Zunächst aber ein paar Worte zur Geschichte der Brennerei bzw. der Marke: Der aktuelle "Woodford Reserve" wird in der ehemaligen "Old Oscar Pepper Distillery" in Versailles produziert. Auf dem Gelände wird seit Anfang des 19. Jahrhunderts Whiskey hergestellt und an dieser Stelle wirkte u.a. 20 Jahre lang Master Distiller James C. Crow, der die Sour-Mash-Methode wohl nicht erfand, aber perfektionierte und propagierte und dessen wissenschaftliche Methoden auch die Basis für die heutige Bourbondestillation bilden. Nach bewegter Geschichte wurde die Anlage 1878 von James Graham und Leopold Labrot gekauft und führte bis 1941 den Namen "Labrot & Graham". "Brown-Forman" kaufte die Destillerie inkl. Fasslager mit über 25.000 Barrels und schloss sie 1970 als die Nachfrage nach Bourbon wieder sank. Anschließend wurde das Gelände verkauft und Gebäude und Brennanlage verfielen. Als in den 90ern die Nachfrage nach Small Batch Bourbon aufkam suchte "Brown-Forman" nach einem geeigneten Platz für eine neue Destillerie und kaufte 1995 "Labrot & Graham" zurück.
Nach einer Restaurierung für 10 Mio US-$ und einem kompletten Ersatz der Produktionsanlagen durch relativ kleine, knapp über 28.000 Liter fassende Zypressenholz-Gärbottiche und eine kupferne Brennanlage mit drei Potstills von Forsyths (Schottland) statt der klassischen Continous Still ging es mit der Herstellung des heute weltbekannten "Woodford Reserve" los. Mit den Potstills waren zuvor längere Testreihen in "Brown-Formans" "Early Times Distillery" in Louisville durchgeführt worden. Benannt wurde die neue Marke nach dem Woodford County in dem die Destillerie liegt. Die Mashbill ist identisch mit dem roggenlastigen Rezept des "Old Forester" (72% Mais, 18% Roggen, 10% gemälzte Gerste), die Sourmashzugabe beträgt hingegen nur 6 statt 12% und die Maische wird ungefltert mit allen Feststoffen in der ersten Potstill gebrannt, was sehr ungewöhnlich ist. Mit hohen 79% Vol. verlässt das Destillat die dritte Brennblase und wird mit 54,5% vol. in die Fässer gefüllt (Fassauskohlungsgrad #3). Gelagert wird der Whiskey in Barrels aus der eigenen Küfnerei. Die Dauben werden vorher zwischen drei und fünf Monaten dem sog. Seasoning zur Reduzierung des Feuchtigkeitsgehalts unterzogen. Die Lagerhäuser sind übrigens beheizt, was zu konstanten Temperaturen - gerade im Winter - führt.
Die Produktion wurde 1996 unter dem damaligen Brennmeister Lincoln Henderson aufgenommen und der erste "echte" "Woodford Reserve" aus der restaurierten Destillerie und der neuen Anlage wurde 2002 ausgeliefert. Mit dem Verkauf von Bourbon in der nun bekannten flachen Flasche unter der neuen Marke wurde schon ein paar Jahre früher begonnen. Dieser Whiskey wurde aber in der "Early Times Distillery" gebrannt und stammte aus ausgesuchten Fässern mit süßerem Bourbon als es der "Old Forester" ist, die in den "Labrot & Graham" Warehouses (nach)gelagert wurden. Eine ebenfalls aus dieser Zeit stammende Abfüllung namens "President's Choice" mit 50,2% Vol. im Gegensatz zu den 45,2% Vol. des sog. "Distiller's Select", auf deren Flasche ein Rennpferd mit Jockey zu sehen war, kam aus Fässern, die in den oberen Stockwerken des jeweiligen Lagerhauses lagen und erinnert äußerlich stark an die späteren "Kentucky Derby"-Abfüllungen, ist aber heute äußerst selten zu finden. Abfüllungen aus dem Batch No. 1 hingegen sind noch in der einen oder anderen Auktion aufzutreiben. Zudem gibt es die Möglichkeit sich eine sog. "Personal Selection" mit Angabe des eigenen Namens auf dem Label (ähnlich wie die entsprechenden "Jack Daniel's Single Barrel"-Bottlings) abfüllen zu lassen. Dazu sucht man sich vor Ort das Fass aus und wird dann mit rund 180 1-Liter-Flaschen beglückt. Ein personalisiertes Label gibt es auch nach dem Kauf einer als "VIP"-Flasche gekennzeichneten Abfüllung in entsprechender Verpackung.
Im Herbst 2010 wurde mit dem Verkauf der nunmehr fünften Abfüllung einer limitierten Superpremiumserie unter dem Namen "Woodford Reserve Master's Collection" begonnen, mit der neue Variationen einem breiteren Publikum näher gebracht werden und mit denen auch an die Pionierarbeit der Herren Pepper und Crow erinnert werden soll in deren Tradition man sich bei "L&G" sieht. Die Vorgänger hießen "Four Grain" (46,2% vol., mit Weizen in der angepassten Mashbill), "Sonoma-Cutrer Finish" (43,2% Vol., mit einem 4-5monatigen Finish in Kalifornischen "Le Pierre" Ex-Chardonnayfässern), "1838 Sweet Mash" (43,2% Vol., mit Verzicht auf Anwendung des Sourmashverfahrens), "Seasoned Oak Finish" (50,2% Vol., mit einem Finish in Fässern aus 3,5 bis 5 Jahre lang gelagerten Dauben) und der Neue kommt mit der Bezeichnung "Maple Wood Finish" (47,2% Vol., mit einem Finish in neuen, lediglich getoasteten Zuckerahornfässern). Ob die Bezeichnung "Kentucky Straight Bourbon" bei einem Whiskey mit Finish in einem Nicht-Eichenfass geführt werden darf, ist bei den Experten teilweise umstritten. Auf den Labels bzw. Flaschen wird diese Bezeichnung auf jeden Fall angegeben.
Tasting Notes:
Die hervorstechende Eigenschaft des "Woodford Reserve" (seit 2008 in Europa auf 43,2% Vol. reduziert) in seiner 6-7jährigen Standardausführung ist die besondere Weichheit trotz der klassischen Bourbonaromen mit Toffee und Karamell und der Roggenwürze. Daher stelle ich ihn aufgrund seiner Klasse und seinen Eigenschaften gerne in die Nähe des "Maker's Mark" auch wenn beide Bourbons nicht miteinander zu verwechseln sind. Ein Amerikaner also, den man gut pur trinken, aber auch bestens in Cocktails verwenden kann. Gleiches trifft auf die jährlichen Sonderabfüllungen anlässlich des "Kentucky Derby" (Seit 1999 ist der "Woodford Reserve" der offizielle Bourbon des Kentucky Derbys) in der besonders gestalteten 1-Liter-Flasche mit 45,2% Vol. zu, doch führt die Alkoholstärke zu einem noch etwas intensiveren "Woodford" ohne die Eleganz zu verlieren. In der Flasche steckt übrigens "nur" der reguläre U.S.-Stoff. Angesichts der interessanten Preise von teilweise um 40 EUR brutto/Liter macht es Sinn nach diesen Abfüllungen, die nicht offiziell aber doch an vielen Stellen in Deutschland erhältlich sind, zu suchen.
Mir liegen die letzten drei Ausgaben der "Woodford Reserve Master's Collection" vor und um es gleich vorweg zu nehmen: Alle drei sind erstklassige und außergewöhnliche Americans! Der "Sweet Mash" besticht durch eine köstliche Getreide- und Malznase, wirkt danach aber - wenn auch gewohnt weich - doch etwas kürzer als der "Maple Wood Finish", der hingegen (große Überraschung!) am Gaumen tatsächlich an Ahornsirup erinnert. Der meines Erachtens beste der drei Kandidaten und daher auch meine absolute Empfehlung ist der schwarzbraune "Seasoned Oak" der die Würze von Roggen und Holz perfekt zusammenführt und ein wahres Bourbonfeuerwerk entfacht. Enorm!
Zu kaufen sind alle drei Ausführungen derzeit bei The Whisky Store zu relativ moderaten Preisen zwischen 80 und 90 EUR. Auch Scoma und Drinkology haben meines Wissens die eine oder andere Flasche davon auf Lager.
In Anlehnung an Herrn Etzolds großartigen "Stagger Lee Julep" hier noch der...
Johnny Lee Julep
6 cl Woodford Reserve (Kentucky Derby, 45,2% Vol.)
2 bl Johannisbeergelee
2-3 bl Boudier Créme De Cassis
1 splash Soda
10-20 Blätter Minze
Minze anklatschen + in vorgefrosteten Julepbecher, Gelee, Cassis und Soda dazu + stir, Bourbon dazu + stir mit crushed ice, mit crushed ice auffüllen, optional 5 Min. in Tiefkühlung, Deko: Minzbüschel, Johannisbeeren, Staubzucker
- ergänzt von whatadrink! am 13/03/11 -
(Quellen und weiterlesen: "Bourbon" von Gary & Mardee Haidin Reagan, "Classic Bourbon Tennessee & Rye Whiskey" von Jim Murray, "Die großen Whiskys der Welt" von Jim Murray, "The World Atlas Of Whisky" von Dave Broom, diverse Webseiten; Ich bedanke mich bei Nick Theurer fürs Korrekturlesen und seine Ergänzungen)
Als Bourbon-Fan blutet mir lächelnd das Herz und mein Gaumen wird pulvertrocken beim Lesen... Gut recherchiert und danke für die Quellenangaben, damit kann man auch Verteidigungsminister werden ;-)
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