Es geht mal wieder um Rum bei whatadrink!. Und zwar um Rhum Agricole - hier im Speziellen aus der Brennerei "Bellevue" der Firma "Damoiseau" von der Antilleninsel Guadeloupe, die eigentlich aus mehreren Inseln besteht und zu den französischen Überseedepartements und damit zur EU gehört. "Damoiseau" hat - und das ist für Hersteller in dieser Sparte eher ungewöhnlich - vom ungelagerten "Blanc" bis zu reifen Fassstärken und sogar einem Destillat aus dem Jahr 1953 praktisch alles im Angebot. Den Vertrieb dieser interessanten Produktlinie hat die Firma "Charles Hosie GmbH" aus Aschau im Chiemgau übernommen. Wie aber kommt der Rhum nach Bayern?Die Erklärung gab der Firmeninhaber und Geschäftsführer persönlich. Rainer Hosie besann sich vor einigen Jahren nach 20jähriger Tätigkeit als Rechtsanwalt in Hamburg auf die geschäftlichen Wurzeln seiner Familie bzw. deren früherem Geschäftsfeld, kaufte den Namen von der nicht ganz unbekannten Firma "Bacardi" zurück, für die seines Vaters Unternehmen einst als Vertriebspartner fungiert hatte, und baute wieder ein neues Spirituosenportfolio auf. Heute gehören dazu Marken wie "Luxardo", die Mauritiusrums "Flamboyant", "St. Aubin" und "Green Island", der Single Malt Vodka "Valt", der, aufgrund der täglichen Neupräsentationen von Wacholderdestillaten, fast schon etwas in Vergessenheit geratene Gin "Pink 47" und noch so dies und das.
Und eben auch "Damoiseau" Rhum Agricole. Dass dieser wie alle Agricoles aus unter Zusatz von Hefe fermentiertem, frischem Zuckerrohrsaft destilliert wird, ist allgemein bekannt. Wichtig ist aber auch, dass traditionell Säulenanlagen anstelle von Potstills zum Einsatz kommen. Diese sind aber im Gegensatz zu anderen Rumregionen lediglich einfache, d.h. einsäulige Installationen. Dies führt wiederum zu einem relativ schwachem Ausgangsdestillat von 65-75% Vol. im Gegensatz zu Mehrsäulenanlagen, wo auch über 90% vol. gebrannt wird. Die Rhum Agricoles von Guadeloupe unterliegen übrigens einer AOC, die dem Terroirgedanken folgend, die Herstellungweise und Mindestlagerdauer etc. regelt. Die Reifung findet bei "Damoiseau" in Ex-Bourbonfässern statt.
Im Tasting wurde als Vergleichsobjekt zunächst ein Melasserum ("Bacardi Superior") angeboten. Es folgte der blumige, aber dennoch frische ungelagerte "Blanc" mit 50% Vol. (eine 55%-ige Variante steht nicht mehr zur Verfügung) und der schon leicht nussige einjährige "Ambré" (40% Vol.), welcher aber noch deutlich süßes Zuckerrohr bietet. Der "Vieux" (mind. 3 Jahre, 42% Vol.) zeigte schon mehr Holznoten während sich der mindestens 6 Jahre alte "XO" (40% Vol.) als besonders rundes und weiches Destillat anbot. Ein nochmaliger Vergleich der Jahrgangsausgaben aus der "Millésime"-Serie von 1980 (18 Jahre, 60,3% Vol.), 1989 (21 Jahre, 58,4% Vol.) und 1991 (19 Jahre, 54,4% Vol.) förderte zum einen den allgemeinen Favoritenstatus der beiden letzteren Abfüllungen, wobei mir der dunklere und etwas kantigere 91er diesmal besser gefiel. Wie schon einmal bemerkt, sind alle drei Flaschen in der Region um 100 EUR angesiedelt, was die Entscheidung noch ein wenig schwerer macht. Nunja.
Eine in der Nase recht rauchige "Nuclear Daiquiri"-Variante ("...there will be fallout the morning after." - Simon Difford) mit "Damoiseau"-XO, der unvermeidliche Ti-Punch und eine Neukreation des Barteams bestehend aus Giorgio Michailidis vom gastgebenden "Mauros Negroni Club" und Thomas Magg (Drinkkultur) überraschten die - leider nicht in großer Anzahl erschienenen - Gäste mit karibischen Genüssen. Da Rum oder Rhum aber - wie derzeit laufend propagiert - im Kommen ist (Wo war er denn die letzten 400 Jahre?), werden es beim nächsten Mal sicher mehr Neugierige und Interessierte sein.
Auf Rum spezialisierte Onlineshops in Deutschland führen übrigens zwischen 100 und 200 Agricoles (!) - und davon sind rund 40% hochwertige, gereifte Varianten mit Preisen ab 50 EUR. Das gesamte Sortiment von "Damoiseau" führt z.B. Barfish. Und - das noch ergänzend - es gibt auch (noch) einige rare Jahrgangsabfüllungen der italienischen Firma Velier auf dem deutschen Markt. In Frankreich bieten die großen Supermarktketten meist nur "Blancs" - diese aber in sehr günstigen Literflaschen.
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