Dienstag, 20. September 2011

Disaronno Originale - Der Amaretto, der keiner mehr sein will...

"Disaronnos" Markenbotschafter für Deutschland, Emanuele Ingusci, und der Vertriebspartner des italienischen Familienbetriebs, die "Campari Deutschland GmbH", hatten zu einem kleinen aber feinen Workshop in "Mauro's Negroni Club" in München geladen. Ein Amarettoworkshop? Wer braucht denn sowas? - Offensichtlich die deutsche Barszene, was sich an der regen Beteiligung - trotz einiger Absagen in letzter Minute - ablesen ließ.Emanuele Ingusci, Inhaber und Chefbartender des legendären Münchner "Barroom", wird ab November durch Deutschland ziehen und große und größere Städte bzw. deren Barpersonal auf den "weltweit meistverkauften italienischen Likör" und dessen grandiose Mixability aufmerksam machen. Das jetzige Image des guten Tropfens ist gelinde gesagt als angestaubt zu bezeichnen. Der Inhalt der rund 700.000 Flaschen, die jährlich bei uns über den Ladentisch bzw. die Supermarktkasse gehen, dient zu großen Teilen als Tiramisuzutat oder - sorry - Damenschnäpschen beim Italiener an der Ecke. Wann hat man zuletzt einen Godfather (übrigens sehr zu empfehlen mit einem frischen Islaymalt, wie z.B. "Kilchoman") gemixt?Ingusci räumte zunächst mit der größten Falschinformation auf: Der "Disaronno" ist kein Mandellikör und die Bezeichnung Amaretto ist auch nicht gleichbedeutend mit Mandellikör, sondern bedeutet vielmehr "kleiner Amaro" (amaro = ital. bitter). Die Amaretti gehören damit auch zu den Bitter und zwar genauer zu den Bitter Dolce. Um sich von den vielen Nachahmern abzuheben verwendet der Hersteller (die Firma ILLVA) diesen Begriff seit geraumer Zeit auch nicht mehr (Ausnahme: UK-Website). Mandeln spielen bei der Produktion also überhaupt keine Rolle. Auch die kursierenden Informationen, dass der "Disaronno" aus Aprikosenkernen bzw. Aprikosenkernöl hergestellt wird und genau 17 Zutaten enthält, liessen sich bei einem Besuch der Familie Reina nicht verifizieren. Die Italiener geben sich bezüglich Rezept und Herstellungsmethode leider äußerst zugeknöpft, was mit der Angst vor allzu guten Imitationen zu tun hat. Schlechtere gibt es offenbar in rauhen Mengen. Da an der ambitionierten Bar heutzutage jedoch das Beste gefragt ist, blieb nach einem kurzen Abstecher zur Familien- bzw. Produktgeschichte nur der Eigenversuch, der auch ein Vergleichstasting mit vier Mitkonkurrenten beinhaltete. Hier die Ergebnisse:"Disaronno Originale" (28% Vol.): Nase - Marzipan, Schokolade, Toffee, Nougat, Walnuss, Vanille; Geschmack - Karamell(bonbon), Bitterorange, Kräuter;

"Casella Amaretto" (21,5% Vol.): Nase - Farben und Lacke; Geschmack - mazerierter Industriegummi

"Tosci Amaretto" (30% vol.): Nase - Nüsse, alkoholisch; Geschmack - Haselnuss, Rosinen, P.X. Sherry, Milchschokolade, zuckrig;

"Luxardo Amaretto" (28% Vol.): Nase - künstliches Orangenaroma, Estern, Orangeat; Geschmack - sehr süß, Fahrradschlauch, Gummi, Orangeat;

"DeKuyper Amaretto" (30% vol.):
Nase - schwache Aromen, sprittig; Geschmack - sehr süß, unangenehm;

Der "Disaronno" war mit Abstand der komplexeste Vertreter seiner Art im Tasting. Attribute wie "rund und doch würzig" sowie ein volles Mundgefühl wurden ihm ausnahmslos zugesprochen. Die Konzentration der Familie Reina (und damit der ILLVA) auf nur ein Produkt (in Lizenz wird auch "Tia Maria" hergestellt) zahlt sich also aus. Als "gut trinkbar" aber "wesentlich nussiger" wurde der "Tosci"-Amaretto als Nummer zwei im Tasting eingeordnet.

Bevor es an das Vermixen geht, noch kurz ein Blick auf das Packaging. Seit den 70ern kommt der "Disaronno" in der kantigen Flasche aus gehämmertem Glas mit dem quadratischen Deckel. Einige Billigprodukte bilden Form und sogar Verschluss auf das Peinlichste nach. Das ursprüngliche Etikett mit der stilisierten, goldenen Pergamentrolle wurde vor kurzem einer verhaltenen Überarbeitung unterzogen und fällt ein wenig schlichter aus. Eine limitierte Serie aus 2008 ist dagegen direkt als progressiv zu bezeichnen.

Die Workshopteilnehmer zeigten, nachdem Emanuele Ingusci u.a. seinen neukreierten Rumdrink Weidenfeller kredenzt hatte, im Anschluss ihre vorbereiteten oder aus dem Ärmel geschüttelten Rezepturen. Hocharomatische Kombinationen mit gleich zwei zusätzlichen Likören und einem Sirup (!) gingen mit simplen, aber wirkungsvollen Mixturen mit z.B. Williamsbrand oder frischer Passionsfrucht Hand in Hand. Die gesammelten Cocktails werden in einem Buch vereinigt, dass in 2012 an alle Aktiven und auch in die Campari-Cocktailbuchsammlungen in München und Mailand geht.

Ich finde "Disaronno"-Whisk(e)y-Drinks besonders spannend, daher hier zwei einfache Rezepturen mit Ryewhiskey als Anregung:

Scottare
(Pre-Dinner)

6cl Rye Whiskey (Sazerac 6y)

3cl Disaronno

1,5cl Campari

5 dash Vanille Bitters (Bob's Bitters / homemade)

Saft 1/2 Orange

shake + double strain in Cocktailschale

Deko: 1/4 Orangenscheibe + Orangenzeste geraspelt


Jose Mourinho Sour (aka The Special One)

6cl Rye Whiskey (Sazerac 6y)

3cl Disaronno

Saft einer Limette (3cl)

5 dash Cask Aged Whisky Bitters (Master Of Malt)

ca. 2cl Ginger Beer (Thomas Henry)

shake + strain in Tumbler auf Eiswürfel, float Ginger Beer

Deko: Whiskeykirsche (homemade)

Außerdem existiert bereits ein internationales Rezeptebooklet namens "Disaronno Cocktail Book", das u.a. eine Vielzahl, der in den USA, wo "Disaronno" am erfolgreichsten ist, so beliebten Kombinationen mit Cranberryjuice enthält. Salute!

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