Donnerstag, 2. Juni 2011

Alte Demerara Rums von Silver Seal

Gealterte Rums gehören sicherlich zu den interessantesten Spirituosen - zumindest für mich. Und ganz besonders spannend wird es, wenn der Stoff aus Guyana - oder besser: Demerara - kommt. Die italienische Firma "Silver Seal Whisky Company", die in Parma beheimatet ist, hat sich in der Vergangenheit nicht nur mit prähistorischen Whisky- , sondern auch mit ganz besonderen Rumabfüllungen einen Namen gemacht. Ich will hier auf eine besondere "Reihe" eingehen, bei der es sich um drei 32-jährige Rums aus der Enmore Distillery handelt.
Zur bewegten Geschichte der Demerararums ist kürzlich schon an anderer Stelle ausführlich Stellung genommen worden (Nochmals vielen Dank hierfür). Daher möchte ich nur ein paar Gedanken zu diesen speziellen Bottlings anbringen. Die von einigen Abfüllern wie "Cadenhead's" (sehr vorbildlich!) und "Velier" (manchmal widersprüchlich) auf den Flaschenetiketten angegebenen sog. Marks (z.B. PM für "Port Mourant" bzw. die "Port Mourant Still") sind u.a. auf den aus dem Herstellerland gelieferten Fässern zu finden. Sie bezogen sich vor den Schließungen der Brennereien in Guyana vornehmlich auf die Namen der jeweiligen Zuckerrohrplantagen zu denen die Distilleries gehörten. Die jeweilige Brennanlage wurde in der Regel ebenfalls mit dieser Bezeichnung identifiziert. Ein Gegenbeispiel ist die Albion Distillery, aus der die o.g. "Port Mourant Still" stammt. Letztlich erwuchs aus der Charakteristik des jeweils produzierten Rumstils (z.B. schwerer/leichter, süßer/trockener,...) und der Bezeichnung der dafür verwendeten Still mit dem jeweiligen Mark ein Synonym für eine ganz besondere Art von Rum. Soweit - so gut. Lustig wird das ganze, wenn für ein und dieselbe Anlage verschiedene Marks verwendet wurden...
Wird nun aber, wie in zwei der vorliegenden drei Fälle, nicht das (relativ) eindeutige Mark, sondern nur der Namen der Herkunftsdestillerie angegeben und waren in dieser zum Zeitpunkt der Produktion eventuell mehrere Anlagen in Betrieb, so lässt sich der Rum anhand des Flaschenetiketts nicht mehr so einfach einer bestimmten Still bzw. deren Stil zuordnen. "Silver Seal" nennt als Herkunft die Enmore Distillery. In selbiger waren jedoch die historischen, hölzernen Brennanlagen namens "Versailles Still" (single wooden pot still) und die "Enmore Still" (wooden coffey still) in Betrieb - zwei grundverschiedene Anlagen also, die jeweils einzigartige Destillate erzeugten und noch heute erzeugen. Durch Blending lassen sich (siehe "El Dorado") eine Vielzahl komplexer Rums herstellen. Worauf ich abschließend zu den theoretischen Ausführungen hinaus will: Nicht alle Rums aus der Enmore Distillery sind miteinander vergleichbar.

Die erste Abfüllung aus der "Wildlife Series" von "Silver Seal" wurde 1971 gebrannt und im Jahr 2003 aus einem Fass mit 71,8% Vol. in 232 0,7l-Flaschen abgefüllt. Meine Tastingnotes: Sehr zurückhaltende Nase mit etwas Kakao; Dann keine Spur von Süße, geröstete Paranüsse, gekochte Brombeeren und extrem langer Eichenabgang; Astringend, kompliziert, ausgereift. Was ich mit dürren Worten auszudrücken versuche, lässt sich kaum in Worte fassen. Kurz: ein Erlebnis! Ein Mark wurde nicht angegeben. Ich vermute jedoch, dass es sich um ein Destillat aus der EHP, der hölzernen Säulenanlage, handelt.
Der Rum in Flasche Nummer zwei wird als "Pure Guyana Rum Demerara Pot Still Enmore Distillery" bezeichnet und kam mit 50% Vol. in die Flasche. Ich habe ein intensives Bukett mit Orangenöl festgestellt, dann folgen viel gebrannter Zucker und ein Hauch Eiche; Ein süßer starker Beginn mündet in trockene Eiche zum langen Abgang; Zugänglich; Dieser Rum (aus dem Jahr 1975) ähnelt verblüffend anderen alten Pot Still Rums, wie z.B. einem 30-jährigen Port Mourant Rum von "Cadenhead's" (destilliert 1974). Das riecht verdächtig nach der "Versailles Still".

Bei der "aktuellen" 32-jährigen Abfüllung (destilliert 1977) gibt "Silver Seal" mit EHP auch das Mark an. Der Stoff wurde wieder als Single Barrel (236 Flaschen) diesmal mit 64,4% Vol. abgefüllt. Mein Tasting ergab: Zurückhaltende Espressonase mit Herrenschokolade; Dann angebrannte Früchte, Mango, Banane, dunkelgebrannter Zucker; Angenehm trockene Eiche führt in den eleganten Abgang; Ausgewogen;

Woher hat "Silver Seal", übrigens ein Schwesterunternehmen von "Sestante Import Srl", diesen Stoff überhaupt? - Der Rum lagert ganz unspektakulär in Schottland und wird auch im UK abgefüllt. "Silver Seal" betreibt keine eigene Lagerhaltung, sondern kauft die Fässer und lässt sie sich abfüllen, so wie es der Großteil der unabhängigen Whiskyabfüller auch tut. Wie sieht es mit Färbung aus? - Es war in den 70ern wohl üblich - im Gegensatz zur späteren und heutigen Praxis - das frische Destillat mit Karamell einzufärben. Auch das Ausstreichen der Fässer mit Melasse vor dem Befüllen war durchaus üblich. Ob die hier vorgestellten Rums auf die eine oder andere Weise ein Coloring erfahren haben, lässt sich nach Aussage von Herrn Mainardi bzw. dessen hilfsbereiter Mitarbeiterin, nicht mehr nachvollziehen. Eine Färbung nach der Lagerung findet auf jeden Fall nicht statt. Übrigens plant "Silver Seal" derzeit keine neue Abfüllung in ähnlich hohem Alter, da entsprechende Fässer nicht oder nur sehr schwer zu bekommen sind.

Fazit: Neben dem ansprechenden Äußeren glänzen diese Rums durch ihre Eigenständigkeit. Sie sind z.T. kostspielige Raritäten und leider gibt es, im Gegensatz zum Malt Whisky-Bereich, wo Abfüllungen in Fassstärke und aus Einzelfässern in den letzten 15 Jahren stark zugenommen haben, bis auf das Angebot weniger "independent bottler" aus Italien, UK und mittlerweile auch Deutschland nur geringste Mengen von Single Barrel-Abfüllungen.

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