Donnerstag, 24. November 2011

Absinthe - Ist das Thema schon durch?

"Absinthe, I adore you, truly! It seems, when I drink you,
I inhale the young forest's soul,
During the beautiful green season"

(Blood Axis "Absinthe" 1995)

Ok. Absinthe (wird hier ab jetzt mit "e" geschrieben) ist zur Zeit vielleicht nicht DER Burner im Barbusiness, oder? Gut, es gibt einen Absinthe, der eigentlich keiner sein will (dann wohl auch ohne "e"). Aber das mag man in diesem Fall auch gerne akzeptieren. Aber sonst? Der "Mixologe des Jahres" und bekennender Absinthefan Klaus St. Rainer hatte gerufen und so war ich einigen Unverzagten zum Absintheseminar in die "Goldene Bar" gefolgt. Dort referierte Markus Lion von "Lion Spirits" höchstpersönlich über Geschichte (davon gibts genug), Herstellung (nicht uninteressant) und aktuelle Qualitäten (zum Teil überraschend) der grünen Fee. Nebenbei gab es allerlei eventuell mal nützliches Wissen zu Broilleurs, Fontaines und Fin De Siecle. Ich hatte irgendwie geahnt, dass es französisch werden würde.
Zur schweizerisch-französischen Herkunft brauche ich mich hier nicht abzuquälen, da gibt es schon eine Vielzahl informativer Texte. Wichtiger erscheint mir die generelle Unterteilung der marktgängigen Absinthe in ihre Herstellungsmethoden. Als da wären a) der Ölmix (synthetische Öle in Alkohol - pfui!), b) die Mazeration (unter Beigabe von zumeist künstlicher Farbstoffe - bäh!) und c) die Destillation (nun endlich - die Guten!). Marcus Lion hat in den letzten Jahren zusammen mit Oliver Matter eine ganze Reihe destillierter Absinthe auf den Markt gebracht. Neben den hochwertigen und vielfach ausgezeichneten Marken "Duplais" und "Brevans" hat v.a. der "Mansinthe" für Furore gesorgt. Dieser Einsteigerabsinthe ist keineswegs ein Marketinggag, sondern überraschte (sogar) mich mit seinem runden Charakter und trotzdem einer großen Zahl von unterschiedlichen Aromen. Brauchbar. Komplexer und wesentlich absinthiger kommen die schon erwähnten Premiumkandidaten unter die wasservertröpfelnde Fontaine (gibts auch bei Herrn Lion). Ihre Farbe haben diese Prunkstücke nach Rezepturen aus dem 19. Jahrhundert übrigens von besonderen Färbekräutern, die aber auch Geschmackskomponenten darstellen. Ich darf an dieser Stelle auf den "Nouvelle Vague" verweisen, der mir mit seinen Kaffee- und Kakaonoten äußerst positiv aufgefallen ist. Im Onlineshop werden sinnvoller Weise auch diverse 0,2l- und 0,05l-Abfüllungen angeboten, die zum Probieren einladen.

Halluziniert hat meines Wissens (leider) keiner der Seminarteilnehmer nach dem Absinthegenuss und auch Ohren wurden nicht abgeschnitten (höchstens abgekaut)
. Ob sich neuerdings einer zu einem ähnlich großflächigen Marilyn Manson-Tattoo, wie es die oben abgebildete Dame mit sichtbarem Stolz trägt, hingezogen fühlt, blieb mir bisher verborgen.
Herr Lion hatte im Anschluß an das Seminar Zeit für ein kurzes Gespräch unter vier Augen...

whatadrink: Markus, du hast in letzten Jahren nicht nur einige interessante Nischenprodukte in deinen Vertrieb aufgenommen, sondern sogar einiges davon mitentwickelt. Wie schaffst du es, am Puls der Cocktail- und Barwelt zu bleiben?

Markus Lion: Ich fühle mich sehr geschmeichelt (lacht). Der Punkt ist, dass ich schon immer ein Faible für kultige Sachen, wie z.B. französische Aperitifs wie "St. Rapha
ël" oder "Suze", hatte. Setzt man sich damit auseinander, so stellt man sehr schnell fest, dass es noch viel mehr in dieser Richtung gibt. Wenn man dann aktiv ein oder zwei Sachen mitentwickelt hat, so lernt man auch leicht Leute kennen, die noch andere Dinge kennen und einen so ein Stückchen weiter bringen. Ein alter Absinthefreund von mir aus den USA hat diesen Geschäftszweig mittlerweile aufgegeben und fungiert als Importeur unserer Abfüllungen für die USA. Mit seiner Firma ist er aber in die Herstellung von anderen Spirituosen wie einem Crème De Cacao und einem Crème De Violette eingestiegen. Zudem will er bald einen Single Barrel Ryewhiskey und ein Remake des "Abbott's Bitters" auf den Markt bringen. Wir stehen in engem Kontakt und pflegen auch unsere geschäftliche Zusammenarbeit. Diese Dinge bringe dann natürlich ich in Deutschland auf den Markt.

wad: Der "Gran Classico" wurde an vielen Stellen sehr positiv beschrieben. Es ist ein Bitter der gerne mit "Campari" verglichen wird.

ML: Ja, das ist auch ok. Der "Gran Classico" soll ja das darstellen, was "Campari" vielleicht vor 100 Jahren produziert hat. Wir wollen den Italienern da natürlich nichts wegnehmen, können das ja auch gar nicht. Und haben auch nicht Möglichkeiten das im Genauesten zu recherchieren. Wir können neben dem Industrieprodukt aber ein artisanales Produkt hinstellen und vielleicht ist die doch sehr aktive Barkeeperszene in Deutschland auf der Suche nach solchen handgemachten Produkten, die es eben nicht in jedem Supermarkt gibt.
wad: Mit diesen Produkten kann ich mich als Bar doch auch profilieren und dem Gast etwas besonders bieten.

ML: Ich sehe das so: Ein Barkeeper ist eine Vertrauensperson. Dieses Vertrauen wird ihm entgegengebracht, weil er dem Gast ein positives Erlebnis vermittelt. Beim BCB haben wir übrigens keinen Stand belegt, da wir gesagt haben, dass wir lieber rumlaufen und uns mit den Leuten unterhalten, um so den einen oder anderen Trend aufzuspüren, als dass wir fix an einem Punkt stehen und gar mitkriegen, was um uns rum passiert. Das war die richtige Entscheidung.

wad: Nochmal zurück zu dem Punkt "Nischenprodukt und Industrieprodukt". Ich finde es schade, dass mancher Hersteller offenbar nur auf Zahlen und Bilanzen schaut und nicht fähig ist Abfüllungen nach historischer Rezeptur - Stichwort: "Kina Lillet" - auf den Markt zu bringen. Das kann doch als imagebildende Massnahme auch mit limitierten Auflagen o.ä. geschehen.

ML: Die Entscheider sind ja letztlich Kaufleute. Dass die nicht den Enthusiasmus eines kleinen Herstellers mitbringen, liegt auf der Hand. Ich weiß, dass wir vom Absinthe "Nouvelle Vague" im Jahr nur ein paar hundert Flaschen verkaufen. Aber ich würde den auch machen, wenn ich den überhaupt nicht verkaufen könnte, weil ich ihn geil finde.

wad: Du bist da natürlich unabhängiger und kannst auch reagieren, wenn doch Nachfrage entsteht. Bei "Mansinthe" habt ihr sicher auch klein angefangen?

ML: Äh, eigentlich nicht. Da haben wir richtig reingehauen, weil wir von Anfang an eine sehr große Nachfrage hatten. Für unsere Verhältnisse ist das quasi ein Massenprodukt. Aber trotzdem können wir mit gutem Gewissen sagen, dass der "Mansinthe" aus den gleichen Bestandteilen besteht wie alle anderen unserer Absinthe - nur eben mit einer leichteren Rezeptur. Da wir ihn so günstiger produzieren, können wir ihn auch günstiger anbieten. Der kommt überall gut an und ist von Kanada bis Neuseeland verfügbar.

wad: Meine ersten Absintheerfahrungen liegen schon etwas zurück. Diese gleich nach der Legalisierung auf den Markt geworfenen Absinthe hatten bunte Farben und schmeckten ziemlich schauderhaft. Nun bist du bei deinem Vortrag schon kurz auf die oftmals weniger gelungenen Supermarktabsinthe eingegangen. Wie bewertest du das derzeitige Image der Spirituose Absinthe?

ML: Das Problem ist, dass es eben keine gesetzliche Kategorie namens Absinthe gibt, die einen gewissen Qualitätsstandard definiert. Aus diesem Grund gibt es Ramschprodukte. Und wer einmal negative Erfahrungen gemacht hat, ist nur schwer zurückzugewinnen. Das Fachpublikum ist da für Erörterungen zu den Unterschieden in der Herstellung etc. sehr aufgeschlossen. Aber Gin lässt sich sicher viel leichter verkaufen. Absinthe ist aber eben auch keine Billigspirituose, wenn er gut gemacht ist.

wad: Wie groß ist der Einfluss der Basisspirituose auf das Endprodukt?

ML: Die heute erhältlichen Neuralalkohole sind so neutral, dass sie keinen Einfluss haben. Wir verwenden sehr feinen Getreidealkohol von der Eidgenössischen Alkoholverwaltung, der zudem auch günstiger als Weinalkohol ist. Die Verwendung von letzterem würde sich im Vergleich zum Getreidedestillat vielleicht bei längerer Fasslagerung des Absinthes für 5 bis 6 Jahre z.B. bemerkbar machen.

wad: Woher bezieht ihr die anderen Ingredenzien?

ML: Unser Wermut kommt aus fünf verschiedenen Quellen. Ein Lieferant ist in Frankreich, zwei in der Schweiz, einer im mediterranen Raum und einer auf dem Balkan beheimatet. Die verschiedene Herkunft bringt verschiedene Charktere mit und damit spielen wir bei der Herstellung bzw. Entwicklung. Die Unterschiede sind enorm. In erster Linie beziehen wir aber unsere Botanicals von einem 5km entfernten Kräuterhof, der auf sehr hohem Niveau produziert.

wad: Historische Absintheflaschen werden für vierstellige Eurobeträge gehandelt. Gibt es bei Absinthe wirklich Freaks wie bei Wein oder Whisky?

ML: Ja schon. Ich habe auch mehrere alte Flaschen zuhause. Als ich zum ersten Mal richtig alten Absinthe von ca. 1910 probieren konnte, war ich begeistert von der Intensität und Cremigkeit dieses absolut delikaten Stoffs. Der hohe Alkoholgehalt führt sozusagen zu einer Selbstkonservierung.

Abschließend sei noch auf die beiden 10"/CDs namens "Absinthe - La Folie Verte" und "Absinthia Taetra" aus den Jahren 2002 und 2004 hingewiesen, die im Rahmen einer Kollaboration der Neo Folk / Industrial-Formationen "Blood Axis" und "Les Joyaux De La Princesse" aufgenommen wurden. Genau der richtige Soundtrack für die grüne Fee...

Mittwoch, 23. November 2011

It's the end of the world, baby!

Heute: Kultur bei whatadrink! in persona des "Campari"-Kalenders 2012. Dabei handelt es sich bereits um die 13. Ausgabe dieser streng limitierten Preziose, die nicht im Handel, sondern nur über "Campari" und dessen Vertreter zu bekommen ist. Der Leser hat auch eine Flasche des roten Bitters im Regal? Dies allein eröffnet jedoch noch nicht den Bezugsanspruch, denn nur 9.999 Exemplare werden weltweit vergeben. Die ersten davon gelangten letzte Woche unters Volk bei der offiziellen Präsentation des Werkes in der Münchner Galerie Sabine Knust.Nach den Hayeks, Mendes und Albas hatte man für die 2012er Ausgabe eine kühle Blonde als Model gewinnen können: Milla Jovovich. In Szene gesetzt und mit allerlei digitalem Weltuntergangsdrumherum versehen wurde die seit vielen Jahren sehr erfolgreiche Schauspielerin vom Fotokünstler Dimitri Daniloff. Die Ergebnisse, so schön auch Bildbeschreibungen und Pressetext formuliert sind, treffen vielleicht nicht jedermanns Geschmack. Das eine oder andere Motiv ist schon reichlich surreal. Aber was soll's. Auch ich, eher Anhänger einer traditionellen Bildsprache, fand ein oder zwei Favoriten, die durchaus einen passablen Wandschmuck abgeben.
Idee und Konzept (Titel: It's the end of the world, baby!) beinhalten den von einigen Prophezeiungen vorausgesagten Weltuntergang im Jahre 2012, doch wie ein vielgereister und erfahrener Vertreter der Fachpresse so passend bemerkte: "Das Ende der Welt ist nicht das Ende der Bar." Dem kann ich mich nur anschliessen und darf - zurück in die Realität - auf zwei "Campari"-Drinks verweisen, die an diesem Abend neben anderen Klassikern von einer wohlbesetzten Münchner Gang kredenzt wurden: Der "Italian oder Campari Mojito" und der "Campari Sprizz" (Wir sind ja schließlich in München). Beides nicht neu - beides aber gute, ehrliche Sommerdrinks. Salute!

Donnerstag, 17. November 2011

Wiedervorlage: Ardbeg

Gut. Über "Ardbeg", den selbsternannten Ultimate Islay Malt bzw. The Untamed Soul Of Islay hat GottunddieWelt schon gesprochen und geschrieben. Und ich auch schon. Aber es gibt Neues. Zunächst einmal ist die Siegesserie in "Jim Murray's Whisky Bible" wohl vorerst gerissen, die den Schotten von 2008 bis 2010 lang den Titel "Scotch Whisky Of The Year" und zweimal sogar "World Whisky Of The Year" einbrachte. 2011 gewann "Ballentine's 17" und dieses Jahr liegt nun "Old Pulteney 21" vorn - vor gleich zwei Amis. Nur "Ardbeg 10" hat den Titel bei den "10 Years And Under (Multiple Casks)" inne. Pffffh. Geht es mit den Mannen um Dr. Bill Lumsden und Mickey Heads dem Ende zu? Sind die Anderen auf der Überholspur und schon vorbei? Ardbeg in der Krise? Und was ist eigentlich mit der "Feis Ile"-Abfüllung 2011? Beim BCB 2011 war - große Ehre! - Distillery Manager Mickey Heads persönlich anwesend um in zwei Masterclasses seine Produkte vorzustellen und ausgiebig zu erläutern. Dass "Ardbeg" weiter der most peatiest Scotch Single Malt (mit mindestens 50ppm) ist, hat sich nicht geändert, auch wenn allen voran "Bruichladdich" mit seinen "Octomores" im Jahresrhythmus neue Rekorde (derzeit 167ppm) aufstellt. Bei den Standardabfüllungen - soweit getorft - liegt dieser Wettbewerber schließlich nur bei 20-30ppm. Allerdings ist zu beachten, dass rund die Hälfte des ursprünglichen Phenolgehalts während der Herstellung und Lagerung verloren geht. Zu weitergehenden Informationen zu Ausgangsmaterial, Destillationsprozess, Abfüllung, etc. verweise ich auf die sehr schöne Heimseite (und das unten angehängte Video) und möchte nur auf ein paar Punkte hinweisen, die auch Master Heads besonders in den Mittelpunkt stellte. Zum einen ist der Copper Purifier (siehe Foto) zu nennen, der oben am Hals der Spirit Still sitzt. Diese Einrichtung, die "Ardbeg" übrigens als einzige Destille auf Islay nutzt, ist mitveranwortlich für den Hausstil des relativ leichten Whiskys mit seiner fruchtigen Süße (neben viel Torfrauch in der Nase und dem komplexen Ablauf der Phenole auf Gaumen und im Finish). Ein Faktum ist auch, dass "Ardbeg" vermutlich noch nie in seiner Geschichte so viele erstklassige Fässer zur Verfügung hatte wie heute. Hier profitiert man ganz direkt von der Kooperation mit "Glenmorangie" über den Eigentümer LVMH. Schließlich macht der Einfluss des Fasses, nach Mickey Heads, rund 50% des späteren Whiskygeschmacks aus. Interessant ist auch noch die Tatsache, dass "Ardbeg" seit geraumer Zeit keine (gefüllten) Fässer mehr abgibt - nicht an Blender und nicht an unabhängige Abfüller. Die wenigen erhältlichen "Ardbegs" von den Independents dürften also in Zukunft rar bzw. noch älter werden. Das anschließende Tasting startete standesgemäß mit dem "Ten" (46% Vol., 1st & 2nd fill bourbon casks). Ich habe das Gefühl, dass immer wenn ich mir ein Gläschen davon genehmige, es eine Rückkehr nicht nur zu meinen ersten "Ardbeg"-Erfahrungen, sondern auch zum Geist von Islay ist - zumindest, was ich darunter verstehe. Naja. Auf jeden Fall wird dieser "Standard-Ardbeg" aufgrund seiner Verfügbarkeit und den diversen anderen Releases fast schon wieder unterschätzt. Es folgten "Uigeadail" (54,2% Vol., bourbon & sherry casks) und "Corryvreckan" (57,1% Vol., new french oak & bourbon casks), der nunmehr auch zur offiziellen Range gehört. Irgendwer hatte mir kürzlich noch eingeflüstert, dass es kein weiteres Batch davon mehr geben sollte. Na egal. Weiter ging es mit dem "Alligator" (51,2% Vol., bourbon & new american oak - level 4 - casks) und zwei Casksamples, die zum einen aus einem 1998er Refill Sherry Hogshead (53,9% Vol.) und zum anderen aus einem 1975er Refill Sherry (45,3% Vol.) stammten. Rrrrr.
(Mickey Heads und Bernhard Schäfer)

Am Rande des BCB hatte ich zudem noch die Möglichkeit Mickey Heads ein paar Fragen zu stellen.


whatadrink: Mickey Heads, Sie wurden auf Islay geboren, waren zuletzt u.a. Distillery Manager bei "Isle Of Jura" und folgten Stuart Thompson 2007 bei "Ardbeg". Sie sind also etliche Jahre im Whiskybusiness tätig. Was hat sich geändert, wenn Sie z.B. die 80er Jahre mit 2011 vergleichen?


Mickey Heads: Das gibt es viele Dinge. Insbesondere für Islay ist das gestiegene Interesse an Islaywhisky ganz entscheidend. Noch nie sind soviele Leute zu uns gekommen wegen unserem Whisky. Die Wiedererweckung von "Ardbeg" mit vielen jungen Abfüllungen hat hier wesentlich dazu beigetragen. Alle anderen Islays finden in diesem Zuge aber natürlich auch mehr Beachtung als zuvor.


wad: Im Tasting hier beim BCB haben Sie einen 1975er "Ardbeg" ausgeschenkt. In welchem Bereich lag das Peating Level in den 70ern?


MH: Nun, in den 70ern hatte "Ardbeg" ja noch eine eigene Mälzerei und hat das verwendete Malz folglich zum Teil selbst hergestellt und getorft, aber je nach Bedarf eben auch zugekauft. Ich schätze das Level für diesen sehr alten Whisky auf 40-50ppm. Durch die lange Zeit im Holz verschmelzen die Flavours geradezu.


wad: Ja, ich fand ihn sehr beeindruckend und sehr rund.


MH: Er hat Ihnen geschmeckt?


wad: Er hat mir sogar sehr gemundet! Im Gespräch mit anderen Teilnehmern der Masterclass hat sich herauskristallisiert, dass viele der Meinung sind, dass sich "Ardbeg" und Sherrycasks gut vertragen. Wie beeinflussen nach Ihrer Meinung Sherrycasks "Ardbeg"-Whisky?


MH: Sherrycasks sorgen für die nötige Balance und geben in erster Linie Fülle und Reichhaltigkeit zu unserem rauchigen Destillat. Das ergänzt sich sehr gut. Natürlich funktioniert "Ardbeg" auch sehr gut in amerikanischer Eiche. Aber das ist ein komplett anderes Ding.
wad: Sie haben weiterhin viele junge Whiskys im Portfolio. Wird es noch einen "Supernova" 2011 oder 2012 geben?

MH: Naja, wir versuchen immer etwas Neues zu machen. Dieses Jahr gibt es ja nun den "Alligator" und was nächstes Jahr kommt, weiß ich auch noch nicht so genau.


wad: Mickey Heads, Sie haben die "Ardbeg"-Landladies mit ihrer Schubkarre hier gesehen und es ist zu bemerken, dass die beiden gar nicht aus Schottland kommen. Daher auch meine Frage: Gibt es auf Islay ähnlich reizende Damen?


MH (lacht): Ja natürlich.


Als weiterführende Lektüre wird dringend "Ardbeg - A Peaty Provenance" von Gavin D. Smith und Graeme Wallace empfohlen. Der mittelformatige Schmöker aus dem Jahr 2008 ist nicht ganz billig, aber auch keineswegs überteuert. Er bietet neben einem umfassenden Rückblick auf die Ardbegsche Geschichte und Fakten zur Herstellung gestern und heute auch ein detailliiertes Verzeichnis der höchst sammelbaren Releases tw. sogar in ganzseitigen Abbildungen. Ehemalige Distillery Manager bzw. Master Distiller kommen auch ausgiebig zu Wort. A must!Ob der "Ardbeg Feis Ile 2012" ein ebensolches Muss ist, darf jeder, der in den Genuss dieser Abfüllung kommt, selber entscheiden. 1200 Flaschen wurden aus zwei Pedro Ximenez-Sherryfässern mit 13jährigem "Ardbeg" aus 1998 befüllt (55,1% Vol.) und beim Islayfestival unter dem Motto "A Load Of Bull" verkauft. Trotz der Leitlinie "one bottle per customer" landeten einige davon auf den bekannten Auktionsplattformen - natürlich zu einem Mehrfachen des Ausgabepreises. Jim Murray war mit seiner Vorabprobe auf jeden Fall reichlich unzufrieden und vergab aufgrund des Schwefeleinflusses der Sherryfässer nur 67 (!) Punkte im Gesamturteil. Shocking! Aber Murray kennt bei Sulphur auch kein Pardon. Bei einer kleinen Verprobung dieser Tage in München befanden die (Blind)Tester den Probanden aber keineswegs für ungenügend, sondern äußerten sich durchweg positiv. Bittersweet but smoky.

Speakeasy, PDT, SagsNedWeiter, SprichNichtDrüber...

Donnerstag, 3. November 2011

Rum von Alambic Classique

Whisky, Cognac, Armagnac, Calvados und Fruchtlikör, Gin, Marc und Rum. Dies alles importiert und handelt Hermann Suppanz in Bad Wörishofen unter dem Label "Alambic Classique". Dem geneigten Leser dieser und anderer Publikationen dürften v.a. die außergewöhnlichen fassgelagerten Gins oder die hochwertigen, alten Scotch Whiskies aufgefallen sein. What A Drink! beschäftigt sich heute allerdings mit einer anderen Warengruppe: Rum. Und hier im speziellen mit sage und schreibe gleich neun verschiedenen Einzelfassabfüllungen aus dem karibischen Raum. Alle Rums der aktuellen "Rare Single Cask"-Range werden auf 45% Vol. reduziert und in schlichten aber optisch durchaus wertigen 0,7l-Flaschen angeboten. Ich darf im folgenden ein paar kurze Stichpunkte zur Beschreibung aus meinem Tasting anfügen und mich bei Herrn Keuper vom Münchner Barroom bzw. bardealer.de für seine Mitarbeit bei dieser sensorisch anspruchsvollen Tätigkeit bedanken.

Cuba - "Sanctus Spiritus - Old Vintage", 1998, 12 Jahre alt: Ein Duft nach fassgelagertem Apfelbrand bzw. jungem Calvados, dann aber trockener Kubaner mit deutlichem, rauchigen Fasseinfluss, für uns keine Süße vorhanden;

Barbados - "Foursquare - Millenium Reserve", 2000, 6 Jahre alt: zunächst leichte Schwefelnase, die aber verfliegt, dann Vanille und eine Spur Orange, im weiteren Verlauf auch Kokosnuss, am Gaumen viel Toffee, leichte Frucht und langer Abgang;

Martinique - "Galion - Grande Reserve"
, 2002, 8 Jahre alt: typische Agricolenase mit Alcantaraleder, dann Himbeeren, Fenchelhonig und leichte Bitterkeit vom Fass (?), durchgehender Zuckerrohrgeschmack;

Guadeloupe - "Bellevue - Flamme D'Or"
, 1998, 9 Jahre alt: in der Nase süßer als am Gaumen, Karamell, dann geben sich Zitrusnoten und Zuckerrohr die Hand, erfrischend trotz Fasseinflüssen, trocken und lang, ein maskuliner und trotzdem ausgeglichener Rum;

Jamaika - "Long Pond - Imperial"
, 1992, 18 Jahre alt: klassisches Jamaikaprofil mit enormem Volumen, gebrannte Orange, trockener Abgang, lang und sehr komplex;

Grenada - "Westerhall - XO"
, 1998, 9 Jahre alt: Kräuter und Vanillehonig in der Nase, auch Koriander, ölig mit leicht rauchigem Fasseinfluss, Pfeffer, Der Gin unter den Rums;

Nicaragua - "Chichigalpa - Tres Vieux"
, 1995, 15 Jahre alt: deutliche Vanille, dann wie erwartet brauner Kandis mit kandierten Früchten, im Abgang trockner werdend;

Nicaragua - "Licorera - Special Reserve", 1998, 8 Jahre alt: zarte Vanille, dann weiter mit Vanille und Röstaromen, es bleibt ein nicht zu identifizierender Beigeschmack;

Trinidad - "Trinidad Distillers - Millenium Reserve"
, 2000, 6 Jahre alt: Toffeenase, ölig, mit weißem Pfeffer, öffnet sich langsam und zeigt dann deutliche Vanille, lang, hat Charakter und macht keine Gefangenen;

Unsere Favoriten waren letztlich der "Galion" und der "Long Pond" gefolgt vom "Chichigalpa". Vom "Bellevue" hatten wir uns mehr erwartet. Der "Licorera" hat uns nicht geschmeckt. Das Portfolio bot aber einige positive Überraschungen und gibt Anlass zur Neubewertung des einen oder anderen Herstellerlandes. Rum bietet nun wirklich immer etwas Neues.

Mit Bruttopreisen zwischen 40 und 65 Euro sind die "Alambics" auf den ersten Blick keine Schnäppchen. Doch handelt es sich zum einen ja auch um hochklassige Raritäten im besten Sinne und zum anderen gibt es für Handel und Gastronomie gesonderte Preislisten für den Direkteinkauf. Nachfragen lohnt sich da meines Erachtens.
Nachgefragt habe ich auch bei Herrn Suppanz.

whatadrink: Herr Suppanz, viele karibische Rums werden in Schottland bzw. England gelagert. Trifft das auch auf die von Ihnen angebotenen Einzelfassabfüllungen zu oder kommt Ihr Rum aus Lagern im jeweiligen Herkunftsland?


Hermann Suppanz: Generell kann man sagen, dass alle unsere Rums die meiste Zeit im Herkunftsland gelagert wurden.


wad: Wir waren beim Tasting u.a. vom "Grenada Westerhall X.O." besonders überrrascht. Wie kommt man solch ein exotisches und zugleich außergewöhnlich gutes Destillat?


HS: Wir hatten einfach Glück. Aber ich muss natürlich auch dazu sagen, dass wir uns immer aus einer Vielzahl von Fässern, die für uns besten auswählen. Das trifft übrigens auch auf alle anderen Fassabfüllungen - insbesondere unseren Whisky - zu.

wad:
Gibt es einen besonderen Grund, warum Sie bisher keinen Demerararum aus Guyana im Angebot hatten?

HS: Hier wurde uns noch nichts Spezielles angeboten, aber oft stimmt auch das Preis-Leistungsverhältnis nicht.

wad: Alle Ihre Rumabfüllungen sind (was ich sehr gut finde) mit 45% Vol. ausgestattet. Planen Sie für die Zukunft eine Abfüllung in Faßstärke?

HS: Das haben wir uns auch schon überlegt und wollen, wenn es mal passt, auch in Fassstärke abfüllen. Meist kaufen wir aber Fässer mit Originalstärke von über 70% Vol. ein. Das ist dann doch zu hoch bzw. lässt sich bei uns kaum vermarkten.


wad: Danke für die Informationen.

Die Produkte von "Alambic Classique" sind in verschiedenen deutschen Onlineshops erhältlich. Eine Liste der aktuellen Bezugsquellen können Sie hier direkt anfordern.


(Hinweis: Für das beschriebene Tasting wurden Warenproben zur Verfügung gestellt.)

Mittwoch, 2. November 2011

Disaronno Mixing Star @ Rome Film Festival

"...take me to Rome in the rain
have some of the best days in our lives..."
(Philip Boa & The Voodooclub, 2000)


Gut. Es hat überhaupt nicht geregnet in Rom. Und für den gemeinen Germanen war die Großwetterlage über der italienischen Kapitale unzweifelhaft als sommerlich (!) zu bezeichnen. Trotzdem oder gerade deswegen herrscht an diesem trüb-nebligen Wochenanfang bei mir so etwas wie Ernüchterung. Die Eindrücke sind aber noch ganz frisch: Hotel De Russie und Silvio Soldini, Disaronno und Red Carpet Walk, Mixing Star und Maroni, Jerry Thomas und Movie Casting, Cat Walk und Colosseum, Dom Costa und Dolce Vita, Gallone und Glamour,... Aber der Reihe nach.

(Hotel De Russie)

Zum offiziellen Abschluss der ersten Ausgabe des "Disaronno Mixing Star" - Cocktailwettbewerbs, der bereits in 2010 gestartet worden war und an dem sich insgesamt 650 Bartender beteiligt hatten, hatte ILLVA Saronno, Hersteller des weltweit bekanntesten italienischen Likörs, die Finalisten des "Mixing Star" zum "Rome International Film Festival", genauer in die dortige Contemporary Terrace eingeladen. In der ewigen Stadt ging es zunächst auf den Spuren von Fellinis "La Dolce Vita" durch drei Bars, von denen das "Hotel De Russie" mit seinem grandiosen Innenhof und einer Freiluftbar den besten Auftritt hinbekam. Der fachlicher Leiter der Reisegruppe war Domenico Costanza aka Dom Costa, der neben seinen Meriten als internationaler Bartender für sein Knowhow bezüglich italienischer Klassiker wie Negronis, Americanos und Torino-Milanos bekannt ist.

(Dom Costa)

Dom Costa stellte dann zusammen mit ILLVA-General Manager Stefano Battioni das 140seitige Mixbuch "The Mixing Star Hall Of Fame" offiziell vor, das alle Rezepturen des Wettbewerbs enthält und mit zahlreichen Fotos illustriert ist. Meines Erachtens ist dies eine ergiebige Ideensammlung, die auch durchaus überraschende Variationen zum Thema enthält und irgendwie auch ein Abbild der globalen Mixkultur wiedergibt. Damit wurde aber zugleich auch der Startschuss für den "Mixing Star" 2012 gegeben, der neben den bisherigen Ländern USA, Italien, UK, Deutschland, Russland, Griechenland, Belgien und Niederlande auch nach Australien, Mexico, Japan, Spanien, Kanada und die Karibik kommt.

Nach kulinarischen Leckereien in der "Disaronno"-Lounge ging es über den roten Teppich des Filmfestivals zur Premiere von Pippo Mezzapesas neuestem Werk "Il Paese Delle Spose Infelici".

Tag 2 wurde dann zum Großteil von einem besonderen Programmpunkt eingenommen: Die Bartender wurden für eine Rolle in Silvio Soldinis "Il Comandante E La Cicogna" gecastet. Dafür hatte sich der Regisseur einen ganzen Tag reserviert, obwohl der Beginn der Dreharbeiten kurz bevorsteht. Gleichzeitig lief ein kleiner Mixcontest unter dem Titel "The Extreme Mixology Cocktail Rush", der den Teilnehmern in nur zwei Minuten einen improvisierten Cocktail abverlangte. Den Abschluss bildete ein Diner mit anschließender Party, wo Francesca Raviola zur Siegerin des "Cocktail Rush" gekürt wurde. Deutschlands Vertreter Michael Heimberg hielt die Fahne hoch und wurde Dritter.

Ich hatte die Gelegenheit ein paar Stimmen einzufangen. Zunächst konnte ich Bogdan Petrov aus St. Petersburg befragen, der für eine russische Restaurantkette im Bereich Beratung und Ausbildung arbeitet.

whatadrink: Bei uns kommen von Zeit zu Zeit Informationen und Gerüchte über die osteuropäische und russische Barkultur an. Eine Sache, die mir öfters zu Ohren gekommen ist, war, dass der Geschmack dort generell etwas süßer als z.B. in England wäre und sich folglich süßere Drinks und Liköre besser verkaufen ließen. Stimmt das?

Bogdan Petrov: Naja. Wir leben nunmal in nördlicheren Gefilden und da ist die Nachfrage - schon allein wegen der Außentemperaturen - nach stärkeren Getränken mit viel Eigengeschmack groß. In den Sommermonaten spielen auch leichtere Drinks eine Rolle, aber im Großen und Ganzen geht es in Russland um starke Flavours. "Jägermeister" ist z.B. ein Produkt, das immer mehr nachgefragt wird. Ansonsten geht es, wie überall sonst auch, um Sweet & Sour und Trends wie Gewürze.

wad: Welche Spirituosen spielen bei Ihnen die Hauptrolle?

BP: Natürlich wird weiterhin am meisten Vodka getrunken. Aber auch Whisky spielt eine große Rolle. Ich persönlich bevorzuge aber Rum. Auch Spiced Rum ist groß im Kommen und die jungen Leute trinken gerne Tequila. Eigentlich trinken wir alles. Ich sehe da gar keinen großen Unterschied zu England oder Europa, denn die russische Cocktailkultur wächst sehr schnell. Das Qualitätslevel ist durchaus mit London vergleichbar, denn sowohl die großen Firmen als auch die großen Bars treiben die Ausbildung der russischen Bartender voran.

(Bogdan Petrov)

Dann standen mir noch der Europazweite und "Chartreuse" UK Brand Ambassador Matthew Dakers und Adrian Gomes Rede und Antwort.

wad: Sie kommen beide aus London?

Adrian Gomes: Nein nein. Ich arbeite in Aberdeen, Schottland, für LPNY, 10dollarshake und TheCorpseAnd Cocktail.

Matthew Dakers: Ich arbeite in London im Ginpalace "Worship Street Whistling Shop" (Menu).

wad: Sie beide waren beim "Mixing Star" dabei. Was ist der wichtigste Geschmack im Profil des "Disaronno", wenn es um Cocktails geht?

MD: Mandeln.


AG: Ja, Mandeln. Ich meine, "Disaronno" hat ein rundes Geschmacksprofil mit mehreren Nuancen. Aber es geht um das Mandelaroma.

MD: Es erinnert mich an meine Kindheit und an einen Kuchen mit Marzipan, den meine Großmutter gebacken hat. Ich liebe das.

wad: Mit welchen Spirituosen kombinieren Sie "Disaronno" in Ihren Bars?


MD: Das ist eine schwierige Frage, denn es ist schließlich ein süßer Likör mit relativ geringem Alkoholgehalt. Es kommt auf den Gast und den gewünschten Cocktailtyp an. Im Wettbewerb hatte ich einen Cocktail mit 75,5%igem Rum (Rezept s.u.). "Disaronno" passt aber natürlich zu jeder relativ neutralen Spirituose, wie z.B. Vodka - aber auch zu Gin. Rum passt aber verdammt gut.

AG: Ich hatte Kirsch benutzt (Rezept s.u.). Das trockene Eau-De-Vie ist mit seiner Stärke sehr gut zum Ausbalancieren der Süße geeignet. Gleiches gilt natürlich für Zitronensaft und Marascino. Es ist schwierig einen richtig guten Drink zu bauen, wenn die Hauptzutat ein Likör ist. "Disaronno" ist aber sehr flexibel und funktioniert hervorragend mit aged spirits, das hat nicht jeder Likör so gut drauf. Mit Vodka hingegen ist das ja leicht.

(Adrian Gomes & Matthew Dakers)
(Ciro Adriano De Georgio)
(Michael Heimberg)
(Francesca Raviola)
(Alessandro Bonventi)
(Francesco Cione)
(Michael Heimberg)
(Bogdan Petrov)

Dopo Cena
(Adrian Gomes)


3cl Disaronno
3cl DeKuyper Kirsch
2cl Zitronensaft (frisch gepresst)
1cl Luxardo Maraschino
0,5cl Zuckersirup
shake & strain in Cocktailschale, Deko: frische Kirsche mit Stil


From Disaronno Till Dawn (Matthew Dakers)

5cl Disaronno
1,5cl Goslings 151
1,5cl Chianti
Chocolate bitters
stir & strain in Martini, Deko: Orangenzeste und Maraschinokirsche

Amaroni (Michael Heimberg)

2cl Disaronno
4cl Gin
1cl sherry
2cl Aperol
1cl Tondo Crema Di Balsamico
5 frische Basilikum Blätter
1d TBT Grapefruit Bitters
stir & strain in OF, Deko: Orangentwist, Basilikumblatt


YouTube-Kanal des "Mixing Star"