"Ein Verfahren zur beschleunigten Reifung?
Genau das.
Hab ich's mir doch gedacht. Und wie haben sie das gemacht?
Halt dich fest: Mit Schall.
Was? Mit Schall?
Sozusagen das Schallschlucksystem: Sie haben einen Ton durch den Whisky gejagt. Der hat ihn geschluckt und ist damit in einer halben Stunde um drei Jahre älter geworden."
("Die Whisky-Killer", Hörspiel von Roderick Wilkinson, 1985, bei Youtube oder auf CD)
Die gesetzliche Mindestreifezeit für Whisky beträgt nach Europarecht bekanntlich drei Jahre in Holzfässern. Die Festlegung dieser Marke hat aber mit der tatsächlichen Reife oder Qualität des jeweiligen Destillats nichts zu tun, sondern hatte einen fiskalischen Hintergrund. Dass länger gelagerter Whisky andere Merkmale aufweist, als er das in jungen Jahren tut, ist bekannt und schlägt sich heutzutage vor allem in der Preisgestaltung der Hersteller und Vertriebe nieder.
(Quelle: unbekannt)
Um die natürliche Beschränkungen der additiven, subtraktiven und interaktiven Reifung zu durchbrechen und junge Brände mit den Eigenschaften ihrer älteren Verwandten auszustatten haben sich schon einige Menschen den Kopf zerbrochen. Ein U.S.-Patent dazu ("Method of treating wood for the rapid maturation of whiskey and other alcoholic liquors and wines" US2119234) stammt aus dem Jahr 1937. Die Methode von Lost Spirits Mastermind Bryan Davis, um dessen Produkte es in unseren Breiten zuletzt recht ruhig geworden ist, ("Method for rapid maturation of distilled spirits using light and heat processes" US9637712B2 bzw. US9637713B) im "THEA One Reactor" (Targeted Hyper-Esterification Aging) wurde 2015 zum Patent angemeldet und simuliert - kurz gesagt - wichtige Prozesse der Reifung wie z.B. die Esterproduktion durch die Anwendung von Holz, Licht und Wärme auf das Basisdestillat.
(Ein Rezept zur Turboreifung?)
Relativ neu am Markt ist die Schweizer Marke Seven Seals, die 2018 mit ersten Whiskyabfüllungen auf den Markt kam. Die Whiskies stammten zunächst offenbar von der Schweizer Brennerei Langatun, die seit 2005 Whisky produziert. Derzeit sollen die Basiswhiskies mindestens drei Jahre alt sein und von der Great Northern Distillery in Irland geliefert werden, die hauptsächlich Whisky für andere Marken herstellt, mittlerweile aber mit Burke's auch ein eigenes Brand am Start hat. Der Witz ist allerdings nicht die Herkunft des jungen Singlemalts, sondern die Weiterverarbeitung in einem geheimen, patentierten Verfahren.
Geheim? Patent? - An dem Punkt wurde ich hellhörig zumal eine Interviewanfrage an den firmeneigenen Entrepreneur Dr. Dolf Stockhausen, der hinter der Idee und der Entwicklung des Reifeprozesses steckt, unbeantwortet blieb. Sämtliche Pressematerialien, Interviews auf anderen Plattformen und die allwöchentlichen Promoveröffentlichungen brachten ebenso wie Mutmaßungen in der Community ("in einer speziellen Struktur ausgefräste Fässer") keine neuen Erkenntnisse. Mehr Hintergrundwissen förderte eine ca. zweiminütige Onlinerecherche beim Schweizer Patentamt zu Tage, wo Dr. Stockhausen 2017 eine entsprechende Patentschrift eingereicht hat ("Verfahren zur Behandlung von Holzpartikeln für die Herstellung von alkoholischen Getränken sowie ihre Verwendung und eine Vorrichtung für ihre Verwendung" CH714288B1 bzw. EP3284812A2).
Wer sich die zehn Seiten aufmerksam durchliest bekommt ein sehr genaues Bild des Verfahrens, das hier zur Anwendung kommt. Um es kurz zu machen, hier meine Interpretation/Zusammenfassung: Gewaschene und getrocknete Holzpartikel mit einer Seitenlänge von 2mm (solches Material kann man im Fachhandel beziehen) werden mittels Backofen getoastet und ggf. mit Sherry, Port o.ä. getränkt und wieder getrocknet. Diese aufbereiteten Holzpartikel werden dann für "bevorzugt" 6 bis 14 Stunden (oder länger) dem Whisky zugeführt. Das im Patent empfohlene Verhältnis liegt bei 10 bis 70g Holzpartikeln pro Liter Whisky. Logischerweise wird das Granulat anschließend wieder herausgefiltert. Genaueres und auch einige Beispiele sollte der Interessierte in der oben verlinkten Patentschrift nachlesen. Ob der unter dem Label "Seven Seals" verkaufte Stoff vor oder nach dem Prozedere vor Ort in der Schweiz in den branchenüblichen (Eichen)Fässern gelagert wird, ist nicht bekannt. Das Patent sieht diese Option ebenso wie ein ggf. mehrmaliges Durchlaufen des o.g. Prozesses vor.
Das Ganze ist also weder Alchemie noch Rocket Science. Das Bohei um die geheime Methode ist reines Marketing. Dr. Stockhausen hat in einem Weltwocheartikel aus 2019 seine Grundüberlegungen skizziert. Viel wichtiger ist also, ob man den Stoff auch trinken kann. Dazu habe ich mir eine aktuelle Flasche Seven Seals - The Age Of Sagittarius mit 49,7% Vol. aus der Zodiac Line erworben, die - glaubt man den Experten von whiskyexperts - hier und da hochbewertet wurde. Ein paar Samples früherer Abfüllungen hatte ich auch zur Verfügung. Zudem wurde ich zeitweilig von mehreren Assistenten bei der Probe unterstützt.
Beginnen wollen wir mit einem Vergleich zwischen Destillaten von Langatun und Seven Seals. Da letztere 2019 erschienen sind, sollten hier noch Schweizer Whiskies verarbeitet worden sein (ist natürlich reine Spekulation).
Langatun - Old Deer, 40%, 0,5l, ca. 43 EUR:
Geruch: Süß und leicht malzig. Den "toten Fuchs bzw. nassen Hund", den ein Tester in der Whiskybase erschnuppert hat, kann ich nicht feststellen.
Geschmack: Praktisch nichts. Babywhisky.
Finish: Fehlanzeige
Fazit: Schmerzfreier Anfängerwhisky oder eine perfekte Leinwand, um damit zu Experimentieren.
Seven Seals - Sherry Wood Finish, 46%, 0,7l, ca. 62 EUR:
Geruch: Etwas Karamell.
Geschmack: Herrje, sehr karamellig, Toffee, süüüüß und eher unangenehmer Alkohol.
Finish: Moment, Sherry? Welcher Sherry? Da war keiner...
Fazit: 60 EUR? Für was eigentlich? (Hier noch eine andere Meinung)
Seven Seals - Port Wood Finish, 46%, 0,7l, ca. 60 EUR:
Geruch: Früchte? Nüsse? Das ist schon besser als die beiden Delinquenten vorher.
Geschmack: Auch nicht so süß wie der Sherry Wood. Das ist durchaus genießbar.
Finish: Naja, auch eher kurz, wenn überhaupt.
Fazit: Noch einer für den eher unerfahrenen Trinker.
(Quelle: Internet)
Langatun - Old Bear Smoky, 40%, 0,5l, ca. 44 EUR:
Geruch: Recht fruchtig.
Geschmack: Wieder unbestimmbare aber eher gelbe Früchte. Ganz, ganz wenig Rauch. Smoky? Naja.
Fazit: Wenn es sowas gibt, dann ist das Ding ein Sommerwhisky.
(Langatun lagert den Old Bear nach meinen Infos in Ex-Rotweinfässern, füllt den aber auch mit mindestens 46% ab. Hm, ich denke dass mein offizielles Sample ohne Rotweingedöns in das Flascherl kam.)
Seven Seals - Peated Port Wood Finish, 46%, 0,7l, ca. 60 EUR:
Geruch: Kommt relativ alkoholisch rüber, aber schöner Rauch und dunkle Früchte.
Geschmack: Ja, das ist ok, Rauch und... Moment mal, der zweite Schluck ist schon nicht mehr so toll. Das Ganze ist doch dünn und fad im Mund.
Finish: Nicht wirklich feststellbar.
Fazit: In der Nase ok, aber dann doch noch eine Enttäuschung. Gut eine Flasche haben wir noch und diesmal kein Sample...
Seven Seals - The Age Of Sagittarius, 49,7% Vol., 0,5l, ca. 52 EUR
Optik: Sehr dunkle Farbe. Allerdings eher ein dumpfes Braun. Wirkt im Licht unecht und wässrig. An der Glaswand haben wir relativ öligen Spirit.
Geruch: Zunächst denkt man, dass das so gehen könnte, dann wird es richtig unangenehm. Nicht stechend alkoholisch, sondern künstlich.
Geschmack: Süß und Honig. Und dann? Ja eigentlich nichts mehr, was man erwähnen müsste.
Finish: Hat man keines und dann spuckt man den Spuk auch schon aus.
Fazit: Ohne ungenießbar zu sein, war der Sagittarius dann doch schlimm. Hier passen Destillat und Reifungsverfahren nicht zusammen. Der ganze Spaß zerfällt in seine Einzelteile und keiner der Tester hat sein Glas ausgetrunken. Nach dem zweiten Schluck wird der Grusel vor dem nächsten einfach zu groß.
(Hätte viele Schmerzen erspart: Künstliche Zunge)
wad! und seine Helfer haben bei dieser Masterclass wirklich alles gegeben und wundern sich, wie die Brände von Seven Seals auf dem gesamten Erdball für große Begeisterung sorgen (siehe Awards). Wir konnten das Geheimnis der Erfolgs (noch) nicht entdecken.
An dieser Stelle ergänzend noch ein Hinweis zu einer besonderen Abfüllung für The Liquid Madness: Ein "Peated Single Malt Whisky distilled at Seven Seals Distillery - Stans - Switzerland" der "Fully matured in a Amarone Red Wine Cask" zur Abfüllung kam (58,7%, 0,5l, ca. 62 EUR). Aha, Seven Seals destilliert nun auch selbst und dieser Whisky wurde "fully" in einem Weinfass gelagert? Das ist ja interessant, würde aber auch zur kürzlich verkündeten Kooperation mit der kanadischen Whiskybrennerei Dunrobin "Zwei Destillerien..." (siehe unten) und dem in 2022 errungenen Titel "Swiss Distiller Of The Year" passen. Aber die Begriffe "Destillerie" und "Destillieren" sind wohl dehnbar. Weder auf der Homepage der Schweizer noch auf der Verteilerseite ihrer Pressemitteilungen finden sich Infos zur Installation von Brennblasen usw. Die beiden hilfsbereiten Herren von The Liquid Madness konnten lediglich bestätigen, dass die Infos auf dem Flaschenetikett nach den Vorgaben von Seven Seals formuliert wurden und das Grunddestillat mittels Stockhausenverfahren und anschließendem Finish im Ex-Amaronefass gereift wurde. Das passt dann wieder zu den in der Patentschrift genannten Optionen.
Das Ergebnis dieser Recherche und dem ausgiebigen Tasting lässt sich in einem Satz feststellen: Nein, die Schotten müssen wirklich keine Angst vor Dr. Stockhausen und seinen Methoden haben, denn schon einem erschwinglichen, sechsjährigen Blended Scotch, wie z.B. dem Thompson Bros. TB/BSW, können sämtliche Seven Seal-Whiskies weder in Sachen Qualität noch in Sachen Preis/Leistungsverhältnis das Wasser - respektive das Destillat - reichen.