wad (Offenbar geht es jetzt in die heiße Phase. Johannes kontrolliert die Bohnen jetzt ständig über einen kleinen Kontrollschieber.): Wie sieht es mit Biokaffee aus?
Also ich bin kein Freund der ganzen Siegel "Öko", "Bio", "Fair", etc. Letztlich muss der Kaffee schmecken. Außerdem sind die meisten Kaffees sowieso "Bio". Insbesondere die afrikanischen Kaffees sind zu 90% biologisch angebaut - auch ohne Siegel. Kleine Produzenten können sich die Zertifizierung einfach nicht leisten und die ganzen Programme fressen einfach unheimlich viel Kohle. Oder nimm mal "Fairtrade". Das sichert dem Kaffeebauern einen gewissen, höheren Preis. Das ist aber kein Ansporn, ein besonders gutes oder noch besseres Produkt auf den Markt zu bringen, wenn ich weiß, dass ich sowieso einen guten Preis bekomme. Ich glaube, dies bei vielen "Fairtrade"-Kaffees zu schmecken. Das heißt aber bitte nicht, dass "Fairtrade"-Ware schlecht wäre. Es gibt sogar extrem gute Sachen in diesem Bereich. Aber ein Siegel ist für mich kein Kaufgrund. Meine Kaffees sind alle praktisch "Fairtrade", da sie ohne Zwischenhändler direkt vom Foodhunter beim Bauern gekauft werden. Und der bekommt relativ börsenunabhängig den Preis, den seine Qualität eben wert ist.
wad (Aus der Röstmaschine ist jetzt das Poppen der Bohnen zu hören - der "1st crack"): Jetzt mal zur Frage "Mischung oder reinsortiger Kaffee". Dein Kaffee für die "Goldene Bar" ist eine Mischung. Wieviele einzelne Kaffees sind da drin?
Vier.
wad: Und die werden zunächst einzeln geröstet und dann geblendet?
Ja, genau.
wad: Und woher stammen diese vier?
Die sind sogar aus verschiedenen Ländern.
wad: Aber Deine Kaffees hier könnten auch alle solo getrunken werden?
Ja. Die sind alle so ausgewählt, dass sie auch als Single Origin funktionieren. (Der Kaffee ist fertig geröstet. Johannes schüttet ihn aus der Trommel in eine Art Abkühlbehälter.) Siehst Du, der ist relativ hell. Man muss auch Bedenken, dass der Kaffee noch nachdunkelt.
wad: Ich finde, dass das Bohnenbild, also die Form, Farbe und Größe der gekauften Bohnen, von Anbaugebiet zu Anbaugebiet und von Röster zu Röster total unterschiedlich ist.
Afrikanische Kaffees sind meist sehr schlecht sortiert. Da könnte man noch einiges an Qualität rauskitzeln. Es gibt äthiopische Micro Lots, die sind echt der Wahnsinn.
wad: Fällt das dann unter den Begriff "Wildkaffee"?
Viele Röster verkaufen mittlerweile Wildkaffees, aber es gibt eigentlich keinen echten Wildkaffee im Verkauf. Richtiger Wildkaffee wird nur von den Leuten vor Ort konsumiert. Der Geschmack ist auch schlecht, da der Kaffee eben nicht kultiviert ist. Mich wundert es, dass man diese sog. Wildkaffees überhaupt unter dieser Bezeichnung verkaufen darf.
wad: Wie groß sind die Unterschiede in der Qualität zwischen einzelnen Jahrgängen - also durch äußere Einflüsse wie Klima, Wetter, etc.?
Die sind riesig. Vor allem wirkt sich eine ungünstige Situation gleich auf mehrere Jahre aus. Wenn also eine Ernte schlecht ist, dann kann man davon ausgehen, dass die nächsten zwei oder drei auch nicht gut sein werden. Die Pflanze braucht einfach sehr lange um sich von einem Schock zu erholen. In Kenia war das Wetter letztes Jahr ziemlich schlecht. Die Qualität ist ziemlich am Boden - bis auf die Ware von einigen wenigen Bauern. Dieses Jahr ist die Qualität aber nochmal gesunken und dazu gab es eine Dürreperiode und dann wieder Überschwemmungen. Man kann sagen, dass es für Kenia in den nächsten Jahren nicht gut aussieht. Das tut mir sehr leid. Kenia war für mich DER Produzent für fruchtige Filterkaffees. Ich hatte Kaffees, die nach Heidel- oder Johannisbeeren schmeckten. Kalt hätte man die z.B. für Eistee mit schwarzer Johannisbeere halten können. Aber dafür kommen wieder andere Länder auf: Malawi oder Tansania z.B.
wad: Du hast mir vorhin gesagt, dass Du hässliche Bohnen verkaufst, weil Du sie nicht ausröstest bis sie (wieder) glatt sind. Was ist jetzt das Unschöne an Deinen Bohnen hier?
Nimm sie mal in die Hand. Die Falten hier an der Oberseite könnte man noch ausrösten. Dann geht es in Richtung des zweiten Cracks und der zweiten Expansion. Die Bohne würde deutlich größer werden.
wad: D.h. dann wären Temperaturen von über 200°C nötig und die Bohne würde sich durch den Innendruck nochmals aufblähen.
Genau. Die Außenhülle reißt dann auf und Kaffeeöle können entweichen. Bei vielen dunkel gerösteten Kaffees sieht man das deutlich.
wad: Die Bohnen glänzen dann mehr oder weniger stark?
Ja stimmt. Für manche ist diese Öligkeit ein positives Qualitätsmerkmal. Die halten einen trockenen Kaffee dann für alt und eingetrocknet. Man muss es natürlich anders herum beurteilen. Meine beiden Kaffees aus Äthiopien und Tansania sind z.T. schlecht sortiert und die Bohnen sind sehr klein und kugelförmig. Da darf man sich nicht zu sehr auf das Auge verlassen, wenn man Kaffee kauft.
wad: Hängt an dem Handel mit Kaffee nicht auch ein größerer Verwaltungsaufwand?
Das was Du hier siehst ist mein Zolllager. Jedes entnommene Kilo muss aufgezeichnet und verzollt werden. Außerdem gibt es noch die Kaffeesteuer von 2,19 EUR pro Kilo Röstkaffee. Wenn Du das und alles anfallenden Kosten auf Billigkaffees umrechnest, dann bleibt für das Ausgangsprodukt nicht einmal der Weltmarktpreis. Dabei verliert der Kaffee durch das Rösten 20% Gewicht. Allerdings wird in den Großanlagen mit Wasser gekühlt, was die Bohnen durch Wasseraufnahme wieder schwerer macht. Durch die superkurze Röstzeit bei hohen Temperaturen verliert der Kaffee aber schon vorher weniger Wasser.
wad: Zum Abschluss - Was sind die Trends in der Kaffeeszene?
Naja. Ich finde es spannend den Kaffee "sprechen zu lassen". Man muss mit einer Mischung nicht immer den "perfekten" und runden Kaffee kreieren. Man kann z.B. eine Bohne auf zweierlei Arten rösten und diese zwei Röstungen dann blenden, um Eigenarten der Bohne herauszuarbeiten. Der Kaffee behält seine Ecken und Kanten. In Sachen Zubereitung hoffe ich, dass das, was in England, USA und Skandinavien läuft auch bei uns wieder kommt: Der Filterkaffee - auch in der Gastronomie.
wad: Aber da spricht doch unsere Italienabhängigkeit dagegen.
Nein, das ist eher ein Münchner Problem. In Hamburg oder Berlin ist man da schon weiter. Man ist dort offener und hat auch nicht die italienischen Sorten im Ausschank. In München wird das ein paar Jahre länger dauern bis handaufgebrühter Kaffee und French Press sich weiterverbreiten. Insgesamt gibt es in Deutschland beim Kaffee noch viel Nachholbedarf in Sachen Qualitätsbewusstsein.
wad: Johannes, wie siehst Du als Röster und Barista das Verhältnis von Gourmetkaffee zu trendigen Kaffeedrinks wie z.B. Cappuccino?
Das Außergewöhnliche beim Kaffee ist für mich, dass er sich als Bohne entwickelt, dann wird er geröstet und entwickelt sich weiter - irgendwann, falls er länger gelagert wird, auch wieder zu seinem Nachteil. Frisch zubereitet entwickelt er sich auch weiter, z.B. bei Abnahme der Temperatur. Wenn der kalte Kaffee dann seine Fruchtnuancen offeriert, dann ist das der Wahnsinn. Bei Cappuccino fällt dieser Effekt weg. Dafür spricht der Cappuccino mit einem Superschaum das Mundgefühl an. Wobei Schaum ist nicht der richtige Begriff. Es muss eine Creme sein. Du musst beim Trinken das Gefühl haben, eine Creme zu schlürfen. Schlecht ist also, wenn Du oben eine Schaumschicht hast und zunächst den flüssigen Teil - das Milch-Kaffee-Gemisch - drunter wegtrinkst und im Anschluss die Tasse auslöffelst. Das ist die glatte Themaverfehlung! Ein Tip dazu noch: Man darf auf keinen Fall bei der Milch sparen. Eine Frischmilch ergibt einen wesentlich besseren Cappuccino als eine H-Milch o.ä.
wad: Ich danke Dir für das Gespräch und den köstlichen Kaffee.
Ach ja. Wir klammern uns ja gern an ungeschriebene Gesetze, wenn wir uns in einem bestimmten Bereich nicht auskennen. In Sachen Kaffee sind das z.B. Thesen wie "Den besten Kaffee gibt es in Italien" oder "Kaffee immer im Kühlschrank/Gefrierschrank aufbewahren" oder "Der billigste Espresso aus italienischen Supermärkten ist besser als alle Espressi, die bei uns verkauft werden" oder "Die Crema zeigt, ob der Espresso von hoher Qualität ist" usw. Das ist freilich Unsinn. Europas führende Kaffeegenießer sind England, Norwegen und Dänemark. Danach kommt lange nix. Der eingefrorene Kaffee sollte auch längst Geschichte sein und die in der Regel sehr dunkel gerösteten (süd)italienischen Espressi verlangen von Natur aus nicht nach hochwertigsten Bohnen. Wobei es natürlich auch in Bella Italia einige sehr gute Spezialitätenröster gibt. Die Crema ist nett anzusehen, ist aber eher ein Merkmal für einen geschickten Barista und eine gute Ausrüstung als für die Kaffeequalität. Bei der oben erwähnten WBC 2011 wurde die Crema vor dem Servieren von manchem Teilnehmer sogar abgefiltert! In dem Zusammenhang fällt mir noch die Preisfixiertheit der Deutschen ein. Meine Oma hat Kaffee früher immer gekauft, wenn er besonders billig war. Die "billigen" Bohnen hat sie dann, wenn der Preis wieder gestiegen war, zurück zum Röster getragen, um sie dort frisch mahlen zu lassen. Aber lassen wir das... Bei mir ist der Kaffeevirus auf jeden Fall wieder voll ausgebrochen. Verdammt, gerade heute hat der Wasserkocher den Geist aufgegeben...
Hier noch die Kontaktdaten:
Kaffee-Rösterei Johannes Bayer
Lindenstr.30
85247 Schwabhausen
Tel.: 0152 53975859
E-Mail.: info@jbkaffee.de