Freitag, 27. Mai 2011

Barzirkel @ Martini & Rossi

Turin, die Stadt am Po, war das Ziel einer langen, aber nie langweiligen Reise zu der "Bacardi-Deutschland" eine Abordnung des Münchner Barzirkels in den Piemont eingeladen hatte. Ich war auch dabei und das hier ist mein schonungsloser Bericht der alles Wissenswerte und Belanglose aber auch alles Schockierende ans grelle Licht der Öffentlichkeit zerren wird.
A propos "grelles Licht": Um 9 Uhr am frühen Morgen ging es via Ausflugsbus vorm Padres los nachdem ordentlich "aufmunitioniert" worden war. Doch Füßehochlegen war nicht. Die Barzirkeladministration hatte für die ahnungslosen Reisenden, die dafür in zugeloste Zweierteams eingeteilt wurden, einen Aufgabenparcours vorbereitet. Mit einem Budget von jeweils 10 EUR mussten bei Tank- und sonstigen Zwangsstops innerhalb von 15 Minuten drei Drinks gemixt werden, die dann von einer Technik- und einer Blindjury bewertet wurden. Das Geld war für den Spontaneinkauf von passenden Zutaten gedacht. Da "Bombay Sapphire", "Grey Goose" und diverse "Martini"-Produkte sowieso in großer Menge mitgeführt wurden und Überraschungsliköre (Sour Apple, Mozart Amadé,...) blind aus einer Tasche gezogen werden mussten, ging es dabei mehr um Deko (a must!), frische Früchte und andere Gimmicks. Um es kurz zu machen: Der beste Drink des Wettbewerbs, ein kräftiger Dry Martini mit Schweizer Bergwacholderextrakt vom Duo König/Körper (KöKö), wurde von einer offensichtlich überforderten Jury abgewertet und kam nur auf den letzten Rang. Skandalös! Aber so vergingen die Stunden...
Nach einem nächtlichen Mehrgänger in einem (nahe am Wasser gebauten) Turiner Ruderclub trat unsere Gruppe am nächsten Tag den Weg ins nahe Pessione zu Heim und Produktionsstätte von "Martini & Rossi", an. Der Empfang war herzlich. Die großzügigen Räumlichkeiten der firmeneigenen Terazza-Lounge und Bar luden zum ausgiebigen Verweilen ein und so kam schnell Urlaubsstimmung auf. O bella Italia!
In "Mondo Martini" - dem medientechnisch topaktuellen Firmenmuseum - bekamen wir dann einen Einblick in Entstehung, Geschichte und Bedeutung des weltweit bekannten Hauses und seiner Produkte. Wer es noch nicht wusste: Drei Herren kauften 1863 eine in Turin ansässige Spirituosenfirma, wo sie z.T. gearbeitet hatten, inkl. Produktionsstätte und benannten sie in "Martini Sola & Co." um. Der Siegeszug des "Martini" geht auf die erfolgreichen Bemühungen des Alessandro Martini zurück, der seine Produkte - allen voran den "Martini Rosso" - weltweit bei Ausstellungen und Messen vorstellte. Werbung mit von den damaligen Top-Plakatmalern gefertigten Reklamepostern, später dann Sport- und Kultursponsoring und das "Martini Terazze"-Konzept sowie TV-Spots mit prominenten Schauspielern, Models usw. trug wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg und dem enormen Bekanntheitsgrad der Marke "Martini" bei. Die als letzte der großen Wermutproduzenten gegründete Firma wurde so der heutige Globalplayer mit einem Absatz von 400.000 Flaschen - pro Tag! In "Mondo Martini" werden neben historischen Dokumenten und staubigen Flaschen alle diese Bausteine gezeigt und umfassend kommuniziert. Hinter der Ausstellung steht ein über 10 Jahre aufgearbeitetes Archiv, das Wissenschaft und (Geschichts)Forschung zur Verfügung steht. Eine besondere Würdigung entfällt dabei auf die Familie des ersten Produktionsleiters Luigi Rossi. Dessen Söhne übernahmen nach dem Tod der drei Firmengründer Anfang des 20. Jahrhunderts die Geschicke von "Martini & Rossi" und führten, u.a. mit der Einführung des Extra Dry Vermouths (1899) und des "Martini Bianco" (1910), die Erfolgsgeschichte weiter.
Neben all diesen historischen Informationen gab es auch einen Einblick in die Zusammensetzung der gängigen "Martini"-Wermuts und der Schaumweine bzw. deren Produktion. Neben den Infos unserer kompetenten Führerin brachten uns zwei kurze Filme auf einen gemeinsamen Wissenstand, der im Botanicalsraum und im Gespräch mit dem Global Brand Ambassador Giuseppe Gallo, der aus London eingeflogen war, und den Herren Brezza und Masso (Head Winemaker und Master Blender) noch vertieft wurde. Signore Gallo servierte dann klassische Drinks wie Martinez und Dry Martini aber auch aktuelle Signatures wie den Martini Royale (1/2 Martini Rosato + 1/2 Martini Prosecco) oder die "Martini Gold"-Drinks Gold Finger und Gold Royale. Für viele der Teilnehmer überraschend war die hohe Qualität der "Martini"-Schaumweine. Insbesondere der halbtrockene "Martini Rose", der aus Most UND Wein verschiedener Traubensorten hergestellt wird und daher schon deshalb einzigartig ist, wusste zu gefallen. Schade, dass dieses Produkt (noch) nicht in Deutschland erhältlich ist. Aber auch der "Martini Rosato" (die einzige Vermouthrezeptur mit Rotwein) und der "Martini Gold", für den edelster Safran verwendet wird, wurden im Zusammenspiel mit Limette bzw. frischem Ingwer eingängiger beleuchtet. Sehr beeindruckend war auch die Verwendung der sog. "Gallone", einer Art überdimensionaler Schwenker mit Ausgiesslippe in dem sich gleich ein paar Martinis auf einmal herstellen lassen. Statt mit dem Löffel zu rühren, wird das Ding einfach in der Hand geschwenkt (im italienischen Onlineshop zum Stückpreis von 69 EUR erhältlich).
Nach Besuchen des Weinmuseums und des "Martini"-Shops fand der Besuch in Pessione mit einem Blick in den großen Raritätenschrank in der Lounge ein Ende. Ein vergnüglicher Abend mit dem unvermeidlichen Aperitivo, Hummer unterm Pizzadeckel und einer Bartour rund um die Piazza Vittorio Veneto mit köstlichen (?) Kahlua-Absinth-Shots rundeten den Roadtrip ab.
Mein Fazit: "Mondo Martini" sollte man gesehen haben, wenn man sich mit Spirituosen- und Cocktailgeschichte ernsthaft auseinander setzt. Turin hat zwar neben vielen Espressobars nur wenig für den Liebhaber klassischer Cocktails zu bieten, dafür ist auf der Piazza aber morgens um 2 noch der Bär los. Und: Touristen haben wir keine gesehen - wir selbst waren ja auch aus rein wissenschaftlichen Gründen dort.

Kontakt "Mondo Martini": mondomartini@bacardi.com
Telefonische Anmeldung: +39 011 94191


Ich darf an dieser Stelle nochmals meinen Dank an Michaela Barth und Ihre Kollegen zum Ausdruck bringen.

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