Freitag, 18. Dezember 2015

The Last Posts For 2015 - heute: Ron Del Cantinero

Nach nicht soooo guten Erfahrungen hatte ich mir eigentlich vorgenommen, keine Reviews auf Anregung von Freunden und guten Bekannten mehr zu schreiben, wenn die mit Sätzen à la "Hier mein neuer Whisky/Rum/Wodka/Obstbrand/Gin/Bier- und Kräuterlikör usw. Kannst Du da nicht was drüber schreiben?" ankommen. Falls man das Gesöff nicht über den grünen Klee lobt, ist man unten durch. Schreibt man nix, läufts genauso. Trotzdem hab ich mich wieder breitschlagen lassen und dann auch noch bei einem Rumblend. OMG!

Emanuele Ingusci ist ein überall geschätzter Barmann/-chef, der in seinem Barroom v.a. dem Rumdrink (ob pur oder im Cocktail) huldigt. Das war auch die Grundlage für die Idee eine eigene Rumabfüllung auf den Markt - oder besser: in die Bars dieser Welt - zu bringen. Aber es sollte keine hochprozentige Einzelfassabfüllung für Rumnerds werden, sondern ein Schmeichler, der auch als Mixrum seinen Mann steht. Aha.
Der Ron Del Cantinero (Arbeitstitel: "Vom Barmann für den Barmann") steht nun bereit und wartet mit folgenden Fakten auf Connaisseure und Barkeeper: Er ist ein Blend aus vier verschiedenen Rums aus zwei Ländern und einer Portweininfusion. Eine Portweininfusion? - Ja, Moment noch. Zunächst noch zu den Rums: Der eine ist ein junger Rum aus Martinique, der andere Rums kommt aus der Dominikanischen Republik und ist bis zu 21 Jahre alt. Zusammen bilden sie den Grundstock der gesamten Kreation (No Solera übrigens). Verhältnis Rum-Portweininfusion: 80:20. Tawny Port wird mit Vanilleschoten, Kakaobohnen und einer Gewürzmischung (Zimtblüte, Ingwer, Sternanis, Piment, Bittermandel und Nelke) infusioniert und/oder gespiced (das können sie benamsen wie sie wollen) und diese Aromenbombe kommt dann zum Rumblend. Abgefüllt wird mit 40% Vol. in 0,5-Literflaschen. Nachgezuckert wurde nicht. Das Modern-Retro-Etikett passt zu Kakao und Vanille mit seinem dunkelbraunen Hintergrund und den verspielten Goldapplikationen und wird vom Portrait des Herrn Papa geziert. Eine gelungene Reminiszenz.
Nun ist Rum & Port keine neue Kombi und funktioniert ja schon als eigener simpler Drink ziemlich gut. Was kann also der Infused Rum? Zunächst ist er eine üppige, ja schon schwere, Bombe mit dunklen roten Früchten, natürlich auch Vanille (aber nicht auf die billige, vordergründige Art) und auch dunkle Schokolade (ach was), die den Taster zunächst ziemlich einnimmt. Blendmeister Mario Gallone hat aber volle Arbeit geleistet und die Komponenten in ein stimmiges Miteinander gebracht. Wenn auch keine überreifen Holznoten heraustreten, so ist das doch ein gelungenes Werk - nicht zu überladen, komplex, aber auch für Anfänger geeignet (die noch in der Süßrumphase stecken), nicht zu süß, schon gar nicht zuckrig. Andere Probanden schmeckten den Kakao heraus - wieder andere die Vanille. Logo.
Aber ist es auch ein Rum der mit seinem recht humanen Alkoholgrad auch genug Rückgrat hat, um im Mixed Drink nicht abzusaufen? Dass er ein feines Dessert abgibt oder gut zum Kaffee (nicht in den Kaffee!) passt, ist klar. Ein Allrounder von der Sunny Side Of The Street? Nun, im Old-Fashioned sollte man mit Zuckerzugabe vorsichtig sein. Ein Stückerl Orangenzeste passt aber schön. Der Rum Manhattan braucht nur trockenen Wermut und - so empfiehlt Maestro Emanuele: Aromatic Bitters. Stimmt, zunächst bestimmt trockener Kakao das Bild, dann tritt nach einigen Minuten der Noilly deutlicher zu Tage und das ganze wird ein herrlicher Dry Manhattan. Noch schnell ein Rum Sour: Die Formel mit frischen Orangensaft und Limette (6cl Rum, 3cl O-Saft, 3cl Limettensaft, 1cl Zuckersirup, ca. 1/2 Eiweiß) ergänzt prima die Schokonote und wird nicht zu langweilig. Bitters je nach Geschmack machen Sinn. Der Triobar-Rum-Sour (für mich nur mit einem Dash Zuckersirup) ist auch ok und das Glas (wen wunderts?) schnell leer.

Nun sitzt Herr Ingusci also auf 250 Flaschen Rum - äh Ron. Aber nicht nur. Der Cantinero reist in den nächsten Monaten von Zeit zu Zeit durch Deutschland, um Nicht-wad!-Bloglesern alles das zu verklickern, was Sie hier nachlesen konnten. Falls Sie also zu Weihnachten (oder anderen Gelegenheiten) noch Eierlikör oder Nahewein verschenken, mein Tip: Ron Del Cantinero - Infused Rum ist im Onlinefachhandel für 31,99 EUR zu haben. Gastronomiekunden wenden sich direkt an Emanuele Ingusci.

Mittwoch, 16. Dezember 2015

Montag, 14. Dezember 2015

The Last Posts For 2015 - heute: Bacardi Facundo Paraiso

"Und sie ist nicht in Valparaiso gewesen
auf Java nicht und den Hochebnen von Peru.
Ihre Inseln unter dem Winde sind ihr Tresen
und die Betrunknen hörn mit glasgem Auge zu."

(Reinhard Mey "Dieter Malinek, Ulla und ich" 1992)


Unter uns gesagt - bzw. geschrieben - hat mich die neue Bacardi Facundo Serie zunächst nicht die Bohne interessiert, als die 2014 in den USA vorgestellt worden war. Warum? Weil ich von den Produkten der Fledermäuse trotz interner Schulung in der Casa Bacardi (in Berlin!) vor einigen Jahren bislang nicht wirklich überzeugt war. Gut, Ocho ist brauchbar, der 44,5er ist ein passabler Daiquirirum und die alten Sondereditionen Casa Bacardi, Facundo und Reserva Limitada sind absolut trink- und genießbar (und mittlerweile mehr oder weniger hochpreisige Sammlerstücke) ohne dass es mir eine Schädelwehattacke in die Hirnlappen zimmert. Aber das ist eher was für Ebay als für eine Bar.
In einigen ausgesuchten (?) deutschen Bars stehen nun aber die Flaschen aus der vierköpfigen Facundoabordnung von Bacardi namens Neo, Eximo, Exquisito und Paraiso. Wer, wo, was? Die Infos dazu können sie hier oder da nachlesen. Das ist alles längst bekannt. Nix für whatadrink! Viel interessanter für mich (und hoffentlich den Leser) ist neben den Presseinfos, was da wirklich aus den Flaschen tröpfelt und was es sonst noch darüber zu berichten gibt.
Zunächst zur Verfügbarkeit. Auf dem (freien) Markt hab ich in Deutschland noch nichts gesehen außer ein paar Eigenimporten aus USA auf Ebay (zu teuer!). Frankreich und UK sind/waren da besser dran. Was gibts zu den Abfüllungen Kreationen selbst zu sagen? Kurz gefasst: Der Neo ist ein ziemlich geiler Mixrum, der aber auch pur genossen werden kann (und vielleicht auch sollte). Eximo und Exquisito machen ein wenig auf very old (Eiche) sind aber doch recht sanfte und runde Brüder, die die Zacapas & Co. locker in den Schatten stellen. 
Widmen wir uns also dem Paraiso - dem leuchtenden, neuen Stern der ganzen Kategorie. Gegenüber den letzten Limited-Edition-Geburtstagsflaschen anderer namhafter Produzenten sind 300-350 EUR pro Buddel fast schon günstig zu nennen - aber Spaß beiseite: Das ist geiler Stoff! Alles erscheint eingebunden und doch äußerst komplex: Leder, Trockenfrüchte, Herrenschokolade, Tabak - das ganze Programm. Sauerstoff heißt das Zauberwort - sprich: Die Verkostung sollte man ruhig angehen. Den Spirit im Glas atmen lassen. Das Ding entwickelt sich und immer wieder kommen neue Noten und Aromen zum Vorschein. Das alles bei voller Reife. Auch die geöffnete Flasche entwickelt sich noch deutlich. Das Cognacfassfinish, dem der fertige Blend (offiziell bis zu 23 Jahre alte Rums) ausgesetzt wird, nervt nicht. Es wirkt wohl wirklich harmonisierend und nicht additiv, was bei "über 60 Jahre alten Fässern" auch eher unwahrscheinlich ist. In einem Gespräch mit dem Global Brand Ambassador David Cid verklickerte der mir, dass im Paraiso sogar noch ältere Destillate stecken, die aber solo einfach nicht mehr genießbar sind. "Verholzt" würde der nüchterne Betrachter sagen. Die Bacardis nutzen die speziellen Profile dieser superalten Rums in ihrem Blend, wenn sie auch nur geringste Mengen zusetzen. Das gilt übrigens auch für die Nachzuckerung. Im Paraiso soll gar nix "geschönt" sein - in den anderen Facundos soll die Dosage unter 10g/L liegen und auch beim Nachfärben war, so Cid, nicht viel oder gar nix nötig. Sein Wort in Gottes Facundo Bacardis Ohr. Whatadrink!

(Danke an Bacardi Deutschland!)

Freitag, 11. Dezember 2015

The Last Posts For 2015 - heute: Büchertips

Zwischen zwei Weihnachtsfeiern ist mir diese Woche eingefallen, dass der ein oder andere vielleicht noch ein Präsent für seine Liebsten, sich selbst oder seinen Lieblingsbartender (das solls wirklich geben) sucht. Daher noch schnell ein paar kurze Büchertips (die man natürlich auch nach den Festtagen noch zu Rate ziehen kann). Von links oben im Uhrzeigersinn...

Imbibe! von David Wondrich, englisch: Das ist die jetzt 360 Seiten dicke 2015er Neuauflage des Begleitbuchs zu Jerry Thomas' großartigem "erstem Cocktailbuch der Welt", das auch weiterhin der Frage nachgeht: "What would Jerry Thomas do?" A must! (und das auch für den, der die Erstausgabe schon sein Eigen nennt)

Good Things To Drink From Mr. Lyan & Friends von Ryan Chetiyawardana, englisch, 224 Seiten: Optisch und inhaltlich auf der Höhe der Zeit und vielleicht das Buch, aus dem ich dieses Jahr am meisten "nachgemixt" hab. Warum? Ryan bringt einfache, aber auch inspirierende Rezepte rüber ohne durchgehend mindestens drei bis vier selbstproduzierte Cordials, Infusionen oder Bitters in den Drink zu kippen. Bottled Cocktails, Ananasrum, Schokowein und der perfekte Gin & Tonic sind trotzdem an Bord. That's it! Buy it!

Erkennen Sie den Fehler?

gaz regan's 101 Best New Cocktails Volume IV, englisch, 220 Seiten: In 101 Rezepten von Barkeepern from all over the world (ja auch aus Deutschland) geht es wieder rund um den Globus. Auch hier haben die Profis v.a. praxistaugliche Ideen beigesteuert, wie z.B. eine Kombination aus Mezcal, Kaffee, Amaro, Himbeerlikör und Walnussbitters, die Lust zum Ausprobieren und selber weiter entwickeln machen. Der Meister selbst kommentiert und gibt uns seine Eindrücke und eventuell Tips zum jeweiligen Drink mit an die Hand.

Atlas Du Rhum - Distilleries Des Caraibes Et Dégustation von Luca Gargano, französisch, 223 Seiten: Luca Gargano saust als Chef der italienischen Firma Velier, einem italienischen Rumabfüller, durch die Rumwelt und sorgt so für ständigen Nachschub an außergewöhnlichem Trinkmaterial. Alter Rum ist aber inzwischen sehr teuer und alte Velierabfüllungen eine Kapitalanlage geworden. Da lesen wir während wir unser Taschengeld aufsparen in diesem schönen Buch, das aber kein reiner Bildband ist, sondern auch zahllose Infos und Fakten bietet, und freuen uns auf neue Genusserfahrungen aus der großen Rumwelt. Übrigens: Dirk Becker, Deutschlands Rumbotschafter, hat kürzlich ebenfalls ein Monumentalwerk zu diesem Thema veröffentlicht, das mir aber leider nicht vorliegt. Mein Tip: Kaufen Sie sich beide, wenn Ihnen am Zuckerrohrschnaps liegt.

Liquid Intelligence - The Art And Science Of The Perfect Cocktail von Dave Arnold, englisch, 416 Seiten: Sagen wir es doch so - Das ist kein Buch für die normale und auch noch nicht für ambitionierte Heimbar. Und auch wenn Sie an Ihrer Hotelbar den Gast fragen, ob er Eis in seinen G&T haben möchte oder nicht, sollten Sie die Finger davon lassen. Höchstes Nerdniveau also beim Blick in Daves irr-wissenschaftliche Cocktailküche! State Of The Art und die Anleitung wie man absolute Spitzendrinks in seiner Küche/Bar zubereitet. Nicht mehr - nicht weniger.

Das Beste in München - Der Barguide von Amadeus Danesitz und Alexander Wulkow, deutsch, 125 Seiten: Aus der "Das Beste in München"-Serie gibt es auch eine Ausgabe "Für Frauen". Das erfährt man aber erst, wenn man sich durch das Buch und die Beschreibungen von sage und schreibe 50 Münchner Bars gearbeitet hat. Netterweise haben die beiden Herren (die mir völlig unbekannt sind) jeweils eine Spezialität des Hauses eingesammelt und mitabgedruckt, z.B. den "Woodroof" (Ananassaft, Kokosnusscreme, Rum, Sahne, Zitrone und Waldmeistersirup). Ob der nun mitsamt dem Ort, wo er kredenzt wird, zur Elite der bajuwarischen Cocktailkunst gehört, darf der Leser selbst beurteilen. Ich such derweil nach der Waldmeistersirupflasche... Fazit: Ganz nett zum Durchblättern und ein paar gute Drinks sind auch drin.

Bourbon Curious von Fred Minnick, englisch, 239 Seiten: Der Simple Tasting Guide beginnt mit fast 100 Seiten Grundwissen zum Amerikanischen Bourbon Whiskey. Das ist lesenswert. Minnick ist up-to-date. Im Tasting- oder besser Beschreibungsteil werden die Whiskies in vier Geschmacksgruppen unterteilt. Es gibt z.B. Caramel-Forward Bourbons. Nein, nicht Caramel-Flavoured. Das ist was anderes. Im Großen und Ganzen eine sehr schöne Bestandsaufnahme zu einer DER Boomspirituosen.

The Dead Rabbit Grocery And Grog - Drinks Manual von Sean Muldon, Jack McGarry und Ben Schaffer, englisch, 287 Seiten: Hoppla! Hier sind wir gleich wieder auf ganz anderem Niveau. Die Geschichte des Dead Rabbit wird zunächst ausführlich wiedergegeben. Dann hat der Käufer hier ein sehr schön aufgeputztes Buch in der Hand, das sich im Hauptteil mehr an den Liebhaber möglichst komplizierter Rezepturen wendet, der sich vor der Zubereitung eines Drinks gern zwei Tage mit der Herstellung verschiedenster Ingredenzien beschäftigt. Für den ambitionierten Profi ist es aber sicher ein schöner Fundus für Anregungen. Fazit: Ein Buch für alle, die schon mindestens 200 Cocktailbücher im Regal haben.

Malt Whisky Yearbook 2016, Herausgeber Ingvar Ronde, 290 Seiten: Das alljährliche Kompendium zum Stand des guten alten Maltwhiskies. Wurde hier schon einmal gewürdigt und hat seinen Stellenwert behalten. Aufs Kaffeetischchen damit!

Und noch was: Beim Betrachten der Angebote auf den Seiten der großen Onlinehändler fällt auf, dass seit zwei-drei Jahren scheinbar unendlich viele Bücher zu Gin, Rum, Whisky, Cocktails etc. auf den Markt kommen - v.a. aus den USA und v.a. mit einer retromäßigen Aufmachung. Die Autoren sind zumeist Profis, die aber auch schon über Wanderwege oder Reisen nach Vietnam veröffentlicht haben. Die Ergebnisse ihrer Recherchen sind im Bereich Cocktails/Schnaps dann meist recht übersichtlich. Fundiertes oder Neues wird nicht geboten. Das Abschreiben von Cocktailrezepten aus schon vorhandenen Werken zur Veröffentlichung als eigenes Büchlein war um 1900 ja auch schon in Mode. Kommt eben immer alles wieder...

Freitag, 13. November 2015

Real Rum: The Real McCoy Rum

Verwenden Sie die Redewendung "der wahre Jakob"? Etwas ist oder ist eben nicht "der wahre Jakob"? Die englische - oder besser amerikanische - Entsprechung ist ungefähr "The Real McCoy". Der historische Bezug für diesen Begriff ist nicht geklärt - es gibt eine Vielzahl von charmanten und mehr oder weniger glaubhaften Erklärungen für den Ursprung dieses Idioms. Dazu wird/wurde dieser immer wieder für Dinge wie Kleidung, Filmtitel (deutsch: Karen McCoy - Die Katze), Eurodanceprojekte usw. usw. verwendet. (google is your friend).

Eine belegte Geschichte rund um The Real McCoy ist auf jeden Fall die Story von Bill McCoy, Segler und Rum Runner in der Anfangszeit der Prohibition um 1920 (eine Art Han Solo mit Segelschiff statt Millenium Falcon). The Real McCoy bezog sich auf die v.a. in der New Yorker Rum Row bekannte hohe Qualität der unverschnittenen Qualitäten in Bill McCoys schwimmendem Schnapsladen. Recherchiert hat die zuletzt u.a. Filmemacher Bailey Pryor und Author Stephen Jones ("The Actual McCoy", 2007). Pryors 2013 fertig gestellter Dokufilm "The Real McCoy" brachte diesem sage und schreibe fünf Emmy Awards ein. Aber warum erzähle ich all das?
Bailey Pryor hat mit Unterstützung durch den German Rum Ambassador Dirk Becker gerade sein 3-Bottle-Rumportfolio The Real McCoy in Deutschland vorgestellt (in München mit Unterstützung durch Barfish). Wie? Der Filmfritze verkauft den Rum zum Film? Nunja, bei seinen Recherchen rund um Bill McCoy und die Frage, welchen Stoff der seinerzeit an Bord seiner Segelschiffe genommen und vor den Hochheitsgewässern der USA weiterverkauft und umgeladen hat, war Pryor auch auf dessen Fotoarchiv gestoßen und hat sich die Aufnahmen genauer angesehen. Darauf waren neben amerikanischen Bourbon- und Ryewhiskeys eben auch Rumfässer zu sehen - insbesondere mit der Aufschrift Barbados Rum. Auf Barbados fragte Pryor zunächst bei Mount Gay nach, doch dort schickte man ihn zur Seale Family, die schon seit über 100 Jahren im Rumbusiness tätig ist. Masterdistiller Richard Seale schuf nun auch die drei aktuellen Rumblends für die The Real McCoy Rums. Und die sind ganz nach der Machart von Richard Seale bzw. seiner Foursquare Distillery produziert. Geblendet werden Column- und Potstillrums (mehr Pot als Column) aus derselben Altersstruktur. Kein Zuckerzusatz (Dosage), keine Färbung, keine sonstigen Additive. Real Rum eben.
Alle drei kommen - und das hat neben Seales Auffassung von Rum auch den historischen Hintergrund, dass vor den 1940ern keine Nachsüssung vorgenommen wurde - eher trocken daher. Der Dreijährige (die Farbe wurde nach der Reifung wieder rausgefiltert) schreit nach Daiquiris aller Art, der 5er ist recht zugänglich und sollte im mixed Drink ebenso funktionieren und der 12jährige kann nach etwas Luftzufuhr (Lassen Sie ihn ruhig 15-20 Minuten Atmen) im Glas mit feiner Eiche und dunkler Schokolade überzeugen. Mit Preisen in der Staffel 30-40-60 EUR sind das keine Schnäppchen und liegen etwas über den gängigen Süßrumabfüllungen, but it's the Real McCoy!
Wie vor einigen Monaten zu lesen war, wird auch diese Story verfilmt. Chris Pratt hat die Ehre dann als Bill McCoy über die Leinwände und Screens dieser Welt zu flimmern.

Mehr dazu





Mittwoch, 4. November 2015

Viva Mexico! - heute: Mezcal Amores

In der Post-BCB 2015-Ära und aufgrund der jährlichen Neuigkeitenschwemme im Herbst/Winter stehen sich in diesen Wochen die Präsentations- und Masterclasstermine bildlich auf den Füßen. So ergab es sich auch, dass am letzten Montag einige Münchner Barmenschen der Gincraze fröhnten, während andere (die Guten) sich dem wesentlich ernsteren Thema Mezcal widmeten. "Schon wieder Mezcal?" fragen Sie? Ja, schon wieder!
Ins Münchner Zephyr hatte dazu Mezcal Amores (im Vertrieb von Capulet & Montague Ltd.) eingeladen. Exportmanager Alex Mermillod erklärte Firmenphilosophie und Herstellung und hatte auch ein paar Proben zur Verkostung dabei. Ich war vorher skeptisch. Die zeitgemäße Darbietung in www und Netzwerken und die Abfüllung mit 37% Vol. hatten mich stutzig werden lassen. Ist das nur ein gut getarntes Industrieprodukt? Nix Mezcal artesinal, sondern nur Mezcal marketing?

Meine Bedenken gab ich schnell auf, als zum einen erläutert wurde, dass der Stoff von insgesamt 12 Kleinherstellern stammt, die sich traditioneller Methoden (siehe meine Erläuterungen hier und im Film) bedienen. Zudem ist die Idee, zunächst mit einzelnen Abfüllungen für einzelne Länder in (massentauglichen) niedrigeren Alkoholgraden zu starten, statt die potentielle Kundschaft mit sechs verschiedenen Abfüllungen und um die 50%-Alkoholanteil zu überfordern, einleuchtend und clever. 

Für Deutschland ist das der Amores Espadin von Maestro Israel aus San Luis Del Rio mit 41% Vol. (für rund 40 EUR bereits erhältlich). Ein sehr guter und runder Mezcal, wie ich meine, der das milde Aroma der Espadinagave wiedergibt. Mit 41% funktioniert das auch im gemixten Drink. Der gleiche Stoff soll offenbar auch in Italien und Frankreich bereitstehen. In Spanien übrigens wurde der Amores (dort übrigens aus namensrechtlichen Gründen Amarás) Cupreata von Don Faustino Robledo aus der Papalote Agave mit 43% eingeführt. Hey! Im Direktvergleich war der nicht der salzig-rauchige Fruchtschmeichler wie der Espadin, sondern vielmehr der pfeffrige Haudrauf mit einem langen, trockenen Finish. Caramba! Allen Amores Mezcal gemeinsam ist die Verwendung von Red Oak beim Kochen der Agavenherzen im Erdofen. Das bringt etwas weniger Rauchigkeit der Brände mit sich als bei Verwendung von Pinienholz, womit die Fruchtigkeit mehr im Mittelpunkt steht.

Während Mezcal in Mexico (geschätzter Anteil an der Gesamtproduktion von Agavenbränden etwa 2-3% - der Rest betrifft Tequila) eher pur zu Meeresfrüchten und Fisch getrunken wird, läuft das Ganze in den USA und in Europa über Cocktails und Longdrinks. Die Amores Mezcals eignen sich m.E. - auch wegen des durchaus brauchbaren Preis-LeistungsVerhältnisses - für beide Anwendungen. Rezeptideen und praktische Nutzung lassen sich auf den Facebookseiten und bei den heute und morgen anstehenden Terminen nochmals diskutieren.

Facebook D Facebook ES weitere Termine: Hamburg, 4.11. Berlin, 5.11. 


Donnerstag, 29. Oktober 2015

Marriott goes Bourbon

"Die besten Drinks im wilden Westen
die mixt die stramme Mary-Ann
die haut nichts um
kein starker Rum
kein Whisky pur
auch kein Tequila.

Beim Tango legt der neue Sheriff
'ne flotte Sohle aufs Parkett
weil sonst kein Mann das so gut kann -
drum schwärmt von ihm ganz Oklahoma."


("Beim alten Bill in Oklahoma", Heino, 1979)

Stimmt. Die Songtexte hier waren auch schon besser. Aber darum geht es heute nicht, sondern es geht mal wieder um Bourbon Whiskey im allgemeinen und die Aktivitäten der American Whisky Academy e.V. im besonderen. Deren Boss, Bourbon-Mike Werner, war  als Referent zu einem kleinen Event geladen, das (wie ich finde) Symbolcharakter hat.
(Der unerschrockene Mike Werner)

Erich Zuri, General Manager des Munich Marriott Hotels, startete gestern Abend eine ausgedehnte Bourbonkamapne seines Hauses. Mit Hilfe einer speziellen Karte sollen dem Gast 15 verschiedene Bourbonabfüllungen solo, in Flights, in Drinks oder zusammen mit speziell kreierten Snacks näher gebracht werden. Ein Projekt, für das die Münchner Niederlassung als Pilothotel ausgewählt wurde.

Auf der Palette finden sich die bekannten Marken der Beamschen Small Batch Collection ergänzt um z.B. Elijah Craig von Heaven Hill, Buffalo Trace oder auch Woodford Reserve von Brown Forman. Genau das richtige Portfolio also, um Einsteiger/Umsteiger zu ködern und von der unbestrittenen Qualität der Standards aus Kentucky zu überzeugen.

Neben allerlei Fleischigem sind bei den Snacks aber auch ein Sellerie-Vanillesüppchen mit Brombeerchutney oder Shrimps mit Limette und Chili, die an der Bar mit Bourbon geshakt werden (Waren eigentlich keine Foodblogger geladen?) dabei. Das ist durchaus eine Versuchung wert und so sollte man in den nächsten Wochen einen Abstecher in die lounge93 im Munich Marriott wagen. Ob der Aufwand sich lohnt und das Angebot beim Publikum ankommt, wird man sehen. In den Niederlanden, wo das Programm schon an anderer Stelle läuft, hat es eingeschlagen und ich meine, dass jede Bemühung U.S.-Stoff hierzulande an Frau und Mann zu bringen lobend erwähnt und unterstützt werden muss. Daher: Auf nach Kentucky Schwabing!

Montag, 20. Juli 2015

Navy Rum

"Navy Rum, as issued to the Fleet, was blended in such proportions as long experience had shown to produce the flavour preferred by the men.” (First Lord of the Admiralty, Westminster, 02/03/1933)

"You never let it rest in your mouth, of course. It has to go straight down, it's not allowed to stay in your throat or it would burn it off. But by God it tasted good." (Bill Winstanley, Navy Rum Fan)

"What A Drink!" (whatadrink!-Blog, 2015)

Navy Rum - Was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Kurze Einleitung: Die Royal Navy hatte seit im 17. Jahrhundert eine enge Bindung zu Rum auf ihren Schiffen entwickelt, was sich durch die tägliche Ausgabe einer Rumration an die Seeleute, ein sogenanntes Tot, manifestierte. Das Tot wurde mengenmäßig über die Jahrhunderte immer kleiner, bis es 1970 ganz abgeschafft wurde (s. Black Tot Day). Gut. Zunächst Ende der Story.


Bei der Navy hatte sich eine Rezeptur für einen bestimmten Rumblend eingeschliffen, die inkl. Namensrechten 1979 ein Geschäftsmann erwarb und daraus die Marke Pusser's Rum kreierte. Vorher hatten sich schon Marken wie Lamb's Navy Rum, Wood's Old Navy Rum etc. etabliert, die den Navy Style in zivilen Gefilden fortführten - offizielles Rezept hin oder her. Meist stecken Destillate aus Guyana, Jamaika, Barbados und/oder Trinidad im Blend, der i.d.R. mit stattlichen Alkoholgraden von über 50% Vol. abgefüllt wird - Stichwort: Navy Strength. Letztere wird unterschiedlich interpretiert. Pusser's kommt in seiner Standardvariante (bisher als Blue Label bekannt, jetzt Gunpowder Proof mit schwarzem Etikett) inzwischen mit 54,5% Vol. in die Flasche (in den ersten Jahren mit 54%), während Wood's zum allgemein verbreiteten Navy Strength-Wert von 57% greift.
Aber bleiben wir noch kurz beim Pusser's. Den gibt es auch in einer 40%- bzw. 42%igen Abfüllung (kann man vergessen) und mit 75% Vol. zu kaufen. Letzterer ist feinster Overproof-Stoff für ca. 30 EUR/0,7l. Die Krönung der Produktpalette ist aber der Nelson's Blood. Eine (leider mit rund 25g/l aufgezuckerte) 15jährige Variante mit 40% Vol., die von der Power der hölzernen Port Mourant Double Wooden Pot Still der Demerara Distillers Ltd. geprägt ist (mindestens 80-85% soll der Anteil davon im Blend sein). Das ist ein Rum, der irgendwie den Einstieg in die Oberklasse darstellt und zugleich zeigt wie echter Rum schmecken kann. Noch besser: Der gleiche Spaß mit 47,75% im 1-Liter-Porzellandekanter. Schade, dass der mittlerweile landauf und landab ausverkauft ist.

Dekanter ist natürlich das falsche Wort. Flagon wäre richtig, womit wir auch bei einem Begriff wären, den es zu erläutern gilt. Vergessen Sie die Flagons von Lamb's oder Pusser's. Die Dinger sind nur als hübsche Geschenkverpackung zu verstehen. Der historische Bezug ist fraglich und die Lagereigenschaften sind bei Porzellanbehältnissen auch nicht gerade top. 

Rückblende. Wie wurde aus karibischem Rum der echte Navy Rum? Der Stoff kam in Fässern in den britischen Häfen an, wurde gelagert, geblendet und an den Navynachschub ausgeliefert. In Flaschen? In Fässern? - Nein, in Flagons! Das waren aber traditionelle Stone Ware-Flaschen (glasiertes Steingut) ummantelt mit einem Korbgeflecht und mit einem Fassungsvermögen von einer Imperial Gallon (4,54 Liter). Als vor einigen Jahren die Abfüllung Black Tot - The Last Consignment - British Royal Naval Rum vorgestellt wurde, wurde verbreitet, dass der Navy Rum in drei Soleras in England gelagert bzw. geblendet wurde. Diese wurden 1970 geleert, der Rum in die Flagons gebottled und rund 40 Jahre zum Teil unterirdisch eingelagert, bis der Bestand aufgekauft und der Black Tot daraus kreiert wurde. Enthalten seien also Navy Rums aus allen drei Soleras, da die Rums jeweils unterschiedliche Profile aufgewiesen hätten. Hat dies zu einem authentischen Ergebnis geführt? Wieviele Flaschen vom Black Tot nun tatsächlich abgefüllt worden sind, konnte ich nicht verlässlich recherchieren. Zu Bedenken ist aber, dass es sich um einen Blend aus Blends handelt. Und außerdem ist kaum anzunehmen, dass der Rum über 300 Jahre gleich geschmeckt haben soll. An dieser Stelle muss man auch Schwankungen im Geschmacksprofil durch fehlende Verfügbarkeit einzelner Komponenten z.B. in Kriegszeiten, wenn auch australischer Rum u.a. verwendet wurde, in Betracht ziehen. Festzustellen bleibt auf jeden Fall, dass Navy Rum nicht gleich Navy Rum ist, auch wenn er aus historischen Flagons stammt.

Warum nerde ich so auf den Flagons rum? Tatsache ist, dass ab den 1980ern und besonders in den 1990ern einige Buddels auf dem Markt aufgetaucht sind. Die Mehrzahl davon soll aus (aufgelösten) Depots in Deutschland (Münster, Bielefeld, Berlin, Hannover) und den Niederlanden (Antwerpen) stammen. Die Navy hatte Rum in Bielefeld gelagert? Was soll das denn? Nun, zum einen gibt es Stimmen, die behaupten, dass es sich dabei um Army Rum handelte, der nicht aus den besagten Soleras stammen soll, sondern lediglich kurz gelagerter Jamaikarum sei. Dazu passt die Aufschrift "R.A.S.C" (Royal Army Supply Corps) auf den hölzernen Crates, die je zwei Flagons fassen. Andere behaupten, dass es da keinen Unterschied gäbe und der Lagerbestand aus 1970 auf verschiedene Lager auch außerhalb der britischen Inseln verteilt wurde.

Lassen wir diesen Punkt offen. Ich konnte eine Probe aus einem Antwerpen-Flagon  bekommen - Destillationszeitraum: 1940/1950er. Oha! Einiges spricht dafür, dass ein Teil der Black Tot-Flagons aus dem gleichen Lagerbestand stammten. Im Vergleichstest stehen folglich Nelson's Blood und Black Tot ihren (See)Mann und ein neuer Rum aus England ist auch noch mit dabei:

Pusser's Rum, Nelson's Blood, 15y, 40%, 45 EUR/0,7l: "The Single Malt Of Rum", wie er vom Marketingdepartment genannt wird, beginnt nach schöner, verheißungsvoller Nase zunächst sweet. Dann aber kommt schon die Port Mourant Still reingestampft und zieht dem Rumrookie den Hosenboden glatt. Da ist der süße Unterton nur noch ein Beiwerk, das man verschmerzen kann. That's rum! Bei aller Reife leider etwas kurz. Sauerstoff tut ihm nicht gut. Mehr alkoholisches Rückgrat wäre wünschenswert, Mr. Tobias

East London Liquor Co. Ltd., Small Batch Demerara Rum, Wooden Coffey Still, 3y, Bourbon Barrels, 40%, 35 EUR/0,7l: Leichte Nase mit etwas Alkohol. Good News: Das ist kein pappiger "Süßrum". Holz, Vanille und Gewürze halten sich die Waage. Haselnußgeist - aber ein guter. Defintiv ein jugendliches Destillat, insgesamt leicht und gar nicht eindimensional. Auch Süßholz, Tabak und Marzipan kommen zum Vorschein. Gut gemacht, da nicht so laborhaft. We love the Enmore Still! Etwas zu jung eben...




Black Tot, The Last Consignment, British Royal Naval Rum, 54,3 % Vol., 700-900 EUR/0,7l: A bisserl Woody. Dann aber Teer, Eiche, kurz: Power. Verkohlte Banane. Cold Ashes. Hintenraus tut ihm etwas Luftzufuhr gut. Aber insgesamt ein zu kurzes und etwas eindimensionales Vergnügen trotz aller Muskeln und Komplexität. That's History! (they said).




Navy Rum, Antwerpen Flagon, distilled 1940/1950s, ca. 54 % Vol., 2000-5000 EUR/4,5l: How oily you are, my new friend. So viel Nase nach so vielen Jahren? Enorm. Gekochte Früchte und Rumtopf nach 30 Minuten. So gut nach so vielen Jahren? Hier steckt (Jamaika-) Potstill-Kraft im Destillat. Teer und Tabak, aber immer machbar. Bittere Herrenschokolade auf Eichenplanke. OMG. Spices ja, Vanille und so Kram eher im Hintergrund. Dafür langer, trockener Abgang. Immer rund und ausgewogen. The Queen! (they yelled). Der Rum hingegen schreit nach andächtigen Connaisseuren und höherwertigen Rauchwaren, scheint mir.

Fazit: Mit dem Pusser's als Einstieg in die Welt der Demerara/Navy Style-Rums und dem East London als leichten Vertreter aus der Enmore Still sind das zwei ziemlich unterschiedliche und brauchbare Kandidaten in der 40-Euro-Klasse. Dass man Destillate im Stil und mit der Klasse des Antwerpen-Flagons in den Black Tot gekippt hat (wo sie in der Masse untergegangen sind), sorgt bei mir für Entsetzen. Flagon siegt über Flasche!
Falls Ihnen diese Beschreibung gefallen hat und Sie die Anschaffung eines solchen Flagons planen, noch ein paar Hinweise: Die Flagons sind/waren paarig in Holzkisten gepackt - sog. Crates - die mit Holzwolle ausgepolstert sind/waren. Auf dem jeweiligen Crate finden sich Aufschriften der Lagerhaltung - z.B. auch "BIELEFELD" oder "ANTWERP.". Gröber umflochtene Flagons stammen wohl aus der Zeit vor/um den 2. Weltkrieg, während enger und dichter, mit dünnerem Material umflochtene Flagons aus den 1960ern stammen. Achten Sie natürlich auch auf den versiegelten Korkstopfen, der gerne durchweicht und brüchig ist, da unsere britischen Freunde die Crates gerne auch mal auf der Seite liegend aufbewahrt haben.