persönlich finde die langen Lesestrecken sehr gut und unterhaltsam und stufe die Mehrzahl der zahlreichen Rezepte als "für Fortgeschrittene" ein. Angenehmerweise schlägt Effilee nicht in die Bio- / Landlebenkerbe andere Food & Life-Magazine. Mehr Infos unter www.effilee.de , wo auch ein günstiges Miniabo bestellt werden kann.

BEEF! - FÜR MÄNNER MIT GESCHMACK prangt über einem Titelbild, das ein ordentliches Stück Fleisch zeigt. Diese Publikation aus dem Gruner + Jahr Verlag ist also das Herrenmagazin für den Fleischfresser und nicht den Fleischbetrachter? Ausgabe 1 (170 Seiten) stammt schon aus 2009 - Ausgabe 2 soll im Mai 2010 folgen. Einzelpreis: 9,80 EUR. Wie der Titel verspricht geht um in einem Test um das beste Steak der Welt (Sieger: Hereford Rib-Eye aus Irland) und in einer Reportage aus Japan um den Tokioter Fischmarkt. Dazu erfahren wir in einem bebilderten Workshop, wie man ein Kaninchen abzieht, zerlegt und zubereitet. Es gibt einen Vergleichstest zu Messern (von 100-4000 EUR), einen Herd für 11000 EUR, ein umfangreiches Weindossier und viele oberflächliche Informationen mit schönen Bildern. Zudem wird behauptet, dass der beste Whisky der Welt aus Japan käme (Nikka Yoichi 21y) und diese Tatsache den Schotten die Röcke auszöge. Nunja. BEEF! liegt bei weitem über der litararischen Vorgabe von FHM, ist aber nicht allzu ernst zu nehmen, wenn auf der Titelseite die Frage "Kann man eine Frau ins Bett kochen?" gestellt wird. Nackte Frauenhaut gibt es dann also doch noch zu sehen...

Um Kultur und Wissenschaft des Essens kümmert sich seit nunmehr 9 halbjährlichen Ausgaben das Journal Culinaire aus dem Augsburger Maro-Verlag (Einzelheft: 14,90 EUR, Abo - 2 Ausgaben: 27 EUR, auch erhältlich bei Manufactum). Im JC werden nicht etwa schnöde Kochrezepte aufgelistet, sondern es geht um neueste wissenschaftliche Erkenntnisse aus dem Bereich der Kulinaristik. Konkret werden den Heften Themen wie z.B. "Fleisch", "Weinkultur", "Geschmacksbildung" und "Schmecken" übergeordnet, wozu dann verschiedene Autoren (v.a. Wissenschaftler und Köche) ihre Texte liefern. im aktuellen "Fleisch"-Journal leuten die Überschriften "Rotes Fleisch", "Das Futter macht´s", "Filet vom Bison" oder "Mein Plädoyer für Wild". Sehr unterhaltsam ist das JC so natürlich nicht, doch ist der Informationsgehalt für den interessierten Leser sehr hoch. Bunte Bilder und Werbung finden sich nicht, dafür ist die Haptik des Magazins, das eher ein bleibendes Nachschlagwerk darstellt, überzeugend.

Mittwoch, 24. März 2010

A Bitter Bitter World (Part 1)

Mit der Renaissance der klassischen Mixgetränke des 19. und beginnenden 20. Jh. ging die Wiederbelebung der Nutzung von sog. Cocktail Bitters einher, die u.a. ein wesentlicher Bestandteil des Old-Fashioned Cocktails sind. Im "Old Waldorf Astoria Bar Book" (1935) wird angegeben, dass der OF die Erfindung eines Bartenders des Pendennis Clubs in Louisville sei. Das Altmodische beim OF bezieht sich also - selbst der Cocktailhistorikerlaie greift sich an dieser Stelle an den Kopf - freilich nicht auf die heutige Zeit, denn der OF war schon in Kappelers "Modern American Drinks" von 1895 absolut old fashioned. Neben Angostura, der nie richtig weg war, da er die Zeit der Prohibition überlebte, kamen in letzten Jahren auch alte Namen wie z.B. Peychaud´s aus dem Cocktailmekka New Orleans wieder zum Vorschein. Dazu etablierten sich Unternehmen wie Fee Brothers und The Bitter Truth, die mit eigenen Rezepturen und Kreationen aufhorchen und aufschmecken lassen.

Neben der Verwendung kommerzieller Bitters lag aber letztlich nahe auch die Tradition der Herstellung eigener Tinkturen, wie es die Urahnen der heutigen Mixologen pflegten, wieder aufzunehmen. Zahlreiche Ergebnisse gibt es mittlerweile auch käuflich zu erwerben - oft nur direkt vom Erzeuger oder in besonders gut sortierten (Online)shops. Auf zwei Beispiele des scheinbar täglich anwachsenden Angebots sei an dieser Stelle hingewiesen:

Zum einen hat der schottische Barconsultant Adam Elmegirab neben Dandelion & Burdock Bitters eine Version von Boker´s Bitters vorgestellt. Der Stoff - bislang nur im UK verkauft - wird bereits in einigen deutschen Bar verwendet. Ein ausführliches Statement von Adam gibt es im Mixology-Forum zu lesen. Ich persönlich finde Adams Boker´s universal einsetzbar, da keines der enthaltenen Aromen übermäßig heraussticht. Aber das war ja vielleicht auch eine der Eigenschaften, die das Original auszeichneten.

Ein weiterer Vertreter, jedoch mit umfangreicherer Range, ist Bob´s Bitters ebenfalls von der Insel. Bob´s kommen in braunen Apothekerfläschchen mit Glaspipette. Was zunächst als sehr außergewöhnlich oder gar unpraktisch erscheint, erweist sich - zumindest für mich - als gar nicht so abwegig. Denn einerseits liegt Bob damit in der Tradition der frühen Bitterserfinder, die allesamt Apotheker waren. Andererseits lassen sich die würzigen Tropfen genau dosieren und das Hantieren mit der Pipette hat für den einen oder anderen Gast etwas - nunja - Alchemistisches. Geschmacklich gehören Bobs Kreationen zu den zurückhaltenderer Vertretern was Bitterkeit und Alkoholgehalt betrifft. Die Aromen sind eindeutig, sprechen für sich und laden auch zu Experimenten ein. Bis auf die Abbott´s Bitters (40% Vol.) kommen alle weiteren Geschmacksrichtungen mit 20% Vol. daher. Umso feiner lassen sich meiner Meinung nach Lavendel, Kardamon, Süßholz (Lakritze) oder Ingwer altbekannten oder neuen Cocktails hinzufügen. Simon Difford hat Bob´s Chocolate Bitters in Ausgabe 4 des CLASS Magazine mit 5 von 5 Punkten bewertet.

Sonntag, 21. März 2010

Bottle To Bottle - Round 2: Galliano

Als ich seinerzeit Charles Schumann auf die Ablösung des Galliano "Smooth Vanilla" durch den "L´Authentico" ansprach und die Vermutung äußerte, dass der im ursprünglichen Rezept für Schumanns Flying Cangaroo im Jahr 1979 verwendete Galliano eher dem "Neuen" als der im Laufe der 80er/90er stärker vanillisierten, uns bestens bekannten Version ähnelte, meinte Maestro Charles sinngemäß, dass er dieses pappige Zeug sowieso nie gemocht habe, da es einfach furchtbar sei. Diese Anekdote habe ich dem heutigen B-to-B vorangestellt, um auf das mixologische Gewicht hinzuweisen, dass der ursprünglich aus Bella Italia stammende, leuchtend gelbe Liquore in unseren Breiten hat (Zum Geschichtlichen: WikipediaDE und WikipediaENG).

Wie schon angesprochen hatte die für Galliano zuständige Firma Lucas Bols B.V. den zuletzt mit dem Untertitel "Smooth Vanilla" recht gut beschriebenen Likör vom Markt genommen und durch den wesentlich würzigeren und mit 42,3% Vol. gegenüber 30% Vol. auch erheblich stärkeren sog. "L´Authentico" ersetzt. Zu diesem Austausch wurde von fachkundigen Autoren bereits einiges geschrieben. Anmerken möchte ich an dieser Stelle, dass dem - nennen wir es Relaunch - mit den Ausführungen Balsamico (37,6% Vol.) und Ristretto (42,3% Vol.) gleich noch zwei langhalsig verpackte neue Liköre folgten. Zudem gibt/gab es unter der Marke "Galliano" je nach Region bzw. Erdteil verschiedene Produkte wie z.B. einen Amaretto, Sambuca und einen Black Sambuca. Bolscocktails.com kennt sogar einen inzwischen nicht mehr erhältlichen "Galliano Peach White".Die Kandidaten des B-to-B heißen jedoch nicht "L´Authentico" und "Smooth Vanilla", sondern (Wer hat es erraten?) "Smooth Vanilla" und "Vanilla" (je 30% Vol.), denn mit Letzterem hat sich Remy/Cointreau/Bols offenbar erbarmt und der Bartendergilde ihren liebsten Liebling wieder zurückgegeben. Hurray! Und um es kurz zu machen: Viel geben sich die beiden Aspiranten diesmal nicht. Für mich hat der Alte mehr Anis- und Wermutanteile (oder was da an Gewürzen und Kräutern reingeworfen wird), die sich schon im Bukett ankündigen. Der Neue glänzt mit leichter Nase und honigsüßer Vanille. Fazit: "Smooth Vanilla" ist gar nicht so glatt, sondern vielmehr der etwas komplexere Likör und daher der knappe Sieger. Es ist also doch gut, wenn man sich im Fachhandel mit der althergebrachten Variante eingedeckt hat. Der Vergleich im Mixgetränk musste diesmal leider entfallen, denn da halte ich es mit Charles.

http://www.galliano.com

Freitag, 19. März 2010

Für des Lebens große Stunden 1963

Goldene Zitronen

Dass die Wintermonate die Saison der Citrusfrüchte sind, ist allgemein bekannt. Im März ist insbesondere die Zeit der Zitronatzitrone - kurz: Cedro - gekommen. Diese Früchte, die wesentlich größer als normale Zitronen sind und in verschiedenen Formen (länglich mit Spitze oder rund, mit relativ glatter oder auch mit grobporiger Haut, kommen aus (Süd)Italien zu uns und wer einen Händler hat, der ihm diese Dinger besorgen kann, kann sich glücklich schätzen, denn sie sind in unseren Breiten kaum zu haben. Der Kilopreis liegt bei ca. 4-6 EUR (brutto).



Was kann die Cedro denn nun Besonderes? Zum einen ist ihr Saft von einem ganz anderen Aroma als handelsübliche Zitronen. Ich würde ihn als säuerlich, intensiv und extrem fruchtig, ohne essigsauer oder gar agressiv zu sein, bezeichnen. Cocktailrezepte müssen eventuell darauf abgestimmt werden. Da die Früchte immer unbehandelt und ungespritzt (allerdings ohne Biosiegel) bei uns landen, führt die Verwendung der ebenfalls sehr aromatischen gelben Schale als Zeste, z.B. zur Aromatisierung eines hochklassigen Vodka oder Gin, zu einem - wie ich finde - genialen Geschmackserlebnis.

Einer gewissen Bekanntheit erfreut sich auch der aus der Cedro gewonnene Likör namens "Acqua Di Cedro" von Nardini (29% Vol.), der meist in Rezepturen mit (Riserva)Grappa oder als hochwertiger Limoncelloersatz zum Einsatz kommt. Der AdC zeichnet sich durch seinen liköruntypischen trockenen Abgang und den langen Nachklang aus. In einem Münchner Großhandelsmarkt wird der Stoff irrtümlich als "Zederngrappa" bezeichnet. Nunja.

In der sizilianischen Küche wird neben der Verarbeitung zu Zitronat und Konfitüre mit dünn aufgeschnittenen Früchten (inkl. der gelben Schale und der dicken, weißen Fruchtschale Mesokarp), Salz, Pfeffer und Olivenöl ein Zitronensalat angerichtet.

Ein weiterer, relativ unbekannter Knaller ist übrigens auch die Bitterorange oder auch Pomeranze genannt. Auch sie hat derzeit Saison und ist als frische Frucht nur schwer zu bekommen. Von Pomeranzen las ich zum ersten Mal auf dem Etikett der guten, alten Bluna in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Heute steckt die Bitterorange meines Wissens in Fentimans Seville Orange Jigger. Klassische Verwendungsgebiete sind allerdings die Herstellung von Orangeat, Bitter Orange Marmelade, Orange Curaçao, Gin und natürlich der Bitterorangenlimonade Aranciata Amara, von San Pellegrino. Diese Firma stellt mit der Chinotto oder zeitweise auch nur
Chinò genannten Limonade, dem "süditalienischen Cola", eine bittere, dunkelbraune Orangenlimonade her, die unter Verwendung der Pomeranzenart Chinotto hergestellt wird.